Von Kai Rebmann
Der Digital Services Act (DSA) wurde im Frühjahr 2022 in Brüssel ersonnen. Mit diesem Instrument will die EU die Betreiber von Social-Media-Plattformen zu einer noch schnelleren und noch gründlicheren Zensur zwingen als dies bisher ohnehin schon der Fall ist. Kritiker sehen im DSA einen gewichtigen Eingriff in die individuellen Freiheitsrechte der Bürger. Dass dieser dem offiziellen Wortlaut zufolge auch noch zum Schutz von Demokratie und Meinungsfreiheit dienen soll, darf dabei kaum noch wirklich überraschen, sondern ist in solchen Zusammenhängen eher die fast schon gewohnte Terminologie.
Ebenso wenig verwundert es, dass die Bundesregierung zu den ersten EU-Mitgliedern gehört, die den umstrittenen DSA in nationales Recht umgesetzt haben. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die Bundesnetzagentur den ersten sogenannten „Trusted Flagger“ mit der Durchforstung der sozialen Medien nach vermeintlicher Desinformation sowie Hass und Hetze beauftragt hat.
Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, lässt sich in einer Pressemitteilung wie folgt zitieren: „Mit der Zulassung des ersten Trusted Flaggers setzen wir die europäischen Regeln in Deutschland konsequent um.“ Dass der Agentur-Chef und Habeck-Intimus die EU hier faktisch mit Europa gleichsetzt, sei an dieser Stelle nachgesehen. Viel spannender ist die Frage, wer sich hinter diesem „vertrauensvollen Hinweisgeber“ verbirgt, der ab sofort und im Auftrag der Regierung den Daumen über Kommentare bei Facebook, X, Telegram und Co heben oder senken soll.
Bundesregierung und Meldestelle spielen Doppelpass
Bei den von der Bundesnetzagentur Auserwählten handelt es sich um „REspect!“, eine private Stiftung mit Sitz in Sersheim. Die Meldestelle beschreibt sich selbst als „eine Maßnahme der Jugendstiftung Baden-Württemberg im Demokratiezentrum Baden-Württemberg in Kooperation mit der Bayerischen Staatsregierung“.
Fördergelder fließen unter anderem aus den Töpfen des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg, des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales sowie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“.
Schon diese Aufzählung macht klar: „REspect!“ mag vieles sein, aber ganz sicher nicht unabhängig! Niemand wird die Hand beißen, die ihn füttert. Und an diesen Grundsatz werden sich im Zweifel auch die „Melder“ aus dem Südwesten halten.
Denn: Was genau unter „Hass und Hetze“ und „Desinformation“ zu verstehen ist, bleibt völlig im Dunkeln. Weder die EU noch die Bundesnetzagentur oder „REspect!“ können oder wollen sich hier zu einer klaren Definition durchringen. Bisher war es Aufgabe von Gerichten und Staatsanwaltschaften, über diese Fragen zu urteilen – jetzt soll diese Entscheidung in die Hände einer privaten Stiftung gelegt werden.
Es kommt aber noch dicker: Direktor bei „REspect!“ ist kein Geringerer als Ahmed Haykel Gaafar. Der Islamgelehrte aus Ägypten absolvierte sein Studium an der Al-Azhar-Universität in Kairo, die als eine der wichtigsten Kaderschmieden für den radikalen Islamismus gilt. Gaafar geht mit seiner Nominierung durch die Bundesnetzagentur auch schon eifrig hausieren und feiert sich via X als „Erster Trusted Flagger in Deutschland!“
Privatisierung des Rechts auf freie Meinung
Spätestens angesichts dieser Personalie hätten bei der Bundesnetzagentur – oder aber im übergeordneten Bundeswirtschaftsministerium – sämtliche Alarmglocken schrillen müssen. Stattdessen macht die Müller-Behörde einen Islamgelehrten zum ideologischen Handlanger und de facto obersten Zensor Deutschlands. Was die Netzagentur von ihrem „vertrauenswürdigen Hinweisgeber“ erwartet, erklärt sie so: Jeder kann einen in seinen Augen verdächtigen Post oder Kommentar melden – und „REspect!“ entscheidet dann, wie und gegebenenfalls an wen der betreffende Beitrag weitergeleitet bzw. zur Anzeige gebracht wird.
Ziel des DSA sei es, so die Pressemitteilung, „illegale Inhalte, Hass und Fake News sehr schnell und ohne bürokratische Hürden“ entfernen zu können und damit „das Internet sicherer zu machen“. Die Betreiber der Plattformen hätten auf entsprechende Meldungen „unverzüglich“ und „sofort“ zu reagieren.
Mit anderen Worten: Es reicht, wenn ein „REspect“-Zensor einen Inhalt für „illegal“ oder sonstwie verdächtig hält, um die betreffende Plattform zur „sehr schnellen“ und sofortigen Löschung aufzufordern. Ob diese Entscheidung dann vor einem ordentlichen Gericht gegebenenfalls standhält, spielt dabei offenbar keine Rolle mehr.
Und spätestens an dieser Stelle kommen wieder die EU-Kommission und die drastischen Millionen-Strafen ins Spiel, mit denen Betreibern von Social-Media-Plattformen inzwischen regelmäßig gedroht wird. Erst vor wenigen Tagen machten zwei FPÖ-Politiker bekannt, wie das EU-Parlament den eigenen Abgeordneten den Zugang zu bestimmten Webseiten verwehrt – und damit de facto bestimmt, wo diese sich informieren dürfen und wo nicht.
Juristen halten das aktuelle Vorgehen der Bundesregierung sogar für verfassungswidrig und verweisen dabei explizit auf das Recht der Meinungsfreiheit. Das Portal „Nius“ zitiert hierzu beispielhaft den Strafrechtler Udo Vetter: „Es ist im Prinzip eine Zensur durch die Zensurbehörde – nicht mehr durch die Hintertür, sondern man marschiert durch den Vordereingang.“ Der Anwalt bezeichnet die Umsetzung des DSA durch die Bundesnetzagentur als „faktische Ausschaltung des Rechtsweges“.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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