Corona-Maßnahmen-Kritiker als Antisemiten und Holocaust-Relativierer Querdenker laut Kahane "hochgradig aufgeladen" und "sehr aggressiv"

Sehen Sie hier mein Video mit den beschriebenen Szenen und meinen Kommentaren. 

Corona-Maßnahmen-Kritiker als Antisemiten – ich traute meinen Ohren nicht auf der heutigen Bundespressekonferenz mit Anetta Kahane, der Vorsitzenden der Amadeu Antonio Stiftung, und Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus. Keine drei Minuten brauchte die frühere Stasi-IM in ihrem Eingangs-Statement, um die Kritiker der Corona-Maßnahmen mit Antisemitismus in Verbindung zu bringen. Klein assistierte. Hinweise auf den importierten Antisemitismus durch Zuwanderung insbesondere aus islamischen Ländern vernahm ich dagegen nicht in den Eingangs-Statements der beiden (sollte ich sie überhört haben, müssen sie zumindest sehr kurz und wenig einprägsam gewesen sein). Nur die Dritte auf dem Podium, Düzen Tekkal, Menschenrechtsaktivistin und Gründerin von HÁWAR.help, ging auf diesen Aspekt ein.

Dafür schilderte etwa Kahane die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen so, dass man schlicht ins Fürchten gekommen wäre, hätte man sie nicht mit eigenen Augen gesehen. Ich stellte ihr und dem Beauftragten dazu kritische Fragen – lesen Sie hier zunächst die Passagen zu Corona-Maßnahmen-Kritikern in den Eingangsstatements der beiden und darunter meinen Wortwechsel mit ihnen. Die gesamte Bundespressekonferenz können Sie hier auf Youtube sehen, mein Video hier.

KAHANE. Die Querdenkerszene mit den üblichen antisemitischen Konnotationen hat sich verfestigt. Das ganze Geschehen rund um die Querdenker, mit der Relativierung von Holocaust, oder die Schuldzuweisung an Juden für das Infektionsgeschehen, hat nicht nachgelassen. Das Zweite ist, dass der Eindruck entstanden ist, dass insgesamt in Deutschland, wenn es um den Nahostkonflikt geht, überhaupt, wenn es um alle politischen Konflikte geht, alles auf Israel kanalisiert wird. Und Israel sozusagen zum bösen Ort in der Welt stilisiert wird. Und das hat sich ganz besonders gezeigt in der Zeit, wo es um die Auseinandersetzung im Gaza ging. Da sind Jüdinnen und Juden angegriffen worden. Es hat überhaupt sehr viele Angriffe, auch schwere Körperverletzungen  gegeben im vergangenen Jahr. Und das ist natürlich ein riesengroßes Problem.

DR. KLEIN: So glaubt etwa mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland in Bezug auf die Pandemie an Verschwörungsmythen. Und einen Kern solcher Erzählungen bildet eben Judenfeindschaft. Deshalb ist Antisemitismus nicht nur ein Problem jüdischer Menschen. Als Weltbild mit scheinbar klaren Schuldzuschreibungen erodiert er den Boden unseres Zusammenhalts und gefährdet unsere ganze Gesellschaft. Antisemitismusbekämpfung berührt als Querschnittsthema so gut wie alle Lebensbereiche und Politikfelder. Sie sollte deswegen überall dort mitgedacht werden, wo Regierungshandeln gefordert ist. Der Staat hat die Pflicht, die Sicherheit und Freiheit aller zu gewährleisten. Und wir Demokratinnen und Demokraten haben die Pflicht, die Grundlagen unserer freien Gesellschaft mitzuverteidigen, wo sie angegriffen werden. Die Auswirkungen der alltäglichen Judenfeindschaft auf die Lebensqualität von Jüdinnen und Juden in Deutschland sind fatal. Diese Kontinuität deutscher Gewaltgeschichte muss aufgebrochen werden.

