Ein Gastbeitrag von Thilo Schneider
Doha– Mein „Erweckungserlebnis“ hatte ich im zarten Alter von sieben Jahren. Als die Nationalmannschaft – damals hieß sie noch so – die WM 1974 gewann. Wir waren alle Hoeneß, Beckenbauer und Netzer. Ansonsten habe ich mich recht wenig für Fußball interessiert. EM – ja, WM – ja und später dann die Frage, wer hinter Bayern-München Zweiter in der Bundesliga wird.
So war es und so hätte es bleiben können. Die WM 2014 mit dem grandiosen Spiel gegen Brasilien und der Gewinn der Weltmeisterschaft war der fulminante Höhepunkt des DFB und der damaligen Nationalmannschaft, die damals schon nur noch schnöde „die Mannschaft“ hieß, weil national = böse und grenzt andere Nationen aus. Aber damals habe ich ihnen den Quatsch noch verziehen, denn wenigstens spielten sie Fußball.
Lächerlich wurde es ab der WM 2018
Da haben sie sich hingekniet, die Eleven, obwohl es in Deutschland in den vergangenen 100 Jahren keine schwarzen Sklaven gab und ab dann war das keine Mannschaft mehr, sondern nur noch eine Diversschaft, die weniger durch grandiose Spiele, als vielmehr durch politischen Quatsch auffiel, weil der DFB meinte, er müsse „Haltung zeigen“. Statt dafür zu sorgen, dass die Nationalmannschaft (ich nenne sie mal so!) gute Spiele abliefert. Aber nein: Das Regenbogenbindchen des Kapitäns, das ja stets „ein Zeichen setzte“ war wichtiger als die Ergebnisse auf dem Platz. Folgerichtig gings nach der Vorrunde bunt nach Hause. Das war nicht mehr meine Mannschaft, das war eine hochbezahlte Diversschaft, die mit viel Geld und wenig Leistung deutsche Moral in die Welt trug. Erst recht, wenn es billig war. Was haben „wir“ es den Ungarn gezeigt, diesen homophoben Orks, bei denen Homosexuelle noch nicht einmal Kinder adoptieren dürfen. Geht ja gar nicht.
Mit Fußball hat das alles natürlich nichts mehr zu tun. Die Diversschaft rutschte zum Botschafter politischer Phrasen ab und spielte nebenbei gar nicht so guten Fußball. Und jetzt das: Jetzt stehen sie da, die Billighelden gegen Ungarn. Da hat die FIFA doch glatt das so innig geliebte Regenbogenkapitänsbindchen verboten. Sauerei. Na gut, dann basteln sich DFB und UEFA eben ein anderes Bindchen, auf dem mit Regenbogenfarben unterlegt eine 1 für „One Love“ prangt. Stolz sagte Manuel Neuer vor nicht ganz 72 Stunden, er werde gay-proud und aufrecht trotzdem sein Bindchen tragen, er wisse den DFB hinter sich, nur, um dann einzuknicken, weil die FIFA ihm und seinen Mitbotschafter:Innen nun auch die abgespeckte Feiglingsversion des Bindchens verboten hat. Immerhin könnte er dafür nämlich Gelb sehen, ohne den Rasen überhaupt betreten zu haben. Eine Katastrophe. Am Ende muss ter Stegen dann noch ins Tor und ob der so ein Bindchen dann tragen mag, weiß man nicht.
Die Diversschaft ist schlicht Opfer des eigenen Gratismuts geworden. Wo den unbedarften Ungarn noch hämisch einer mitgegeben werden durfte (und im Vorfeld schon viele Deutsche den Ungarn einen Sieg mehr als der eigenen Diversschaft gönnten), ist hier und jetzt bei der lächerlichsten WM aller Zeiten, Schluss mit Heldinnenbinden.
Dabei hat die FIFA recht und es auch in den eigenen Statuten stehen, die auch vom DFB mitunterzeichnet und anerkannt wurden:
Politische Botschaften haben auf Trikots nichts verloren
Punkt, Ende, Amen und Aus. Da mag die Intention noch so edel sein – was sie im Übrigen nicht ist. Was, wenn ansonsten die Russen mit fettem Z auf dem Trikot auflaufen? Was, wenn die Iraner ein „Kill all infidels“ oder „Satan USA“ auf den Leibchen stehen hätten? Die FIFA mag ein korrupter Haufen käuflicher alter Männer sein – aber hier haben sie recht. Es geht um Fußball, es geht um Sport und es sollte um nichts anderes gehen. Millionen siebenjähriger Jungs schauen auf ihre Nationalmannschaft und wollen einfach nur stolz auf Neuer, Müller oder meinetwegen Ronaldo sein. Nicht mehr, nicht weniger. Was Neuer, Müller oder Ronaldo abends in den Betten treiben, ist den Jungs, die in Hinterhöfen und auf Bolzplätzen ihre Fallrückzieher üben, herzlich egal. Die Welt von Kindern braucht Helden und Vorbilder.
Und gerade deswegen verbieten sich politische Botschaften. Sei es die peinliche Knieerei oder das Hochhalten des Regenbogenfähnchens – das alles hat nichts mit Fußball zu tun. Das sind – und genau das zeigt sich jetzt – peinliche Marketinggags, um unschuldige Hyundais an arglose Homosexuelle zu verkaufen. Deswegen ist es auch nur folgerichtig, wenn die FIFA diesen Werbefirlefanz auf den Trikots verbietet. Sonst könnte da wirklich jeder kommen.
Ausdruckslos geradeaus starren
Ich will auch gar nicht so tief gehen und die Iraner loben, die bei der Nationalhymne eisern geschwiegen haben – die haben allen Grund, nicht hinter ihrem derzeitigen Regime zu stehen. Allerdings ist es da auch nur folgerichtig, dass auch die in Deutschland lebenden Spieler (nicht „die deutschen Spieler“) beim Absingen der Hymne stur und ausdruckslos geradeaus starren. Mit Deutschland hat die Diversschaft so viel zu tun wie die katarischen Rodler mit den Olympischen Winterspielen oder als Werbeträger für Budweiser.
Das ist das eigentlich Schlimme: Egal, wie die Diversschaft spielen wird – es interessiert mich schlicht nicht mehr. Ich muss die WM nicht „boykottieren“, weil sie mir sowieso egal geworden ist. Das ist gar kein Opfer mehr. Ich zocke lieber FIFA auf der Playstation, als den Vermarktungskasperinnen um Manuel den Schönen bei ihrer sportlichen Freizeitbeschäftigung nach ihrem politisch korrekten Herumhampeln zuzusehen. Da habe ich bei mir im Wohnzimmer mehr WM-Atmosphäre als die regenbogenfarbigen Klappspatinnen in Doha. Meine Spielfigur trägt allerdings auch keine bunte Binde mit Wimpel und muss auch nicht dem Gesamtverband der Schwulen und Lesben Rede und Antwort stehen.
Weitere feministische Artikel von Thilo Schneider finden Sie unter www.politticker.de. In der Achgut-Edition ist folgendes Buch erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro. Dieser Beitrag ist zuerst auf the-germanz.de erschienen.Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Thilo Schneider, Jahrgang 1966, freier Autor und Kabarettist im Nebenberuf, LKR-Mitglied seit 2021, FDP-Flüchtling und Gewinner diverser Poetry-Slams, lebt, liebt und leidet in der Nähe von Aschaffenburg.
Mehr zum Thema auf reitschuster.de