Berlin: Demonstrant stirbt nach Festnahme durch die Polizei Dokumentierte Polizeigewalt, indiziert wie ein Porno

Von Alexander Wallasch

Ein 49-Jähriger stirbt nach Festnahme in Berlin an einem Herzinfarkt. Boris Reitschuster hat weitere Bilder der Polizeiübergriffe zusammengetragen. Dabei musste der Journalist sich mehr als einmal auch selbst lautstark Polizeiübergriffen erwehren (siehe hier). Reitschuster zeigt in Ausschnitten seines stundenlangen Live-Streams auch schonungslos ein teils renitentes Verhalten der Demonstranten gegen die Polizei – aber rein gar nichts rechtfertigt, was die Aufnahmen an Übergriffen des Staates gegen seine Bürger zeigen. Bilder, die potentielle Teilnehmer an weiteren Demos in Zukunft abschrecken sollen?

Youtube attestiert der Berliner Polizei, so gewalttätig zu sein, dass ein Video von Boris Reitschuster, welches brutale Szenen von Polizeigewalt zeigt, auf dem hauseigenen Index landet. Wer sich diesen Clip mit dem Titel „Brutale Szenen: Wie Berliner Polizei zugriff“ anschauen möchte, der muss sich nämlich als volljährig verifizieren, muss sogar gewissermaßen Mitglied bei Youtube werden, als hätte man sich diskret in den 1980er Jahren in einem Hotel einen Pornofilm bestellt (hier sehen Sie das Video auf der zensurfreien Plattform „Rumble“ ohne solche Schikane).

Es ist doch geradezu grotesk, dass Youtube von der Arbeit des Journalisten profitieren möchte, indem es einen Film von den Anti-Corona-Maßnahmen-Demonstrationen in Berlin am 1. August auf den Index setzt.

Wer Boris Reitschusters Film auf Youtube aufruft, der bekommt ein geschwärztes Bild präsentiert mit der Nachricht: „Melde dich an, um dein Alter zu bestätigen. Dieses Video ist eventuell für einige Nutzer unangemessen.“ (Überzeugen davon können Sie sich hier.)

Was der Film zeigt, ist tatsächlich vollkommen unangemessen. Jedenfalls, was die Arbeit der Polizei angeht. Und mutmaßlich war es auch nicht Youtube initiativ, so um die Leser von Reitschuster zu werben (Anmeldungen), sondern erneut ein Trupp meldesüchtiger Merkel- bzw. Geisel-Adepten (Geisel ist Ex-SED-Mitglied und heute SPD-Innensenator von Berlin) – Menschen, die um die Macht der realen Bilder wissen und Reitschusters so erfolgreiche Dokumentation von Polizeigewalt daher verhindern wollten.

Weil diese Reaktion aber zu erwarten war, hat Reitschuster sein Video parallel zensurfrei auf der Plattform „Rumble“ veröffentlicht und den dazugehörigen Link im Begleittext zum Youtube-Video veröffentlicht. Aber auch hier dasselbe Spiel: Wer nicht gleich direkt bei Rumble einsteigt, wer kein Youtube-Mitglied ist oder werden will, der kann den Link bei Youtube auch nicht anklicken, weil der Begleittext eben nur dann sichtbar wird, wenn man Mitglied ist.

Zum Film: Entstanden sind hier ikonografische Aufnahmen. Bilder, wie man sie viel früher bisweilen noch in den ehemaligen Leitmedien erwarten konnte. Herausragende Aufnahmen, die insbesondere Henri Nannens Stern vor vielen Jahrzehnten groß gemacht haben, als Journalisten und Fotografen das Elend der Welt unter Inkaufnahme oft großer persönlicher Gefahren öffentlich machten.

All das ist heute bei den Altmedien längst vorbei. Wer bisher dachte, dass wenigstens die Welt, dass das Haus Springer mit den Chefredakteuren Ulf Poschardt und Julian Reichelt manchmal noch berichten, was ist, weil man eben diesen Anspruch partiell noch pflegt, wird wieder enttäuscht: Welt-Ressortleiter Martin Heller, selbst als Filmer vor Ort in Berlin, titelte zunächst zur Polizeiarbeit: „Bodycheck, Faust und Pfefferspray. Konsequentes Vorgehen der Polizei gegen #Querdenken in Berlin.“ Konsequent? Später wurde ihm wohl doch mulmig („Ich war ja gerade dabei es rauszusuchen und hier anzuhängen, da isses“), und er postete pflichtschuldig und nach teils vehementer Aufforderung anderer Twitter-Teilnehmer in Ausschnitten, was er ja selbst gefilmt hatte, so auch einen Faustschlag eines Polizisten gegen einen am Boden sitzenden sehr jungen Demoteilnehmer.

Die Polizei nimmt einen Mann fest, sein minderjähriger Sohn muss quasi im Schlepptau hinterherlaufen, um nicht alleine zu bleiben. Boris Reitschuster bittet die Beamten, sich um den Jungen zu sorgen. Sie sagen ja, machen aber nichts.

Viele Bürger laufen mit. Heller twittert: „Polizei vs. Querdenker“, als ging es hier lediglich um ein Fußballspiel zwischen gleichwertigen Mannschaften. Während also anderswo in Europa Hunderttausende (Frankreich) auf die Straßen gehen, hat es die deutsche Regierung geschafft, ihre Kritiker zu diffamieren, zu diskreditieren und letztlich erfolgreich auch zu reduzieren: Die Bilder von 2020, als Hunderttausend in Berlin auf der Straße waren, waren ein großes Initial für Europa – heute ist Berlin Schauplatz für gewalttätige Übergriffe der Polizei, wie sie der filmende Journalist Reitschuster im Live-Stream immer wieder mit Szenen vergleicht, die er in Moskau erlebt hat, als er dort Korrespondent für das Magazin FOCUS war.

