Von Daniel Weinmann
Hurra, die Impfpflicht kommt! So oder ähnlich muss das Management des zur Artemed-Gruppe gehörenden St. Josefskrankenhauses in Heidelberg gedacht haben. Der Klinikleitung kann es offensichtlich nicht schnell genug gehen, ausschließlich Geimpfte und Genesene zu beschäftigen. Allen anderen ist seit Anfang Januar der Zugang verwehrt. Zudem wurden sie von der Gehaltsliste gestrichen. Artemed verlangt an allen 17 Standorten in Deutschland schon ab 1. Januar einen Impfnachweis von seinen rund 17.000 Beschäftigten.
Das St. Josefskrankenhaus kann sich dies augenscheinlich leisten: Betroffen waren kurz vor dem Jahreswechsel nur acht von insgesamt 757 Mitarbeitern, wie ein Sprecher des Krankenhauses auf Nachfrage der Rhein-Neckar-Zeitung mitteilte. Die Immunisierungsrate der Mitarbeiter bezifferte er auf 99 Prozent.
Die „Welt“ zitiert ein Schreiben vom 21. Dezember an einen Mitarbeiter: „Leider sind Sie nach unserem aktuellen Kenntnisstand nach wie vor nicht überzeugt, dass eine Impfung sinnvoll und notwendig ist”, heißt es darin, “sicherlich haben Sie sich daher auch schon gefragt, welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen sich aus dem Umstand ergeben, dass wir Ihre Dienste ab Januar nicht mehr in Anspruch nehmen können”.
Sarkastisches Schreiben an ungeimpften Mitarbeiter
Fast zynisch mutet die „Bitte um Verständnis“ an, „dass wir spiegelbildlich kein Gehalt mehr an Sie bezahlen werden; es gilt der Grundsatz, ohne Arbeit kein Lohn“. Die Alternative: Eine temporäre Lösung durch den Abbau von Urlaub und Überstunden oder die Vereinbarung eines ruhenden Arbeitsverhältnisses für einen überschaubaren Zeitraum.
Daran besteht indes offenbar nur wenig Interesse, wie diese höhnische Ergänzung unmissverständlich zeigt: „Mitunter möchten Sie aber auch sofort und uneingeschränkt einer neuen Perspektive nachgehen oder im aktuellen Umfeld nicht mehr tätig werden und Ihren Arbeitsvertrag so schnell wie möglich beenden.“
Auch der Schlusssatz passt zum durchgängig verächtlichen Duktus: Man bittet den geschassten Mitarbeiter, sich nicht „allein gelassen“ zu fühlen. Für arbeitsrechtliche Fragen – „mit Ausnahme von Diskussionen über die Zweckmäßigkeit der Impfstrategie“ – stehe man unterstützend zur Seite.
Arbeitsrechtlich umstrittene Anordnung
Der Beschluss war Mitte November für alle 17 Artemed-Kliniken, zu denen auch das St. Josefskrankenhaus gehört, gefasst worden. Die Begründung für die vorzeitige Kündigung der ungeimpften Mitarbeiter liest sich so: Als Gesundheitsdienstleister mit 17 Häusern, die teilweise eine zentrale Rolle in der Versorgung ihrer jeweiligen Region – inklusive der Versorgung von Covid-Patienten – spielen, müsse vor allem während der Corona-Pandemie alles unternommen werden, um die Betriebsfähigkeit der Kliniken aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus habe man viel positives Feedback inner- und außerhalb der Kliniken erhalten.
Artemed-Geschäftsführer Salfeld „leidet“ mit den Mitarbeitern, sieht aber keine Möglichkeit, sie vor dem Ende der Pandemie zu beschäftigen. Man könne „keinem Besucher erklären, dass dieser geimpft sein muss, die Mitarbeiter aber nicht“, zitiert ihn der „Bayerische Rundfunk“.
Arbeitsrechtlich ist die Anordnung der Klinikleitung höchst fragwürdig. Juristen wie Christian Willert von der Kanzlei Härting halten das Prinzip „ohne Arbeit kein Lohn“ für nicht erfüllt, weil der Arbeitgeber einseitig dem Beschäftigten vorschreibe, auf seine Arbeitsleistung zu verzichten.
Umso überraschender erscheint vor diesem Hintergrund, dass Klagen – zumindest behauptet dies die Klinik – bisher nicht eingegangen sind.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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