Der lange Weg des Totimpfstoffes bis zur Zulassung Naht das Ende der experimentellen mRNA-Impfstoffe?

Von Alexander Wallasch

Die Frage ist tatsächlich rückblickend zu stellen: Was wäre gewesen, hätten die Regierungen im selben massiven Maße eine Totimpfstoffentwicklung gefördert nach klassischer etablierter Technologie, wie sie die Technologie der mRNA-Impfstoffe hochsubventioniert haben?

Sicher gibt es viele Impfskeptiker, die auch diese klassische Form der Impfung nicht gutheißen. Aber wer beispielsweise heute als Alternative zu mRNA lieber eine Infektion mit COVID-19 riskiert, um als Genesener zu gelten, der wäre ja eventuell mit der klassischen Technologie der Totimpfstoffe besser dran, weil im Prinzip auf demselben Feld der Ansteckung unterwegs – nur eben kontrollierter.

Ähnlich zögerlich, wie es sich mit Medikamenten gegen eine COVID-19-Erkrankung verhält – jedenfalls im Vergleich mit der Subventionierung der Entwicklung von mRNA-Impfstoffen –, wurde auch bei der Totimpfstoff- bzw. Tot-Lebend-Impfstoffentwicklung lange nicht im selben Maße subventioniert. Die britische Regierung kündigte gar einem vielversprechenden Kandidaten einen Liefervertrag, der bis heute nicht erneuert wurde.

Den in Deutschland zugelassenen Impfstoffen gegen COVID-19 ist vor allem eines gemein: Sie enthalten genetische Informationen mit dem Bauplan des Spike-Proteins. Das gilt im Prinzip für die Vektorimpfstoffe (Johnson & Johnson und Astrazeneca) ebenso wie für die mRNA-Impfstoffe (Biontech und Moderna).

Erstaunlich ist die mutmaßliche Vernachlässigung der Totimpfstoffe auch deshalb, weil diese noch einen erheblichen Vorteil haben gegenüber den mRNA- und Vektorbasierten Impfstoffen: Sie sind lange lagerfähig. Sie können mehrere Jahre lang bei zwei bis acht Grad Celsius aufbewahrt und bis zu 24 Stunden lang bei Raumtemperatur eingesetzt werden.

Trotz der massiven Kritik und der mittlerweile enttäuschenden Wirksamkeit samt neuerer Empfehlungen, innerhalb eines kurzen Zeitfensters zum dritten Mal nachzuimpfen, scheint der Boom der mRNA-Technologie ungebrochen.

Das lange Warten auf die Totimpfstoffe

Die Corona-Impfung von Biontech und Moderna soll erst der Anfang gewesen sein, schreibt beispielsweise das Manager-Magazin Mitte August dieses Jahres: „Etliche Firmen rechnen sich Chancen aus, die mRNA-Technik gegen andere Krankheiten einzusetzen.“

Jetzt, über eineinhalb Jahre nach Beginn der Pandemielage, fragt beispielsweise die Stuttgarter Zeitung: „Lohnt sich das Warten auf die Totimpfstoffe?“

Die drei Totimpfstoffe, die bei Sanofi, Novavax und Valneva in der Entwicklung sind, lassen auf sich warten. Valneva ist am dichtesten dran, möglicherweise noch in diesem Jahr bedingt zugelassen zu werden. Wäre das der Anfang vom Ende aller Experimente mit mRNA-Impfstoffen?

Die Stuttgarter Zeitung hält es für unwahrscheinlich, dass die Immunisierung mit einem der Totimpfstoffe noch vor Anbruch des Winters stattfinden kann. Und rät gleich im Anschluss indirekt davon ab, zu warten, bis der Totimpfstoff zur Verfügung steht:

„Ob sich das Warten lohnt, ist natürlich eine individuelle Entscheidung. Angesichts der weiterhin hohen Infektionszahlen (…) steigt jedoch das Risiko einer Ansteckung.“

Eine Kritik etwa an der Wirksamkeit gegenüber den mRNA-Impfstoffen ist hier allerdings nicht zu finden. Das Handelsblatt beispielsweise berichtet ganz aktuell von einer Erfolgsgeschichte der Totimpfstoffentwicklung gegen alle Hürden unter der Überschrift: „Mehr Antikörper, weniger Nebenwirkungen – konventioneller Impfstoff von Valneva zeigt gute Daten“.

Hätte ein Totimpfstoff viele Impf- und mRNA-Skeptiker umstimmen können?