REITSCHUSTER: Frau Tekkal, sie haben den importierten Antisemitismus angesprochen. Frau Kahane und Herr Klein, sie haben es, glaube ich, nicht angesprochen. Es gibt immer wieder den Vorwurf, dass Sie die Augen verschließen vor dem importierten Antisemitismus, gerade aus dem islamischen Raum. Wie stehen Sie zu diesem Vorwurf? Danke.

(Frau Tekkal setzt zu einer Antwort an, ich mache klar, dass die Frage nicht an sie ging): Sie haben es ja angesprochen, also die Frage ging an Ihre beiden Kollegen, weil Sie hatten es ja bereits angesprochen. Danke dafür.

KAHANE: Ja, importierter Antisemitismus ist eine ganz blöde Bezeichnung, weil er suggeriert, dass es keinen hausgemachten gibt. Es gibt überall Antisemitismus. Es gibt Antisemitismus in muslimischen Communities, in migrantischen Communites, in deutsch-bayerischen, in deutsch-sächsischen, in mecklenburgischen, überall gibt es Antisemitismus, und ich würde jetzt nicht darauf mich fokussieren, nur den einen sogenannten importierten zu nehmen. Aber wir haben überhaupt kein Problem damit, Herr Reitschuster, zu bekennen, dass es tatsächlich auch aus muslimischen Communities Antisemitismus gibt. Das ist eine Legende. Das ist einfach nicht wahr. Also wir dealen damit, das ist tatsächlich eine große Herausforderung, so wie Frau Düzen Tekkal das eben beschrieben hat. Und auch das Binnenverhältnis von Rassismus zu Antisemitismus ist schwierig. Aber wir stellen uns dieser Aufgabe und versuchen, damit umzugehen und Lösungen zu finden.

TEKKAL: Ich habe es auch als eine Form erwähnt, von vielen und jedweden, und finde es wichtig, dass wir den gleichermaßen adressieren und nicht unterscheiden, je nachdem, von wem dieser Antisemitismus ausgeht.

KAHANE: Wir haben übrigens ein wunderbares Plakat. Das heißt “Shalom ihr Aufarbeitungs – Exportweltmeister”, wie war das? „Exportweltmeister“, die Nazis in der eigenen Familiengeschichte haben, aber immerzu nur über importierten Antisemitismus reden. Also in diesem Sinne.

KLEIN: Also ich habe in mehreren, in vielen Statements immer wieder auch darauf hingewiesen, dass wir keine Priorisierung vornehmen dürfen im Kampf gegen Antisemitismus, nach dem Motto, welches jetzt nun die gefährlichste, und eine wirklich ja auch gleichermaßen gefährliche Form ist natürlich, die von auch migrantischen Communities ausgeht. Und, wie gesagt,  … es ist auch die Diskussion schwierig, wenn wir so eine Diskussion aufmachen, dann, welche Form von Antisemitismus nun gefährlich ist, dann wird eine Gruppe gegen die andere ausgespielt. Also jede Form von Antisemitismus ist nicht hinnehmbar. Diese natürlich auch ganz besonders. Zum Beginn meiner Ausführungen habe ich ja auch gesagt, dass uns das angeht, gleich, was unsere Groß- oder Urgroßeltern in der damaligen Zeit, um die es geht, also 1938, getan haben. Also ich finde auch, das sollte man auch, also das nehmen wir genauso in den Blick, wie den Antisemitismus von rechts oder eben auch von links.

REITSCHUSTER: Frau Kahane, also Sie haben gesagt, also wenn man von importiertem Antisemitismus spricht, dann klingt das so, als gebe es keinen hausgemachten. Wenn ich Bier nach Deutschland importiere, heißt es ja nicht, dass es kein hausgemachtes Bier gibt. Warum sehen Sie diesen Zusammenhang? Und zum Zweiten nochmal, sie sagen alle, warum haben Sie nicht, Frau Kahane und Dr. Klein, das heute nicht angesprochen? Corona-Kritik haben Sie ja angesprochen. Danke.

