Brandmauer gegen Wokeness? Irland lehnt Verwässerung der „Familie“ ab Referendum gescheitert

Von Kai Rebmann

Die Bürger im einst streng katholischen Irland haben den Plänen des christdemokratischen Regierungschefs Leo Varadkar (Fine Gael) und eines breiten links-grünen Bündnisses einen Strich durch die Rechnung gemacht. Im Eiltempo sollten die verfassungsrechtlich verbrieften Definitionen der Familie im Allgemeinen und der Frau bzw. Mutter im Speziellen geändert werden.

Die dementsprechend schlecht vorbereiteten Entwürfe stießen am Ende sogar bei grundsätzlichen Befürwortern auf Kritik, weshalb das Referendum praktisch von Beginn an zum Scheitern verurteilt war.

Grund für die Hektik: Die Regierung wollte unbedingt am Internationalen Frauentag über die Verfassungsänderung abstimmen lassen. Doch was als emotionaler Joker gedacht war, erwies sich als Rohrkrepierer. Der Souverän hat den Braten gerochen und sich mit überwältigender Mehrheit für die Beibehaltung der bisherigen Formulierungen ausgesprochen.

‚Frauen‘ und ‚Familie‘ – alles bleibt beim Alten

Bisher und auch in Zukunft gilt in Irland, dass die Familie „die natürliche, primäre und grundlegende Einheit der Gesellschaft“ darstellt. Und zwar jene Familie, die aus genau zwei (!) Eheleuten sowie deren Kindern besteht. Die Väter des Referendums hätten jetzt gerne eine deutliche Verwässerung dieser Definition gewünscht. Laut Vorlage hätte der betreffende Artikel um folgenden Zusatz ergänzt werden sollen: „Familie – unabhängig davon, ob sie auf einer Ehe oder einer anderen dauerhaften Beziehung beruht.“

Es ist unschwer zu erkennen, dass die schon wohl durchaus gewollte Verwendung so schwammiger Begriffe wie „dauerhaft“ praktisch alles und jeden als „Familie“ durchgehen lässt. Neben homosexuellen Partnerschaften ausdrücklich auch polygame Familienbilder, wie sie mehr und mehr nach Europa importiert werden, so die aus konservativen Kreisen laut gewordenen Argumente für das Beibehalten des Artikels in seiner bisherigen Form.

Dieser Auffassung schlossen sich dann auch 68 Prozent der Wähler an. Ein noch deutlicheres Ergebnis brachte der Urnengang zur zweiten Frage, in der es um die Rolle der Frau geht. In zwei Passagen wird diese in der Verfassung so definiert: „Durch ihr Leben zu Hause leistet die Frau dem Staat eine Unterstützung, ohne die das Gemeinwohl nicht verwirklicht werden kann. […] Der Staat hat sich deshalb darum zu bemühen, sicherzustellen, dass Mütter nicht aus wirtschaftlicher Notwendigkeit gezwungen werden, Lohnarbeit aufzunehmen und dadurch ihre Pflichten im Haushalt zu vernachlässigen.“

Die Begriffe „Frau“ und „Mütter“ sollten durch geschlechtsneutrale Formulierungen sowie eine ganz allgemein gehaltene Anerkennung der wechselseitigen Fürsorgepflichten innerhalb einer Familie ersetzt werden. Diesem Ansinnen erteilten 74 Prozent der Wähler eine Abfuhr. Sind die Iren also ein patriarchisches Volk mit einem steinzeitlichen Familien- und Frauenbild?

Mitnichten! Vielmehr scheinen sie ein Volk zu sein, das ein sehr feines Gespür dafür hat, wenn seine Regierung ihm eine Verfassungsänderung quasi zum Abnicken vorsetzt. Denn nicht nur der kurzfristig anberaumte Wahltermin am Internationalen Frauentag (9. März) – und die leicht zu durchschauende Absicht dahinter – sorgten im Vorfeld für Unmut. Ebenso auch der Schweinsgalopp, in welchem das Referendum durchgepeitscht werden sollte, nur um das vorgenannte Datum halten zu können.

Signalwirkung für Parlamentswahlen?

Denn die Iren können auch anders. Der Ruf der strenggläubigen Katholiken ist im Irland anno 2024 kaum noch mehr als eine Legende aus vergangenen Jahrzehnten. So stimmten die Bewohner der grünen Insel in den Jahren 2015 und 2018 sowohl für die Homo-Ehe als auch für eine sehr weitreichende Legalisierung von Abtreibungen.

Gut möglich also, dass auch dieses Referendum durchgegangen wäre – wenn es sauber und allen demokratischen Gepflogenheiten entsprechend vorbereitet worden wäre. Stattdessen werten die ersten Beobachter, etwa die Kollegen der NZZ, vor allem die Deutlichkeit des Ergebnisses bereits als Misstrauensvotum gegen die Regierung.

Dort wird auf die anstehenden Wahlen „spätestens“ zu Beginn des nächsten Jahres sowie ein seit Monaten anhaltendes Umfragetief der Regierungskoalition aus den „Traditionsparteien“ und den Grünen verwiesen. Die Art und Weise des jüngst durchgeführten Referendums dürfte vor allem den sogenannten „Protestparteien“ in die Karten spielen. So werden etwa „rechtspopulistischen Kräften“ wie der Aontú erstmals in Irlands Geschichte gute Chancen auf „eine größere Anzahl Parlamentssitze“ eingeräumt.

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