Ein einfacher Satz, lapidar dahingeworfen: „Wenn man bei der Bundeswehr arbeitet, dann muss man Befehle befolgen.“ Geschrieben als Kommentar zu meinem Post über Alexander Bittner, den Oberfeldwebel, der im Gefängnis sitzt, weil er sich der Impfpflicht beim Bund widersetzte. Drei Kinder, kein Einkommen, kein Job – und eine Haftstrafe, die sein Leben zerstört hat. Doch dieser Satz hat mich fast genauso erschüttert wie das Schicksal von Bittner selbst.
Denn er steht sinnbildlich für eine Haltung, die uns als Gesellschaft schon mehrfach ins Verderben geführt hat. „Befehl ist Befehl“ – ein Mantra, das jedes moralische Nachdenken, jedes individuelle Gewissen, jede Menschlichkeit ausschaltet. Es war diese Mentalität, die unvorstellbares Leid ermöglicht hat, sei es in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs, in den Konzentrationslagern des Dritten Reiches oder an der innerdeutschen Grenze, wo Mauerschützen auf flüchtende Menschen schossen.
Die Lehren der Geschichte
Die Mauerschützenprozesse in den 1990er Jahren waren ein Beispiel dafür, wie spät, aber dennoch zwingend die Verantwortung des Einzelnen eingefordert wurde. Soldaten der NVA, die Befehlen gehorchten und dabei Menschen erschossen, die die DDR verlassen wollten, beriefen sich auf den „Schießbefehl“. Doch die Gerichte erkannten klar: Befehle, die offensichtlich unmoralisch oder rechtswidrig sind, dürfen nicht befolgt werden.
Solche Urteile sollten als Mahnung dienen und viele haben, wie ich, naiverweise geglaubt, dass wir die Lektionen aus der Geschichte gelernt haben. Doch der Fall Alexander Bittner zeigt leider auf drastische Weise, dass diese Hoffnung ein Irrglauben war. Hier geht es nicht um eine Gleichsetzung – natürlich nicht – aber die Parallele bleibt: Auch Bittner hätte „einfach nur gehorchen“ können. Doch er entschied sich dagegen. Warum? Weil er in seinem Gewissen überzeugt war, dass die Impfpflicht nicht gerechtfertigt war und dass sie gegen sein fundamentales Recht auf körperliche Selbstbestimmung verstieß.
Ein erschütternder Einblick
Alexander Bittner schilderte mir, als er noch nicht im Gefängnis saß, wie tief diese Diskussionen gingen. Seine Kameraden hätten ihn wiederholt ermahnt: „Du kannst die Impfung nicht verweigern. Befehl ist Befehl.“ Doch Bittner entgegnete ihnen, dass es mehr als nur Befehle gibt: „Wir haben in der Ausbildung doch gelernt, dass man Befehle verweigern muss, wenn sie unethisch sind. Und dass man nicht blind gehorchen darf.“
Die Reaktionen seiner Kameraden hätten ihn schockiert, erzählte er mir. „Sie haben das nicht verstanden. Es war, als würde ich eine fremde Sprache sprechen.“ Schließlich habe er ihnen eine provokante Frage gestellt: „Was würdet ihr tun, wenn ihr den Befehl bekämt, jemanden aufgrund seiner Hautfarbe oder Religion zu erschießen?“ Die Antwort, die er erhielt, war niederschmetternd: „Befehl ist Befehl.“
Bittner, der in der früheren Sowjetunion geboren und in frühen Jahren dort sozialisiert wurde, fühlte sich an die autoritären Strukturen erinnert, vor denen seine Familie einst geflohen war. „Ich dachte, wir hätten aus der Geschichte gelernt“, sagte er mir. Doch stattdessen musste er erleben, wie in seiner unmittelbaren Umgebung die gleiche unkritische Gehorsamskultur weiterlebt, die immer wieder zur Katastrophe geführt hat.
Warum Verantwortung wichtiger ist als Gehorsam
Die Geschichte lehrt uns, dass es nicht Gehorsam ist, der eine Gesellschaft stark macht, sondern die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Wer Befehlen blind folgt, wird zu einem Rädchen in einem Getriebe, das selbst dann läuft, wenn es in die falsche Richtung steuert.
Alexander Bittners Fall ist ein eindringliches Beispiel dafür, wie wichtig es ist, sich gegen Unrecht zu stellen – auch wenn es Konsequenzen hat. Er hat seinen Job, seine Freiheit und seine Existenz verloren, doch er hat seinen Prinzipien nicht den Rücken gekehrt.
Die erschreckende Realität
Was mich jedoch fast noch mehr entsetzt, ist, wie unreflektiert viele Menschen auf diesen Fall reagieren. „Wenn man bei der Bundeswehr arbeitet, dann muss man Befehle befolgen.“ Dieser Satz zeigt, wie tief die Bereitschaft zum Mitlaufen in Teilen unserer Gesellschaft verankert ist. Dass solche Kommentare im Jahr 2024 noch geschrieben werden, ist nicht nur ein Armutszeugnis. Es ist eine Katastrophe. Und lässt nichts Gutes erahnen. Bei Corona haben wir ja schon erlebt, wie lebendig diese alten Ungeister noch sind.
Vielleicht sollten wir uns gerade an Weihnachten daran erinnern, wie wichtig es ist, nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere Verantwortung zu übernehmen. Der Fall Bittner mahnt uns, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, um sie nicht zu wiederholen – und niemals zuzulassen, dass blinder Gehorsam über Menschlichkeit triumphiert.
PS: Wenn Sie Bittner, der drei minderjährige Kinder hat und nun ohne Job dasteht, helfen wollen, können Sie das per Paypal über diesen Link oder Überweisung, IBAN: LT55 3250 0477 3343 0001, BIC: REVOLT21) oder, wenn Sie wenig haben, mit einem Gebet, einem Brief oder einer Postkarte (Adresse: Alexander Bittner, c/o JVA AICHACH, Münchener Straße 33, 86551 Aichach). Oder vielleicht weiß ja auch jemand von einem Jobangebot für einen Systemadministrator wie ihn – damit er seine Familie auch längerfristig versorgen kann.
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