KAHANE: Nur eine Bemerkung: Ich weiß nicht, ob Sie sich mal mit christlichem Antisemitismus befasst haben, und auch mit aktuellen virulenten Formen von christlichem Antisemitismus. Das gibt’s ja auch. Und insofern kann ich Sie nur darauf hinweisen, dass in religiösem Fanatismus immer auch dieses eine Rolle spielt. Das kann ich Ihnen, ich könnte dazu also religionsphilosophische Thesen aufstellen, aber dass wir hier nicht nur über muslimisch begründeten Antisemitismus sprechen. Das ist ja klar, in Anbetracht der Ausbreitung von Antisemitismus insgesamt in Deutschland.

TEKKAL: Und ich hab auf den Querdenker-Demos, will ich mal offen sagen, jetzt nicht so viele Muslime gesehen. Also ich glaube, also es bringt überhaupt nichts, dass einer bestimmten Gruppe zuzuordnen, sondern es geht darum, dass sich jeder an die eigene Nase fassen muss. Denn das ist ja genau das Entlastungsnarrativ, was wir immer wieder betonen. Das wird genau daran sichtbar.

REITSCHUSTER: Ja, eine Frage nochmal an Frau Kahane und an Herren Dr. Klein: Querdenker-Bewegung und auch Kritik an den Corona-Maßnahmen in einem Zusammenhang mit Antisemitismus gebracht. Sie haben über Zuwanderung dabei nicht gesprochen, damit haben sie eine gewisse Wertung vorgenommen. Können Sie die irgendwie belegen? Also wie viele Übergriffe gab es aus diesem Milieu? Was ist die, ihr Grund für die Akzentuierung für die Prioritäten? Danke.

KAHANE: Nun, wir haben, falls Sie sich erinnern, es ist jetzt keine Viertelstunde her, ausführlich über das Thema gesprochen, was die, was Antisemitismus aus der Einwanderungsgesellschaft betrifft. Und was den Antisemitismus aus der Querdenker-Bewegung betrifft, kann ich Ihnen nur symbolisch ein Ding zeigen, das ist das hier (hält „Judenstern“ mit “ungeimpft” hoch), und damit die ganze Relativierung der Shoa. Abgesehen von anderen Slogans, die von maßgeblichen Akteuren in der Bewegung verbreitet werden, nachdem entweder es gar keine Pandemie gibt oder sie inszeniert wurde von Israel, von Juden oder sonstwas. Also das sind in der Tat antisemitische Stereotype. Und das ist einfach eine Tatsache, da kann man gar nicht drumrum deuten.

KLEIN: Ja vielleicht noch ergänzend. Mit dem Hinweis auf die Querdenker-Bewegung, wollte ich darauf hinweisen, wie anpassungsfähig eben dieses antisemitische Ressentiment ist und dann … liegt es in der Natur der Sache, … dieser Menschen, Verantwortliche zu finden. In Zeiten der Krisen sind eben Gesellschaften anfälliger für irrationale Erklärungsmuster. Der Antisemitismus ist so eine. Wenn also einige Wenige für eine negative Entwicklung verantwortlich gemacht werden. Und wie gefährlich diese Kategorisierung ist oder diese … Bewegung ist, zeigt ja auch, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz jetzt eine eigene Kategorie eingerichtet hat: Delegitimierung des Staates. Und das machen die ja nicht einfach so, ohne Belege, sondern weil es eben verstärkte Hinweise gibt, dass es … da, also wirklich im erheblichen Umfeld zu, … , ja, also antidemokratischen und auch antisemitischen Bewegungen gekommen ist. Und, also da sozusagen war meine Motivation, das nochmal deutlich so zu sagen.

REITSCHUSTER: Sie sind jetzt aber meiner Frage ausgewichen, insbesondere Sie, Frau Kahane, Sie haben gesagt, wir haben länger darüber gesprochen. Die Frage war ja in Ihrem Eingangsstatement. Auch Sie, Herr Dr. Klein. Da sind Sie auf dieses Thema nicht eingegangen. Und für diese Priorisierung muss es ja einen Grund geben. Müssen Juden mehr Angst haben vor Querdenken, als vor Antisemitismus aus anderen Milieus? Was ist der Grund für Ihre Priorisierung?

