BW-Innenminister Thomas Strobl (CDU) vor dem Aus? Staatsanwalt ermittelt wegen des Verdachts der Weitergabe von Dienstgeheimnissen

Von Kai Rebmann

Das Verhältnis von Unionspolitikern zu den Medien steht in diesen Tagen ganz besonders im Fokus. Hier der inzwischen „aus gesundheitlichen Gründen“ als CSU-Generalsekretär zurückgetretene Stephan Mayer, der einem Reporter der Bunten mit der Vernichtung und einer Verfolgung bis ans Lebensende gedroht hat, dort Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl, der Dienstgeheimnisse an einen Journalisten weitergegeben haben soll. Wie die Staatsanwaltschaft Stuttgart am Mittwoch mitteilte, habe sie wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen Paragraf 353d StGB (Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen) Ermittlungen sowohl gegen Strobl als auch gegen den betreffenden Journalisten eingeleitet. Dem Journalisten wird vorgeworfen, nicht öffentliche Mitteilungen im Zusammenhang mit einer Gerichtsverhandlung veröffentlicht zu haben, dem Innenminister wird die Anstiftung dazu zur Last gelegt. Die persönliche Weitergabe der fraglichen Dokumente an die Presse wurde von Thomas Strobl bei einer Anhörung im Innenausschuss des Landtags inzwischen eingeräumt, so dass es lediglich noch um die strafrechtliche Relevanz dieser Handlung geht.

Zur Vorgeschichte: Seit November 2021 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Inspekteur von Baden-Württembergs Polizei, den ranghöchsten Polizisten des Landes also, wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung. Der Beamte soll eine Hauptkommissarin in einem Videochat ungefragt mit seinen sexuellen Fantasien konfrontiert haben. Dem Innenausschuss liegt ein Protokoll dieses Videochats vor, aus dem hervorgehen soll, dass der Inspekteur der Polizistin angeboten habe, im Gegenzug für sexuelle Gefälligkeiten ihre weitere Karriere zu befördern. In diesem Zusammenhang wandte sich der Rechtsanwalt des beschuldigten Inspekteurs mit einem Schreiben an das Innenministerium, das wenig später an die Öffentlichkeit gelangte. Daraufhin wurde die Staatsanwaltschaft tätig und leitete Ermittlungen wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen ein.

Ursprünglich richteten sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen „unbekannt“. Das Verfahren musste dann zunächst eingestellt werden, weil das Innenministerium die Staatsanwaltschaft nicht zu entsprechenden Ermittlungen ermächtigt hatte. Es war also ausgerechnet Thomas Strobl selbst, der die anfänglichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu diesem Fall gestoppt hat. Klingt komisch, war aber so. Der SPD-Innenexperte Sascha Binder sprach gegenüber dem SWR von einem einmaligen Vorgang in diesem Land, wenn „der Innenminister selbst diesen möglichen Geheimnisverrat begangen hat und damit Ermittlungen gegen sich selbst verhindert hat.“ Auch über die Tatsache, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nach Bekanntwerden der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen Thomas Strobl das Vertrauen ausgesprochen hat, zeigt sich der SPD-Abgeordnete erstaunt. „Das ist schon überraschend, dass Ministerpräident Kretschmann die persönliche Freundschaft zu Strobl über die Rechtsstaatlichkeit in unserem Bundesland stellt“, so Binder.

Strobl spricht von Kommunikationsfehlern und „maximaler Aufklärung und maximaler Transparenz“

Auch die beiden weiteren Oppositionsparteien FDP und AfD schlossen sich den aus den Reihen der SPD laut gewordenen Rücktrittsforderungen gegen Baden-Württembergs Innenminister an. Hans-Ulrich Rülke, Fraktionsvorsitzender der FDP, meint: „Bei den Abgründen, die sich auftun, kann dieser Minister nicht im Amt bleiben.“ Strobls Verhalten sei „ein fundamentaler Anschlag auf den Rechtsstaat durch den Verfassungsminister“. Sollte Strobl nicht von sich aus zurücktreten, will die FDP sich für einen Untersuchungsausschuss starkmachen. Die AfD wirft dem Innenminister ebenfalls Verstöße gegen fundamentale Grundsätze eines Disziplinarverfahrens vor, weshalb dieses Verfahren aus ihrer Sicht an eine objektive Stelle abgegeben werden müsse. Hans-Jürgen Goßner (AfD) bekräftigte gegenüber dem SWR: „Nach Meinung der AfD ist Minister Strobl damit nicht mehr tragbar.“

Der Angesprochene ist sich selbst dagegen keinerlei Schuld bewusst. Es liege alles auf dem Tisch und er stehe „nach wie vor klar für maximale Aufklärung und maximale Transparenz“. Er wundere sich in diesem Zusammenhang, „dass jetzt von mir verlangt wird, Dinge zurückzuhalten (und) geheimzuhalten“, so Strobl. Der Innenminister will lediglich Fehler in der Kommunikation gemacht haben. Die Weitergabe von geheimen Dokumenten, um die es im Kern der aktuellen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart geht, schätzt der studierte Rechtsanwalt offenbar nicht als strafrechtlich relevantes Verhalten ein, weshalb er die Rücktrittsforderungen der Opposition zurückwies.

