Blaue Taube im Anflug auf Hannovers Synagoge: Hat der Verfassungsschutz versagt? ZDF-Urgestein Peter Hahne exklusiv für meine Seite

Ein Gastbeitrag von Peter Hahne

Unverzeihlich! Sofort rückgängig machen! „Brehms Tierleben“ muß unverzüglich umgeschrieben werden. Wußte dieser alte weiße Mann und Zoologen-Darsteller Alfred Brehm schon nichts von non-binären oder quattro-sexuellen Tierarten, dann noch weniger von diesem Phänomen, das Sie, liebe Leser, nun geboten bekommen. Eine echte Weltsensation! Fasten your seat belts! Es geht um unbemannte (bzw. -befraute) Flugobjekte. Ich kenne mich ja schon namensmäßig mit Geflügel aus. Eine Entdeckung, die nicht nur Zoologie und Biologie revolutioniert, sondern auch Politologie und jede Form von Ideologie. Ein kosmisches (und keineswegs komisches) Ereignis.

Der Reihe nach. Zunächst die Frage: Was ist da schief gelaufen in Hannover? Es geht ausnahmsweise nicht um „Gas-Gerd“, auch nicht um „Bobby-Car-Wulff“ oder die Pharma-Family von der Leyen. Auch nicht um Leibniz-Kekse. Nein, nein, viel viel dramatischer, folgenschwerer und an die Grundfesten unseres Rechtsstaates rüttelnd: Hat der Verfassungsschutz gepennt? Wo waren die demokratischen, von Haltung geprägten Nachfolger dieses unmöglich-unfähigen Herrn Maaßen? Wo war Merzens CDU-Freund Haldenwang an diesem Abend? Unverzeihlich!

Ist er vielleicht überfordert, weil er ja täglich neue Aufgaben zugewiesen bekommt: Corona- und Klima-Leugner stellen, kritische Journalisten verfolgen, die „RAF-nahen Demonstranten“ (Söder) oder die „Staatsfeinde“ (CDU-Minister Reul) der Montagsspaziergänge in Schach halten, Argumente präsentieren, nach denen die Klebe-Terroristen harmlose Klima-Kids sind… und natürlich als absolute Priorität: die blaue Schwefelpartei mit allen Mitteln zu überwachen.

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Und bei „blau“ wären wir schon bei des Pudels Kern. Besser: der Taube Kern. Denn es muß wohl eine blaue Taube gewesen sein, die als erwiesenermaßen rechtsradikale Antisemitin in Hannover agiert hat. Klar, sie konnte natürlich unkontrolliert als „Bereicherung der bunten Bundesrepublik“ (Claudia Roth) über unsere Grenzen flattern. Sie brauchte noch nichtmal ein kirchensteuer-finanziertes Rettungsschiff oder eine Teddybär-Willkommensparty beim Zwischenstopp in München.

Blaue Tauben gibt es auf Mauritius, Madagaskar und den Komoren. Sie wohnen in Bäumen. Ein Exemplar dieser Art wollte den „Sozialtourismus“ (Merz) nach Deutschland ausprobieren und landete prompt in Hannover. Bielefeld konnte sie nicht finden, weil es das bekanntlich ja gar nicht gibt.

Unsere Taube, die im Fluge unter Garantie noch schnell Mitglied der Schwefelpartei geworden war, rechtsradikal und antisemitisch, knallte mit einem (An-)Schlag gegen ein schönes Buntglasfenster mit viel viel Blau drin. Der Frevel: Das nun zersplitterte Fenster gehört zu einer Synagoge. Und sofort brachten die Gutmenschen und Framing-Beauftragten in reflexhafter Narrativ-Nennung ihre volle Kanonade in Stellung.

Allerdings hatten sie in ihrem bekannt-berüchtigten Übereifer, der zu richtigen Haltungs-Leuten nun mal dazugehört, völlig übersehen, dass es sich bei dem Täter (von Täterin war erst gar nicht die Rede) dieses antisemitischen Anschlags gar nicht unbedingt um einen Menschen handeln muß. Nein, ihnen war sofort klar: Hier muß hart durchgegriffen werden, ohne lange auf die Untersuchungen der Kriminalbehörden und den für politische Anschläge dieser Art zuständigen Staatsschutz oder den Generalstaatsanwalt zu warten. Fakten stören nur.