KAHANE: Ich denke, ich hab das schon beantwortet. Ich kann es nur nochmal betonen. Selbstverständlich haben wir auch Angriffe aus migrantischen Milieus zu verzeichnen, aber nicht nur. Das ist völlig klar. Und wir haben eine Atmosphäre in der Querdenker-Bewegung. Ich bin ein paarmal da unterwegs gewesen. Ich hab mir das angeguckt. Die ist hochgradig aufgeladen. Sehr aggressiv. Es gibt sehr viele bekannte Rechtsextremisten da drin. Und, es wird sozusagen mit dem antisemitischen Ressentiment gespielt. Es ist sozusagen eine Atmosphäre, die jederzeit aus-, umbrechen, umkippen kann in offenen Antisemitismus. Und das ist sehr unangenehm und das schlägt sich auch in verbaler Gewalt nieder. In Hassbotschaften aller Art. Ich bin eine Empfängerin für sowas. Also ich kriege davon sehr viel mit. Und es ist offen antisemitisch. Und es ist sehr, sehr gewaltförmig. Ich hab zwar von Querdenkern noch nichts auf die Nase gekriegt, aber das liegt an anderen Gründen, die ich jetzt hier nicht erläutern will. Aber diese, wenn Sie sich diese ganzen Demos angucken, die da jetzt gerade wieder in Leipzig waren und so, was da los war, also dass das nicht gewalttätig ist, und dass da von dort aus keine Befürchtungen für Juden ausgehen, das halte ich für eine Legende. Sie versuchen immer wieder auf die muslimischen, auf das muslimische Milieu abzufahren. Ich kann Ihnen nur sagen, wir haben insgesamt in Deutschland einen ausgesprochen angespannten und als Hintergrundrauschen aufgeladenen antisemitischen Grundton in sehr vielen Milieus. Auch in diesem.

KLEIN: Ich möchte nur nochmal darauf hinweisen, ich habe überhaupt kein Problem damit, vom Antisemitismus zu sprechen, der von muslimischen Communities ausgeht. Ich hab in meinem Eingangsstatement aber auch den israelbezogenen Antisemitismus angesprochen. Und der kommt natürlich auch aus diesem Milieu sehr stark. Aber wie gesagt, ich glaube, wir sollten jede Form von Antisemitismus bekämpfen.

KAHANE: Es gibt eine Tendenz zu sagen, Menschen mit Migrationshintergrund, die sich progressiv nennen, können nicht antisemitisch sein, weil sie nur die gerechte Sache … und den Antikapitalismus vertreten. Doch, sie können antisemitisch sein und sie sind’s auch oft. Und auch das ist eine Gruppe, die wir ernst zu nehmen haben in dem Zusammenhang. Ob sie jetzt sozusagen aus migrantischen oder aus sympathisierenden Milieus hervorgehen, oder nicht. Es ist sozusagen, es gibt kaum, es gibt keine Milieus, aus denen nicht grundsätzlich auch Antisemitismus hervorgehen kann. Also es gibt keine Gruppe, wo man sagen kann, die sind davor gefeit. Da ist jetzt ganz garantiert gar nichts Antisemitisches dran. Das ist ja das Problem, ja. Und das gilt, wie gesagt, in allen gesellschaftlichen Bereichen. Unabhängig vom Bildungsgrad, unabhängig vom Alter, ist das sehr, sehr verbreitet. Und da sehen sich die Leute auf einer Linie mit … mit Rechten, mit Linken, mit auch … , weiß ich nicht, Leuten aus der Mitte. Und da gibt es also einen gemeinsamen Anknüpfungspunkt zu meinem un…, zu meinem Leid, wie … (unverständlich….lacht).

 
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Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

 
Bild: Boris Reitschuster/Ekaterina Quehl
Text: br

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