Interessant ist, dass die Staatsmacht letztlich aber auf solche engagierten Filmer zu hoffen scheint, denn es gibt viele, die sich von solchen Szenen, wie sie Reitschuster und weitere Live-Streamer gemacht haben, wirklich abschrecken lassen, die zu Recht Angst bekommen und dann eben nicht mehr auf die Straße gehen, um ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit in Anspruch zu nehmen.

Wir müssen hier kaum mehr erwähnen, dass noch wenige Tage zuvor in Berlin ein Christopher-Street-Day (CSD) genehmigt wurde mit zehntausenden Teilnehmern, aber eine regierungskritische Demonstration jetzt verboten wurde. Wobei man dem CSD seine politische Nuance gar nicht absprechen will, aber es ist die politische Dimension einer Konfetti-Kanone im Bundestag.

Kommen wir zu diesen ikonografischen Bildern im Reitschuster-Video. Hier prägt sich ein Bild besonders ein: Ein etwa zehn, elf, vielleicht zwölf Jahre alter Junge mit längeren blonden Locken im roten T-Shirt, kurzer blauer Hose, und stabilen Lederschuhen hinter Polizisten in Kampfmontur herlaufend, die gerade den Vater des Jungen unter Einsatz mehrerer Beamten wegschleppen, ohne dass hier auch nur ansatzweise die Idee entstehen könnte, der Mann wäre gerade renitent gegen die Festnahme. Um den hinterherlaufenden Jungen kümmert sich niemand, Boris Reitschuster gelingt es, den Kleinen anzusprechen, der bestätigt, was man sowieso sieht: sein Vater wird gerade abgeführt.

Weitere Szenen sind ebenso unerträglich. Der Polizeisprecher wird besagtem Filmer der „Welt“ später erzählen, dass es hier um die Durchsetzung der Hygiene-Regeln gegangen sei, dass 5.000 – möglicherweise mehr – Menschen an verschiedenen Orten „trotz der Verbotsverfügung“ zusammengekommen seien und mehr als 600 Personen zum Zeitpunkt des Interviews mit der „Welt“ vorübergehend festgenommen worden sind.

Der Polizeisprecher spricht von „Hotspots“ in Berlin, an denen sich immer wieder Demonstranten zusammengefunden hätten. Die Sprache der Pandemie verselbstständigt sich also schon. Der Sprecher sagt weiter, die Festnahmen seien erfolgt „aufgrund der Angriffe auf Einsatzkräfte und der fortwährenden Verstöße gegen das Versammlungsverbot, und auch wegen der Verstöße gegen die Infektionsschutzmaßnahmen.“ Der Sprecher der Polizei spricht es ohne Mundschutz in die Kamera, während beispielsweise die fragenden Journalisten auf der Bundespressekonferenz die mundschutzlosen Politiker auf dem Podium weiterhin mit Mundschutz befragen müssen.

Es gibt brutale Szenen – fast Jagdszenen – der Polizei gegen Demonstranten. Der Einsatz bestimmter, nennen wir es mal verharmlosend: robust vorgehender Beamter scheint hier wahrscheinlich, denn wie schon auf Demonstrationen im selben Kontext zuvor sind Unterschiede in der Vorgehensweise bemerkbar; es scheint fast so, als richte sich die Qualität der Übergriffe nach dem Bundesland, aus dem die Beamten kommen.

Was von den Protesten bleiben wird, sind mächtige Bilder aus dem europäischen Ausland, vorwiegend aus Frankreich, wo nach Angaben des französischen Innenministeriums am Samstag bei 180 Protestaktionen über 200.000 Menschen ihrem Unmut gegen die Corona-Maßnahmen und die sich anbahnenden Impfzwänge bekundeten – auch hier übrigens gegen teils massive Gewaltanwendung der Staatsmacht.

In Deutschland ist es von 2020 auf 2021 offenbar gelungen, den Protest der Massen niederzuringen, die letzten Fünftausend werden jetzt noch härter behandelt, so dass damit auch bald Schluss ist. Und dieser Zustand – der Verlust eines gewichtigen Teils der Bürgerrechte – ist auch maßgeblich in der Verantwortung der Medienmacher und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in diesem Land.

Der Spiegel berichtet immerhin noch davon, dass ein Demonstrant nach Behandlung durch die Polizei später im Krankenhaus an einem Herzinfarkt verstorben sei: „Als die Polizei seine Identität feststellen wollte, klagte der Mann über ein Kribbeln in Arm und Brust: Bei den »Querdenker«-Demonstrationen in Berlin ist ein Mann zusammengebrochen und anschließend in einem Krankenhaus gestorben. Ein Sprecher der Polizei bestätigte der Nachrichtenagentur dpa am frühen Montagmorgen, der 49-Jährige sei Teilnehmer der Proteste gewesen. Noch ist nicht genau bekannt, was da vorgefallen ist, aber es gibt etliche Aufnahmen von Boris Reitschuster in einem mittlerweile von Youtube auf den Index gesetzten Video, das genau dokumentiert, wie solche Szenen tatsächlich aussehen, die der Spiegel so nüchtern beschreibt wie eine Fahrkartenkontrolle in der Straßenbahn: „… als die Polizei seine Identität feststellen wollte“.

Dieser Beitrag ist geschrieben für den Blog von Alexander Wallasch, den ich sehr empfehle. Ich danke ihm, dass er den Text meinen Lesern zur Verfügung gestellt hat.

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Volkswagen tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann) schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“

Bild: Boris Reitschuster
Text: Gast
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