Hahne

Und hier kurz die am Tatabend bekannten Tatsachen: Am 5. Oktober gegen 19 Uhr ging die Fensterscheibe der Synagoge von Hannover zu Bruch. Es war der höchste jüdische Feiertag Jom Kippur. Die rund 200 Gläubigen wurden durch das Klirren aufgeschreckt. Da die Gemeinde von einem Steinwurf ausging, alarmierte sie die Polizei. Beamte suchten das Gelände noch am Abend und am folgenden Tag gründlich ab. Sie fanden jedoch keinen verdächtigen Gegenstand, der das Loch hätte verursachen können.

Da der Vorfall an den Anschlag auf die Synagoge in Halle vor drei Jahren – auch an Jom Kippur – erinnerte, gab es kein Halten mehr, kein Warten auf kriminaltechnische Untersuchungen. Das Gutmenschentum schäumte. Der evangelische Landesbischof Meister sagte gleich am Folgetag: „Der Anschlag auf die Synagoge in Hannover gestern Abend entsetzt und beschämt mich zutiefst. Unsere jüdischen Geschwister mussten erleben, wie ihre Jom-Kippur-Feier gewaltsam gestört wurde. Dass Jüdinnen und Juden in unserer Gesellschaft in der Ausübung ihrer religiösen Praxis bedroht werden, ist unerträglich. Wir müssen weiterhin auf allen Ebenen und in allen Bereichen mit viel mehr Entschlossenheit als bisher gegen jede Form von Antisemitismus arbeiten.“

Nun könnte man meinen, ein bekannter Geistlicher (er ist seinen Bekannten bekannt) hätte vielleicht hellseherische Fähigkeiten. Das Christentum gilt als Offenbarungs-Religion. Und das Kirchenamt der Klima-Klebe-EKD liegt ja auch in Hannover.

Nebelbei: Es fehlte erstaunlicherweise der Herr Bundespräsident. Mit dem ICE ist man von Berlin doch in 1:28 Stunden am häßlichen Tatort. Wenn der Zug gerade wieder vergißt, in Wolfsburg zu halten, dann gehts natürlich schneller. Oder, wie gerade bis zum 27. November (kleine Verkehrsdurchsage, kostenfrei von reitschuster.de) die Strecke lahmgelegt ist und man in einen Bus steigen muß. Bundespräsidenten fahren ja bekanntlich maskenfrei, also nix wie hin an die Antifaschistische Front!

Gefährlicher als Putins Drohnen

Ron Prosor, der israelische Botschafter in Deutschland, twitterte am Tag nach dem „Anschlag“: „Wer einen Stein wirft, zögert auch nicht, eine Kugel abzufeuern. 3 Jahre nach Halle wurde in Hannover eine Synagoge angegriffen. Ich bin sicher, die Behörden werden die Täter schnell festnehmen. Juden müssen sich in Deutschland sicher fühlen, besonders in ihren Gotteshäusern.“ Merke: So eine Taube kann also gefährlicher sein als Putins Drohnen. Kugeln!

Nicht anders überschlug sich der Zentralrat der Juden in Deutschland in überschäumender Vorverurteilung: Der „Anschlag“ sei ein weiteres Zeichen „für den wiedererstarkten Judenhass in Deutschland.“ Präsident Schuster: „Ich verurteile ihn aufs Schärfste. Dass Juden im Jahr 2022 in Deutschland nicht ohne Furcht zum Gebet gehen können, ist beschämend. Der Anschlag, kurz vor den Landtagswahlen in Niedersachsen, muss ein erneutes Signal an die Politik sein, den Kampf gegen Antisemitismus und Radikalismus jeder Art niemals zu vernachlässigen.“

Interessant: Der CDU-Funktionär Schuster macht gleich schwarzen Wahlkampf mit diesem völlig unaufgeklärten Vorfall. Und der vor-verurteilende Haß kann sich ja nur gegen eine Farbe richten, oder?! Da wären wir wieder bei der blauen Taube. Tage nach dem „Anschlag“ von Hannover wurde Schuster in der Augsburger Allgemeinen, zitiert, er betrachte „den erneuten Aufwärtstrend der AfD, aber auch anderer radikaler Bewegungen“ mit „großer Sorge.“

amzn

Herr Brehm, schämen Sie sich: Radikale Tauben fehlen in Ihrem „Tierleben.“ Unverzüglich nachbessern! Auch die CDU-Justiz(!)ministerin Niedersachsens war schnell zur Stelle: der „Angriff“ sei ein „häßliches Zeichen für zunehmenden Antisemitismus.“ Nun, die Frau wurde bekanntlich abgewählt.

