…und mehr Ausgang aus der Blase: Meine zehn ketzerischen Neujahrs-Wünsche.
Allen Putin-Verstehern wünsche ich, einen Monat NUR mit russischem Pass in Russland zu leben.
Allen, die nicht glauben, dass in unterschiedliche Gesellschaften unterschiedliche Gewaltbereitschaft vorzufinden ist, wünsche ich einen Monat in einer Gesellschaft ohne Gewalttabu.
Allen, die klagen, Deutschland sei eine Diktatur, wünsche ich eine Woche in Nordkorea.
Allen, die behaupten, unsere Medien seien gleichgeschaltet oder eine Lügenpresse, wünsche ich, dass sie einen ganzen Tag lang das russischen Kreml-TV ansehen (mit Übersetzung ins Deutsche).
Allen, die beteuern, unsere öffentlich-rechtlichen und große Teile der überregionalen Medien seien ideologiefrei und unvoreingenommen, wünsche ich ein Monatsabo einer Schweizer Zeitung wie der NZZ.
Allen, die mir Nachrichten schicken, in denen sie sich beschweren, dieser oder jene Freund von mir habe auf facebook oder sonstwo etwas falsches gesagt und die falsche Gesinnung, und ich müsse ihn „entfreunden“, wünsche ich eine Zeitreise in die DDR in ein Haus mit besonders strengem Blockwart.
Allen, die sich für sehr tolerant halten, aber Toleranz nur bei denjenigen zeigen, die in Grundsatzfragen ihrer Meinung sind, wünsche ich eine Woche Transsib in einem Zweierabteil mit jemandem mit diametral entgegengesetzten Ansichten.
Allen, die meinen, eine Gesellschaft komme ohne verbindliche Regeln aus, wünsche ich einen Tag am Steuer in Kairo (wobei Berlin als abschreckendes Beispiel aufholt).
Allen Moralaposteln wünsche ich, dass sie die Forderungen, die sie an andere stellen, eine Woche lang selbst einhalten müssen.
Allen rechten wie linken Ideologen und Glaubenskriegern, die mich jetzt ins Fegfeuer wünschen für diese Neujahrswünsche, wünsche ich mehr Ausgang aus ihrer Blase.
Allen, die keine Ideologen und Glaubenskrieger sind, wünsche ich, dass sie wissen, dass sie nicht allein sind. Sondern eine Mehrheit. Nur eine leider leise, allzu oft schweigende. Mir wünsche ich, dass sie weniger schweigen.