Ein Gastbeitrag von Sönke Paulsen
Eine Personalie, die es in sich hat und auf die ich nie gekommen wäre. Wer die Geschichte um Tanit Koch, die 43-jährige Politologin, Juristin und Journalistin kennt, die sich vor kurzem, wegen „unterschiedlicher Auffassungen“ als Chefredakteurin der Zentralredaktion von der RTL-Mediengruppe verabschieden musste, weiß, dass hier Sprengstoff liegt.
Beherrschendes Thema der ehemaligen Bild-Chefin, die dem vom Vorstandsvorsitzenden Döpfner protegierten Julian Reichelt weichen musste, ist, dass sie in kurzer Zeit mehrere intensive Machtkämpfe gegen männliche Konkurrenten verloren hat.
Die für die einen als liberal, für andere als „weit links“ geltende Journalistin (ihr wird nachgesagt, bei „Bild“ die „Refugees Welcome“- Kampagne erfunden haben) steigt trotzdem auf. Denn ihre Position in einem erfolgreichen Wahlkampfteam könnte als Regierungssprecherin enden.
Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass Laschet hier einen Fehler gemacht hat. Denn die begabte Frau ist durchaus nachtragend. Ihre ehemalige Seilschaft hat Reichelt noch im letzten Jahr durch den Dreck gezogen. Vor allem von weiblicher Seite gab es eine Kaskade von Beschwerden über Julian Reichelt und seine „Boygroup“ in der Bildredaktion, die auch dazu führte, dass Reichelt eine Weile kalt gestellt war. Danach musste er, wegen Führungsfehlern, eine Doppelspitze mit einer Frau akzeptieren, und zwar der BamS-Chefin Alexandra Würzbach.
Bei dieser Vorgeschichte möchte man am liebsten gar nicht so genau hinschauen, mit welcher Motivation Tanit Koch jetzt die Wahlkampfkommunikation für Armin Laschet übernimmt. Von dem Wunsch nach einer ernsthaften politischen Karriere bei der Union bis hin zu einer trojanischen Mission ist so ziemlich alles denkbar. Laschets Hauptkonkurrentin ist bekanntlich eine Frau.
Aber auch völlig unabhängig von der Loyalität, die bei der neuen Wahlkampfchefin zu erwarten oder nicht zu erwarten ist, könnte sich diese Besetzung als schwerer Fehler erweisen.
Die Beißhemmung der jetzigen Bildredaktion gegenüber dem zukünftigen Bundeskanzler dürfte durch diese Personalie massiv zurückgehen. Julian Reichelt kann es sich nun erlauben, Armin Laschet nach allen Regeln der Journaille herunterzuschreiben. Denn er hat mit Laschets Wahlkampfchefin noch eine recht frische Rechnung offen. Mindestens hat sie ihn, nach ihrem Abgang, verzögert, im letzten Jahr nochmal demütigen lassen. Das verzeiht so einer nicht so schnell.
Am Ende könnte die Sache so weit gehen, dass ein Streit zwischen Journalisten die Kanzlerwahl entscheidet. Das wäre nun wirklich viel zu viel Macht für die Medien, ist aber nicht auszuschließen.
Zumindest aber darf man den Wahlkampf Laschets nun besonders aufmerksam beobachten. Denn der Kanzlerkandidat, den man eigentlich gendern könnte, so geschmeidig, wie er sich gibt, wird jetzt von einer Spitzenfrau der deutschen Medienlandschaft beraten. Weibliche Kommunikation pur ist zu erwarten.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“
Hier finden Sie seine Fortsetzungsgeschichte „Angriff auf die Welt“ – der „wahre“ Bond.
Bild: Free press image ( Agaton Strom for DLD)/Hubert Burda Media Folgen DLD New York City Conference 2018/via flickr.com/CC BY-NC-SA 2.0Text: Gast
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