Thomas Strobl auch innerhalb der CDU Baden-Württemberg nicht unumstritten

Obwohl Thomas Strobl schon seit dem Jahr 2011 an der Spitze der CDU Baden-Württemberg steht, gilt er innerhalb seines Landesverbandes nicht als unumstritten. So musste er zum Beispiel bei der Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2021 seiner Parteifreundin Susanne Eisenmann den Vortritt lassen. Spätestens nach dem historisch schlechten Abschneiden bei dieser Wahl, als die CDU in Baden-Württemberg nur noch auf 24,1 Prozent der Stimmen gekommen war und Strobl auch das Direktmandat in seinem Wahlkreis verfehlt hatte, sah sich dieser immer öfter mit Rücktrittsforderungen einzelner Parteimitglieder oder ganzer Kreisverbände konfrontiert. Auch wenn Strobl im November 2021 auf dem Landesparteitag in Mannheim ein weiteres Mal in seinem Amt als Vorsitzender der CDU Baden-Württemberg bestätigt wurde, wird er parteiintern von nicht wenigen nur noch als Platzhalter für Manuel Hagel gesehen. Der erst 34-jährige Chef der CDU-Fraktion soll behutsam als Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2026 aufgebaut werden.

Anlass zur Kritik gaben Thomas Strobel bzw. dessen familiäres Umfeld in den vergangenen beiden Jahren aber auch in einigen anderen Zusammenhängen. Im Mai 2021 übernahm Christine Strobl, Ehefrau von Baden-Württembergs Innenminister und Tochter des CDU-Urgesteins und damaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble, den Posten als Programmdirektorin der ARD. Diese familiären Verflechtungen bis hinein in die obersten Ebenen der deutschen Politik ließen damals Zweifel an der Unabhängigkeit von Christine Strobl aufkommen. Dass solche Zweifel natürlich ihre Berechtigung haben und es automatisch Fragen aufwirft, wenn die Ehefrau bzw. Tochter von zwei führenden CDU-Politikern zur Programmdirektorin bei einem eigentlich zur Neutralität verpflichteten Sender des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufsteigt, sollte auf der Hand liegen. Daran ändert sich auch nichts, wenn Christine Strobl damals gegenüber dem Deutschlandfunk ihre unpolitische Haltung betont hat. „Ich beobachte Politik gerne, ich habe auch wahnsinnig viele Gedanken dazu, aber ich will es nicht selber gestalten“, versicherte das CDU-Mitglied.

Und auch die Maskenaffäre, die die Union im Frühjahr 2021 erschütterte, ging nicht völlig spurlos an Thomas Strobl vorbei. Im Zuge der internen Aufarbeitung dieses Skandals hatte sich herausgestellt, dass Nikolas Löbel, einer der Protagonisten der Maskenaffäre, in der CDU-Kreisgeschäftsstelle seines Wohnortes Mannheim zwei Firmen untergebracht hat. Der CDU-Landesverband, dem Strobl damals wie heute vorstand, hatte daraufhin ein externes Gutachten in Auftrag gegeben. Laut dem Gutachten soll im Zusammenhang mit Löbels Firmen in der Kreisgeschäftsstelle zwar alles sauber abgelaufen sein. Umso mehr erstaunt es aber, dass der Landesverband, dessen Vorsitzender nach eigenem Bekunden für „maximale Aufklärung und maximale Transparenz“ stehen will, selbst CDU-Mitgliedern nur Einblick in das Gutachten gewährte, wenn diese zuvor eine Verschwiegenheitsverpflichtung unterschrieben haben. Sollten Inhalte dieses Gutachtens an die Öffentlichkeit gelangen, drohte die CDU Baden-Württemberg den dafür Verantwortlichen mit rechtlichen Schritten. Als Begründung für dieses ungewöhnliche Vorgehen wurde damals der Schutz von Persönlichkeitsrechten genannt. Dieser Fall zeigt einige erstaunliche Parallelen zu dem Fall, der aktuell Gegenstand von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Thomas Strobl ist und offenbart eine gewisse Doppelmoral des CDU-Landesvorsitzenden, wenn es um die Frage geht, ob geheime Dokumente wahlweise gehütet oder weitergegeben werden.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: photocosmos1 / Shutterstock
Text: kr

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