Von Daniel Weinmann
Pfizer-Aktionäre haben derzeit gut lachen. Als die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) am Donnerstag die Notfallzulassung für das Corona-Medikament Paxlovid des US-Pharmagiganten bekannt gegeben hatte, kletterten die Aktien des BioNTech-Partners auf ein Rekordhoch. Seit Beginn dieses Jahres gewannen Pfizer-Aktien damit mehr als 60 Prozent an Wert.
Lediglich zwei Tage benötigten Europas oberste Arzneimittel-Aufseher für ihre Notfallzulassung – obwohl Paxlovid noch nicht einmal offiziell zum Verkauf zugelassen ist. Erst am Dienstag teilte der Pharmariese mit, dass sein antivirales Medikament bei Risikopatienten die Gefahr einer Krankenhauseinweisung oder eines Todes um 89 Prozent senkt.
Keiner der 2.246 erwachsenen Studienteilnehmer, die mit den Pfizer-Tabletten behandelt wurden, verstarb – verglichen mit zwölf Todesfällen unter denen, die das Placebo einnahmen. Paxlovid könnte „das Leben von Patienten in aller Welt retten“, frohlockte Pfizer-Vorstandschef Albert Bourla.
Das Präparat verringert die Fähigkeit des Coronavirus, sich in den Körperzellen zu vermehren, und bremst damit die Weiterentwicklung der Krankheit COVID-19. Kombiniert wird der neue Wirkstoff mit dem Medikament Ritonavir, das bereits zur Behandlung von HIV-Patienten eingesetzt wird. Jüngste Labortests deuteten zudem darauf hin, dass das Präparat seine Wirksamkeit auch gegen die sich schnell ausbreitende Omikron-Variante des Coronavirus beibehält.
Nur geringer Stellenwert in der Therapie
Alexandra Calmy, Infektiologin an der Uniklinik Genf und Mitglied der wissenschaftlichen COVID-19-Task-Force des Schweizerischen Bundesrats, hofft denn auch, dass Paxlovid zum Game Changer wird. Die US-Regierung hat sich bereits zehn Millionen Behandlungseinheiten für knapp 5,3 Milliarden Dollar gesichert.
Antivirale Mittel wie das Pfizer-Präparat haben indes einen großen Nachteil: Sie müssen frühzeitig im Krankheitsverlauf eingenommen werden, Paxlovid erlaubt nur eine Frist von drei Tagen. Doch in diesem Stadium fühlen sich die meisten Erkrankten überwiegend noch so gut, dass sie sich selbst zu Hause helfen können. Geht es ihnen dann schlechter, ist es für Präparate wie Paxlovid in aller Regel zu spät.
Für Christian Karagiannidis, den jüngst in den Corona-Expertenrat berufenen Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv-und Notfallmedizin (DIVI), haben antivirale Mittel, zu denen auch Molnupiravir von Merck gehört, „in der Therapie nur einen geringen Stellenwert“.
Der „Spiegel“ brachte dies kürzlich so auf den Punkt: „Wer glaubt, dass damit die Pandemie bald unter Kontrolle sein könnte, überschätzt den Einfluss der neuartigen Wirkstoffe. Sie sind zwar hilfreich, aber keine Allheilmittel“, so das Magazin – das gleich vor zu viel Ausgelassenheit warnte: „Feiern, trinken und singen, ohne Maske oder Abstand, und dann, wenn man sich angesteckt hat, einfach eine Pille einwerfen? Wer diese Hoffnung hegen sollte, dürfte enttäuscht werden.“
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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