Von Christian Euler
Angst zu erzeugen ist seit jeher ein probates Mittel, um Menschen gefügig zu machen. Allzu gern sind verängstige Naturen bereit, die von ihren „Rettern“ vorgeschlagenen Maßnahmen zu befolgen – insbesondere, wenn es um das eigene Überleben geht. Ist die Angst nur groß genug, sind die Menschen sogar bereit, auf ihre Grundrechte zu verzichten, Masken mit zweifelhafter Schutzwirkung zu tragen, Ausgangssperren zu akzeptieren – und sich Impfstoffe injizieren zu lassen, die möglicherweise schwerste Nebenwirkungen mit sich bringen.
Schließlich handeln die Menschen ja, suggeriert vom Staat – der selbstverständlich nur das Beste für sie will – aus Rücksicht und Vernunft. Die wohlmeinende, rundumversorgende Regierung versorgt ihre eingeschüchterten Wähler in Echtzeit mit negativen Nachrichten und Bildern – die gleichermaßen die Angst verstärken und die gute Absicht hinter den (Vorsichts)maßnahmen untermauern.
Besonders beliebt, wenn es darum geht, das Paniklevel vorausschauend auf höchstem Niveau zu halten, sind Horrorszenarien: vorzugsweise aus dem Munde von Wissenschaftlern oder solchen, die sich dafür halten. Nichts kann düster genug sein.
Ende März etwa berief sich der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bei Twitter in schrillen Tönen auf die Berechnungen des Modellierers Kai Nagel von der TU Berlin und prophezeite eine Inzidenz von 2.000 im Mai. Dies würde eine massive Zunahme der Covid-Toten und -Invaliden bedeuten, warnte Lauterbach.
Mitte April legte er im TV-Talk von Maybrit Illner nach: „Diejenigen, die jetzt auf den Intensivstationen behandelt werden, sind im Durchschnitt 47 bis 48 Jahre alt. Die Hälfte von denen stirbt. Viele Kinder verlieren ihre Eltern. Das ist eine Tragödie.“ Zuvor mahnte die Virologin Melanie Brinkmann im „Spiegel“, die Mutanten würden uns „überrennen, das Virus hat einen Raketenantrieb bekommen“.
Gutes Image trotz schlechter Prognosen
Der Verband der Intensivmediziner reihte sich in die Hiobsbotschaften mit seiner Ankündigung eines Crashs der Intensivstationen im April ein. Ärzte, die dies übertrieben fanden, wurden als naiv und fahrlässig diffamiert. Zusätzliches Öl ins Feuer gossen viele Medien, beispielsweise der Berliner „Tagesspiegel“, der den Ball von Lauterbach mit fast sinnlichem Vergnügen aufnahm und quer durch die Republik posaunte.
Paradigmatisch für den Habitus der Mainstream-Medien ist auch der „Spiegel“, dessen Leser im März erfuhren, dass sie noch „Wochen oder Monate im Bunker ausharren“ müssten. Zwischen 12.000 und 25.000 Corona-Patienten müssten im Mai auf den Intensivstationen um ihr Leben kämpfen, so das Nachrichtenmagazin, dessen verkaufte Auflage laut Wikipedia seit 1998 um 37,4 Prozent gesunken ist.
Fakt mit Stand von Mitte Mai ist: Die angekündigte Apokalypse blieb aus, die Lage auf den Intensivstationen präsentiert sich nicht annähernd wie prophezeit – und die Sieben-Tage-Inzidenz ist bundesweit wieder unter 100 gefallen.
Dem guten Ruf der Auguren scheinen ihre falschen Vorhersagen nicht zu schaden. Viola Priesemann, die am renommierten Max-Planck-Institut forscht, ist in den unterschiedlichsten TV-Talks nach wie vor gern gesehen – auch wenn ihre Modellierungen immer wieder danebenliegen. Derweil sonnt sich Karl Lauterbach in seinem Ruf als oberster Warner der Nation und gilt trotz seiner verschwindend geringen Treffsicherheit noch immer als gut beleumundeter Experte.
Charité-Virologe Christian Drosten wurde sogar mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, obwohl bereits seine Einschätzungen zur Schweinegrippe 2009 bestenfalls mit besonderem Wohlwollen als meilenweit danebenliegend bezeichnet werden können. Seine Warnung von 100.000 Corona-Neuinfektionen pro Tag, die er bis zur Verabschiedung des neuen Infektionsschutzgesetzes aufrecht erhielt, zeugt ebenfalls nicht von wissenschaftlicher Kompetenz.
Autoritäres Menschenbild der Regierung
Fragt sich, warum Regierung, Wissenschaft und Medien mit kruden Modellrechnungen und teils nicht validierbaren Prognosen den Menschen kontinuierlich panische Angst einjagen. Für Jonas Hermann, den Berlin-Korrespondenten der Neuen Zürcher Zeitung, verbirgt sich dahinter ein fast schon autoritäres Menschenbild: „Hier der Bürger als trotziges Kleinkind, da der Staat als weiser Erziehungsberechtigter. Belege für diese Geisteshaltung gibt es durchaus.“
Dazu passt, dass das Innenministerium im Rahmen eines Strategiepapiers vor gut einem Jahr diverse Wissenschaftler bat, ein möglichst drastisches Bild der Corona-Gefahr zu zeichnen, um den Lockdown zu verlängern. Konsultiert wurden das Robert-Koch-Institut, das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, das Institut der Deutschen Wirtschaft, die Stiftung Wissenschaft und Politik sowie mehrere Universitäten. Alle machten bereitwillig mit. Schlussendlich lieferte das RKI wie bestellt – und der Ärger der Bürger hielt sich in Grenzen.
Politiker als Angstmacher, unterstützt von den meisten Medien und auch von führenden Wissenschaftlern: Dieses perfide Kalkül ging bis heute auf. Doch die Regierung hat längst beschädigt, was die Menschen im Kampf gegen die Krise am nötigsten brauchen: Vertrauen und Zuversicht.
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Dipl.-Volkswirt Christian Euler widmet sich seit 1998 intensiv dem Finanz- und Wirtschaftsjournalismus. Nach Stationen bei Börse Online in München und als Korrespondent beim „Focus“ in Frankfurt schreibt er seit 2006 als Investment Writer und freier Autor u.a. für die „Welt“-Gruppe, Cash und den Wiener Börsen-Kurier.Bild: peter jesche/Shutterstock
Text: ce
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