»Stehe! stehe!
denn wir haben
deiner Gaben
vollgemessen! –
Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
Hab ich doch das Wort vergessen!In die Ecke,
Besen, Besen!
Seids gewesen.
Denn als Geister
ruft euch nur zu seinem Zwecke,
erst hervor der alte Meister.«
So einfach wie bei Johann Wolfgang von Goethes Zauberlehrling wird es wohl für Annalena Baerbock nicht werden. In der Ballade hatte der junge Gehilfe des Zauberers den Besen zum Leben erweckt, ohne das entscheidende Wort zu kennen, um ihn wieder zum Schweigen zu bringen. Doch der Meister kam rechtzeitig und beendete den Spuk. Für Baerbock und Co ist ein solcher Meister nicht in Sicht.
Die Partei und ihre Aushängeschilder werden nun von dem Tugend-Imperialismus, den sie selbst jahrelang mit entfachten, eingeholt. Auf tragikomische Weise. „Grünen-Chefin Baerbock grillt Klimakiller – PETA appelliert an Kanzlerkandidatin, der Umwelt zuliebe an Veganstart-Programm teilzunehmen“ – unter diesem Titel hat die Tierschutzorganisation aus dem Orbit der Öko-Partei heute eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der sie den moralischen Stab über Baerbock bricht. Wagt diese doch den Frevel: Nicht nur, dass sie Fleisch isst. Igitt! Sie gibt es auch noch öffentlich zu.
In der PETA-Pressemitteilung heißt es:
Am Sonntag teilte Annalena Baerbock im BILD-Politik-Talk mit, dass bei ihr auch „Fleisch und Würstchen“ auf den Grill kommen und es Menschen hierzulande freigestellt ist, wie sie sich ernähren. PETA kritisiert, dass die Grünen-Chefin mit ihrer Einstellung dazu ermutigt, trotz der Klimaproblematik an alten Gewohnheiten festzuhalten. Dabei ist der Konsum von tierischen Produkten wie Fleisch und Milch nachweislich eine der Hauptursachen für die Umweltprobleme der heutigen Zeit und für erhebliches Tierleid verantwortlich. Die Tierrechtsorganisation appelliert nun an die Kanzlerkandidatin, das kostenlose Veganstart-Programm auszuprobieren und mit einer tier- und umweltfreundlichen, rein pflanzlichen Ernährung ihrer Vorbildfunktion als Politikerin gerecht zu werden.
„Wir haben nur eine Erde und müssen jetzt handeln. Als Parteivorsitzende sollte Annalena Baerbock mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass Tier- und Klimaschutz schon auf unseren Tellern beginnt“, so Ilana Bollag, PETAs Fachreferentin für Klima und Ernährung. „Die Tierwirtschaft, wie sie bislang betrieben wird, befeuert die Erderwärmung und auch gesundheitliche Gefahren immer mehr. Denn Produkte tierischen Ursprungs verbrauchen erheblich mehr Ressourcen als pflanzliche Lebensmittel – und Tiermärkte, Ställe und Schlachthäuser sind regelrechte Brutstätten für potenziell tödliche Keime.“
In gesamter Länge ist die Presseerklärung hier nachzulesen.
Dass die Grünen-Kanzlerkandidatin nun unter Beschuss aus dem eigenen Milieu kommt, weil sie es wagt, einmal ein Stück Fleisch oder ein Würstchen auf den Grill zu legen, offenbart die ganze Moral-Hybris der Grünen bzw. des ideologisierten Teils ihrer Unterstützer (man darf schließlich nicht alle über einen Kamm scheren). Sie legen die Messlatte so hoch, dass sie selbst daran scheitern müssen.
Man kann Baerbock sicher viel vorwerfen. Ahnungslosigkeit in vielen Bereichen, den Hang zu Überheblichkeit, graue Stellen in ihrem akademischen Lebenslauf, Nicht-Melden von Einkünften und einen Hang zur Ideologisierung. Dass sie aber aus dem eigenen Umfeld angegriffen wird, weil sie auch mal Fleisch auf den Grill legt, zeigt, welch jakobinische, lust- und fleischlose Zeiten uns drohen, sollten die Grünen ihre Lufthoheit über die Medien und die politische Debatte auch noch zu einer völligen Lufthoheit über die Politik in Deutschland ausbauen.
Es soll niemand sagen können, er hätte es nicht gewusst.
Bild: C. Nass/Shutterstock
Text: red
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