Christian Lindner und der Live-Ticker zu Porsche Diktierte Sportwagenhersteller die Ausnahme für E-Fuels in Koalitionsvertrag?

Von Kai Rebmann

Die Grenzen zwischen Satire und Wirklichkeit verschwimmen im „besten Deutschland aller Zeiten“ spätestens seit der Amtsübernahme durch die Ampelkoalition immer mehr. Zu anderen Zeiten hätte man folgende Meldung im ZDF-Satiremagazin „Die Anstalt“ mit einem herzhaften Lachen quittiert und die Redaktion des öffentlich-rechtlichen Senders zu dieser gelungen Pointe beglückwünscht: „Wir haben sehr großen Anteil, dass die E-Fuels in den Koalitionsvertrag miteingeflossen sind. Da sind wir Haupttreiber gewesen, mit ganz engem Kontakt an die Koalitionsparteien. Der Christian Lindner hat mich in den letzten Tagen fast stündlich auf dem Laufenden gehalten.“

Gesagt haben soll das Porsche-Chef Oliver Blume am 29. Juni 2022 im Rahmen der Betriebsversammlung der Entwicklungsabteilung des Sportwagenbauers in Weissach. Doch worum geht es bei dieser Aussage überhaupt und warum soll sie für Bundesfinanzminister Christian Lindner so gefährlich werden können? Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich dazu verpflichtet, die Neuzulassung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor ab dem Jahr 2035 zu verbieten. Auf Betreiben der FDP wurde im Koalitionsvertrag der Ampel eine Ausnahme für solche Fahrzeuge aufgenommen, die mit sogenannten E-Fuels angetrieben werden. Hierbei handelt es sich um synthetische Kraftstoffe, die aus Wasser und CO2 hergestellt werden. Aufgrund des hohen Stromverbrauchs bei der Herstellung weisen E-Fuels eine vergleichsweise schlechte Energiebilanz aus.

Nun könnte man die Sache auf sich beruhen lassen, da Lobbyismus im Politbetrieb durchaus an der Tagesordnung ist. Wenn es da nicht einen Bericht der Bild gäbe, der leider hinter der Bezahlschranke versteckt ist, dafür aber einige brisante Details zu dem Vorgang enthüllt. Auf Anfrage der Zeitung teilte ein Sprecher des Finanzministeriums mit, dass die diesbezügliche Position von Christian Lindner seit Jahren bekannt sei und es „keinerlei Kontakt mit Herrn Blume und auch keinerlei weitere Einflussnahme gegeben“ habe. Insbesondere sei es „Quatsch“, dass es stündliche Anrufe gegeben habe.

Kartenhaus fällt in sich zusammen

Parallel dazu hat Bild auch bei Porsche zu dem Sachverhalt nachgefragt. Dazu gab es zunächst folgende Rückmeldung: „Das wörtliche Zitat und das Gespräch hat es so nicht gegeben. Richtig ist, dass das Unternehmen grundsätzlich mit allen relevanten Stakeholdern – so auch der Politik – einen guten und konstruktiven Austausch pflegt.“ Nun könnte man bereits argwöhnen, dass der Lindner-Sprecher noch doppelt betont hatte, dass es „keinerlei Kontakt“ und „keinerlei Einflussnahme“ gegeben habe – aber geschenkt! Viel interessanter ist, dass das ZDF gegenüber der Bild trotz der Beteuerungen aus Berlin und Weissach bei seiner Darstellung blieb. Damit konfrontiert, bat der Porsche-Sprecher darum, die oben zitierte Mail zu streichen und äußerte sich kurz darauf so: „Eine Satire-Sendung genießt bekanntlich Freiheiten. Den Austausch hat es so nicht gegeben. Richtig ist, dass das Unternehmen grundsätzlich mit allen relevanten Stakeholdern einen konstruktiven Austausch pflegt.“

So ging das mit leichten Änderungen bei der Wortwahl und Kommasetzung hin und her, bis die Bild irgendwann telefonisch nachfragte und der Porsche-Sprecher dann einräumen musste, dass sich Oliver Blume „vielleicht doch so geäußert haben könnte“, wie vom ZDF dargestellt. Man suche derzeit „fieberhaft“ nach Video-Material, das den ZDF-Bericht widerlegen kann. Offenbar ist die Suche in den Untiefen des Archivs in Weissach aber erfolglos geblieben. Im Gegensatz dazu versicherte das ZDF, dass die Redaktion des Senders die zitierten Aussagen des Porsche-Chefs belegen könne.

Steht nun Aussage gegen Aussage? Mitnichten! Denn die Bild berichtet weiter, dass sie um 14:08 Uhr, und damit nur wenige Minuten vor (!) der letzten offiziellen Version der Rückantwort auf die ursprüngliche Anfrage, eine SMS vom Porsche-Sprecher erhalten habe, die offenbar an den Sprecher von Christian Lindner gehen sollte. Ohne die Nachricht zu zitieren, gehe aus ihr hervor, „dass Porsche und Lindners Team in engem Austausch stehen und ihre Reaktion auf die BILD-Anfrage miteinander im Hintergrund absprechen.“ Die Bild wertet dies wohl nicht ganz zu Unrecht als Indiz dafür, „dass der ZDF-Bericht zutreffend ist und auch Blume und Lindner im engen Austausch stehen.“ Zerplatzt Christian Lindners Lebenstraum vom Bundesfinanzminister am Ende also wegen einer fehlgeleiteten SMS?

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Drecreator / Shutterstock
Text: kr

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