Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) will künftig anonym „demokratiefeindliche Tendenzen bei Strafvollzugsbeamten erfassen“. So die offizielle Sprachregelung. Unter den Beamten geht nun die Angst um vor dem „Spitzelsystem“ des obersten Dienstherren, wie es behördenintern genannt wird.
Das neue System des grünen Politiker steht laut Tagesspiegel „abseits der üblichen Verfahren: Selbst wenn kein Anlass besteht, gegen Bedienstete disziplinarrechtlich und strafrechtlich vorzugehen, sollen dennoch entsprechende Vorfälle der Senatsverwaltung gemeldet werden.“
Ein entsprechendes Schreiben der Justizverwaltung ging am 14. August an sämtliche Leiterinnen und Leiter der Berliner Justizvollzugsanstalten, das der Zeitung vorliegt. „In der Belegschaft wird deshalb der Vorwurf erhoben, Behrendt installiere ein Spitzel- und Denunziationssystem nach DDR-Vorbild“, heißt es in dem Blatt.
Wegen der „allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen“ sollen dem zweiseitigen Schreiben zufolge ab 1. September „alle Vorfälle mit demokratiefeindlichen Tendenzen“ oder auch nur Hinweisen auf solche Tendenzen „in anonymisierter Form“ erfasst und ausgewertet werden. Ziel der Maßnahme sei es, einen Überblick, zu bekommen, „in welchem Umfang sich die gesellschaftlichen Entwicklungen im Justizvollzug“ abbilden.
Dem Bericht zufolge sollen die Leiter der Berlinger Gefängnisse der Justizverwaltung „unaufgefordert“ anonymisiert Vorfälle melden. Doch „soweit eine personenbezogene Zuordnung möglich ist“, sollen die Meldungen auch „Angaben zur Laufbahnfachrichtung, Alter und Geschlecht“ der gemeldeten Mitarbeiter enthalten, heißt es in dem Bericht.
Insofern wäre es nicht schwierig, einzelne Beamten ausfindig zu machen, über die berichtet wurde. Der Tagesspiegel schreibt weiter: „Vor allem aber sollen die JVA-Leiter auch Vorfälle mit ‘demokratiefeindlichen Tendenzen‘ melden, bei denen noch völlig unklar ist, ob es sich um ein Dienstvergehen oder ein Verstoß gegen die Beamtenpflichten handelt. Diese sollen erfasst werden, auch wenn noch völlig offen ist, ob gegen die betroffenen Beamten überhaupt ein Disziplinarverfahren eröffnet oder die Vorfälle strafrechtlich relevant sind.“
„Demokratiefeindliche Tendenzen“ können nach Auffassung der Justizverwaltung „in Handlungen, Äußerungen, dem äußeren Erscheinungsbild oder anderen Verhaltensweisen von Mitarbeitenden abbilden, die demokratiefeindlich sind und eine Ablehnung der Werteordnung des Grundgesetzes und des demokratischen Verfassungsstaates beinhalten“.
Ein Sprecher erklärte auf Anfrage, bislang gebe es „keine aussagekräftigen Zahlen“, ob und in welchem Umfang solche demokratiefeindlichen Tendenzen auch im Justizvollzuges verbreitet sind. Deshalb wolle sich die Justizverwaltung im Rahmen ihrer Informationsrechte ein „genaueres Bild“ machen. Das sei auch unabhängig davon möglich, dass sie über Disziplinarverfahren informiert werden müsse.
Faktisch bedeutet die Neuregelung nichts anderes als die staatlich initiierte und beauftragte Errichtung eines Spitzel-Systems.
Glaubt man Google-News, so berichtet kein anderes deutschssprachiges Medium über diese Nachricht. Zumindest ist mit den Suchworten „Berlin“ und „Justizsenator“ nichts zu finden. Berichte wären auch dazu angetan, aus dem Wohlfühl-Befinden aufzuwecken. Denn viele haben immer noch die Illusion, mit der Meinungsfreiheit gebe es in Deutschland keine Probleme.
Bild:Gvoon Arthur Schmidt | Urheber: Gvoon Arthur Schmidt /www.gvoon.de, (CC BY-NC-ND 4.0)
Text: red