Kontakte vermeiden! Auf Teufel komm raus! Selbst für Kinder nur noch eine Kontaktperson! Alle müssen sich jetzt einschränken! Am Riemen reißen! Restaurant? Keine Chance. Fitness? Auf keinen Fall. Nichts geht mehr. Für das allgemeine Wohl! Die Bundesregierung wird nicht müde, all das gebetsmühlenartig zu wiederholen. Nicht nur die Kanzlerin. Auch ihr Gesundheitsminister und Möchtegern-Nachfolger Spahn.
Nur für sich selbst nehmen es die Herrschaften offenbar nicht so genau mit den Einschränkungen. Während der Gemeinsterbliche so ziemlich auf alles verzichten muss, was außerhalb der eigenen vier Wände Vergnügen bereitet, will die Industrie- und Handelskammer in Köln ihren traditionellen Neujahrsempfang am 7. Januar abhalten. Im festlichen Rahmen soll da im Börsensaal ein Drei-Gänge-Menü serviert werden.
Und jetzt raten Sie mal, wer als Festredner vor Ort sein soll? Kein Geringerer als Jens Spahn. Der Minister, der fast im Stundentakt an die gemeinen Bürger appelliert, gefälligst zu Hause zu bleiben, ihre Kontakte zu beschränken und sich einzuschränken.
Zwar will die IHK die Zahl der Gäste von früher 600 auf 250 senken. Und sie beteuert auch, die geltenden Hygienevorschriften würden eingehalten. Aber warum wird dann Restaurants, Theatern, Fitness-Studios und anderen Betrieben nicht genauso viel Vertrauensvorschuss eingeräumt?
Fest in der Pest
Man kann nun sagen, der Empfang ist erst für Januar geplant, und bis dahin kann sich viel ändern. Und er könne abgesagt werden, wenn die Situation so bliebe, wie sie ist. Aber es geht um die Signalwirkung. Und es heißt immer wieder, bis Ostern sei nicht mit Normalität zu rechnen, wenn nicht gar bis Ende 2021. Man kann nicht für alle ständig Einschränkungen fordern und gleichzeitig große Feiern vorbereiten. In Russland nennt man das: „Fest in Zeiten der Pest“.
Die Pläne, den IHK-Empfang abzuhalten, und insbesondere auch Spahns geplanter Auftritt dort sind eine Ohrfeige für alle, die heute unter den Corona-Maßnahmen leiden (ebenso wie sein Kauf einer Luxus-Villa mitten in der Krise). Offenbar ist das Virus für „Großkopferte“, wie man in Bayern sagt, nicht so gefährlich wie für Otto-Normalverbraucher. Bislang hatte ich eine gewisse Skepsis, wenn ich aus durchaus zuverlässigen Quellen von heimlichen Treffen, ja Partys in Corona-Zeiten gehört habe – bis hin zu Parteifeiern in gewissen Berliner Landesvertretungen und gemeinsamen Essen auf höchster Ebene ganz ohne Masken und Abstand. Inzwischen drohe ich vom Glauben abzufallen….
PS: Das Phänomen ist nicht nur auf Deutschland beschränkt. Gavin Newsom, der demokratische Gouverneur von Kalifornien, hat zahlreiche Zwangsmaßnahmen wegen Covid-19 erlassen, bis hin zu einer weitgehenden nächtlichen Ausgangssperre. Gleichzeitig nahm er an einer Geburtstagsparty teil mit einem Dutzend Freunden, darunter Lobbyisten aus der Gesundheitsbranche, in einem exklusiven Restaurant, wie der «San Francisco Chronicle» berichtete. Er tat damit genau das, worauf seine Bürger verzichten sollen.
Text: br