Natürlich mischen Medien Stunden nach dem völlig unaufgeklärten Vorfall sofort kräftig mit – gemäß ihrer Selbstverpflichtung zur Aufklärung. Hier geht es schließlich um die gute Sache, für die bekanntlich jedes Mittel (gegen rechts) recht ist.

Sechs Wochen später ist nun der(!) „Täter“ gestellt, dessen Tat ein Zeichen für den „wiedererstarkten Judenhass in Deutschland“ sein sollte. Laut Staatsanwaltschaft und Polizei in Hannover kann durch molekulargenetische Untersuchungen gesichert gesagt werden: Eine Taube ist in die Scheibe geflogen, sonst nix. Das bestätigt ein Gutachten des kriminaltechnischen Instituts des Landeskriminalamts Niedersachsen ebenso wie ein Gutachten des Bundeskriminalamts.

Dazu fällt einem doch nichts mehr ein. Man kann das alles nur noch mit bitterer Ironie verkraften. Kein Aufschrei geht durchs Land gegen diese haltlosen Haltungs-Gutmenschen-Vorverurteilungen. Gegen diesen elenden Haß, der dadurch gesät wird. Ein Beispiel reiht sich an das andere. Nur ein kleines Feuer im Asylantenheim, gleich großes Geschrei. Und wenn alles dann aufgeklärt ist und sich herausstellt, dass die (üblichen) Verdächtigen nichts, aber rein gar nichts damit zu tun gehabt haben: eine Minimeldung in den Medien, wenn überhaupt. Alles getreu dem Motto: Etwas bleibt immer hängen. Und das hat Methode. Für die gute Sache.

Der Publizist Dushan Wegner bringt es auf den Punkt: „Wenn ein junger Mann mit einem Messer durch die Einkaufsstraße läuft, dabei die Größe der von ihm präferierten Gottheit preist und auf Ungläubige einsticht, dann wird berichtet, das Motiv sei »unbekannt«. Später heißt es dann mitunter, der Täter habe an »psychischen Problemen« gelitten, Gewalt sei schlimm, »egal aus welcher Richtung«, und überhaupt sei jetzt ohnehin das Wichtigste, gegen »rechte Stimmungsmache« vorzugehen. Wenn aber ein Fenster an einer Synagoge zu Bruch geht, dann weiß man gleich, dass es ein »Anschlag« und ein »Angriff« war – und man beschreibt es in einer Sprache, welche sonst verwendet wird, um die Opposition zu dämonisieren.“

Im Fall Hannover ist es umso schlimmer. Da tun sich nämlich Glaubensgemeinschaften als Hetzer hervor, die doch sonst immer auf Frieden, Gerechtigkeit und mitmenschliche Barmherzigkeit pochen. Die von Toleranz, Diversität und Vielfalt in Sonntagsreden schwafeln, im Alltag jedoch knallharte Vor-Verurteiler und gnadenlose Demagogen sind. Hannover ist ein erneutes Fanal, innezuhalten, endlich damit aufzuhören. Das Maß ist voll!

Hahne

Die Taube ist in Judentum und Christentum ein Symbol für Frieden. Wann schließen unsere Sitten- und Glaubenswächter endlich Frieden mit der Wahrheit? Wann wird die Landtagswahl in Niedersachsen wiederholt, die ja unter falschen Vorzeichen stattfand?

Ach so, noch eine Kleinigkeit zum Schluß: Faschistische Hotels, Apotheken, U-Bahn-Haltestellen und Restaurants, die ein „Mohren“ im Namen haben, sind bereits als Rassisten in ihre Schranken gewiesen worden. Was aber ist nun mit Lokalen, die sich doch tatsächlich antisemitisch und rechtsradikal „Blaue Taube“ nennen. Die gibt es tatsächlich. Es ist also noch viel zu tun.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Peter Hahne, geb. 1952, war Vorgänger von Petra Gerster als Moderator der ZDF-Hauptnachrichtensendung „heute“. Sein neuestes Buch „Das Maß ist voll! — In Krisenzeiten hilft keine Volksverdummung“ erreichte auf Anhieb Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste.  (Quadriga/Lübbe-Verlag).

Bild: Shutterstock

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