Nochmal: Hätte man diesen tiefen Graben, der jetzt quer durch die Gesellschaft verläuft, verhindern können, indem man statt auf die mRNA-Technologie auf diese zwar viel langweiligere, aber effektivere Totimpfstoffentwicklung gesetzt und diese stattdessen oder wenigstens parallel ebenso massiv subventioniert hätte?

Kann es sogar sein – steile These? –, dass die Bundesregierung nicht widerstehen konnte, eine ganz neue Technologie aus dem und am Standort Deutschland zu fördern unter Vernachlässigung des Althergebrachten?

Fragen über Fragen: Wären die 300 Millionen Euro staatliche Investition in die jetzt gescheiterte mRNA-Technologie von Curevac bei Totimpfstoff-Entwicklern am Ende besser aufgehoben gewesen?

Peter Altmaier kommentierte die Curevac-Entscheidung damals so: Es sei wichtig, erfolgversprechende Schlüsseltechnologien am Standort Deutschland zu stärken. „Das gilt ganz besonders für die Biotechnologie und für Life Sciences.“

Das Handelsblatt stellt weiter fest zum Totimpfstoff: „Ein Impfstoff aus Frankreich scheint besser zu wirken als jener von Astrazeneca. Und er arbeitet mit einer lange etablierten Technologie.“ Und die Zeitung fügt die Frage an: „Kann das auch Impfskeptiker überzeugen?“

Die neuesten Meldungen des französisch-österreichischen Entwicklers des Totimpfstoffes scheinen das Potenzial mitzubringen, die zugelassenen experimentellen Impfstoffe in den Schatten zu stellen: Valneva soll eine höhere Antikörperkonzentration als Astrazeneca haben, und auch die Nebenwirkungen seien in einer Phase-3-Studie geringer ausgefallen. Die Nachricht kam auch bei Investoren sehr gut an, die Aktie des Unternehmens legte rund 40 Prozent zu.

Wieder das Handelsblatt berichtet über den Fortgang der Entwicklung bei Valneva: Firmenchef Thomas Lingelbach zeige sich angesichts der Daten äußerst zuversichtlich, dass der Impfstoff im kommenden Jahr eine Zulassung in Europa erhalten würde. Auch hatte Lingelbach angekündigt, umgehend ein rollierendes Zulassungsverfahren bei der europäischen Arzneimittelagentur EMA zu beantragen.

Schon seit fast einem Jahr führt Valneva Verhandlungen über Lieferverträge mit der EU, die aber laufen weiter schleppend. Anfang des Jahres sollten Verträge über 60 Millionen Dosen abgeschlossen werden, bis heute ohne Ergebnis.

Wie erfolgversprechend der auf herkömmlicher Technologie basierende Impfstoff sein könnte, macht folgende Meldung deutlich: Nach Angaben des Unternehmens soll der Impfstoff in einer Vergleichsstudie etwa 40 Prozent höhere Antikörperkonzentrationen als der bereits zugelassene Impfstoff AZD1222 von Astrazeneca aufweisen. Zudem würde der Impfstoff eine breite T-Zellen-Reaktion erzeugen bei geringeren Nebenwirkungen.

Valneva als Geheimwaffe gegen Impfmüdigkeit?

Allerdings arbeitet Valneva auch mit Wirkstoffverstärkern der US-Firma Dynavax. Erst diese Zugabe würde für eine deutlich höhere Antikörperkonzentration sorgen.

Firmenchef Lingelbach sieht die vereinbarten Zulassungskriterien schon erfüllt mit der gegenüber Astrazeneca überlegenen Antikörperproduktion und einer vergleichbaren Ansprechrate (Serokonversionsrate) von über 95 Prozent.

Der MDR fragte vor ein paar Tagen: „Corona-Totimpfstoff: Was ist dran an Valneva?“ Der Sender kommt dabei zu keiner echten Empfehlung. Vielmehr heißt es stattdessen: „Ob aber eine möglicherweise umfassendere Immunantwort bei einem Totimpfstoff auch gleichbedeutend mit einem stärkeren Impfschutz ist, ist noch unklar. Immerhin haben bereits Moderna und Biontech/Pfizer einen Impfschutz von 95 Prozent.“

Das ist merkwürdig oder vielleicht nur ein Verständnisfehler (Delta-Virus), denn der MDR berichtete noch im August: „Eine noch nicht begutachtete US-Studie sieht Hinweise, dass eine Biontech-Impfung nur noch zu 42 Prozent vor einer Delta-Infektion mit leichten Symptomen schützt, bei Moderna dagegen seien es 76 Prozent.“

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

 

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“.

Bild: Shutterstock
Text: wal

mehr von Alexander Wallasch auf reitschuster.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert