Corona-Maßnahmen sollen Grippestamm ausgerottet haben – angeblich! Hütchenspiel mit Variante „B Yamagata“

Von Kai Rebmann

Die Nachricht rauscht seit einigen Tagen durch den deutschen Blätterwald: „Grippestamm durch Corona-Maßnahmen ausgerottet!“ So oder so ähnlich lauten die Überschriften beim ZDF, MDR, RND und Konsorten. Um diese These fachgerecht zu untermauern, lässt sich Carsten Watzl von der TU Dortmund in den dazugehörigen Artikeln wie folgt zitieren: „Wir haben einen Grippestamm komplett ausgerottet. Das zeigt sehr eindrücklich, wie effektiv die Maßnahmen waren.“

Blöd nur: In dieser einfachen Überschrift stecken gleich zwei Halbwahrheiten, wenn nicht gar Desinformationen! Und auch die Aussage des Immunologen aus Westfalen steht auf mehr als nur tönernen Füßen. Denn selbst, wenn man annehmen wollte, dass die Corona-Maßnahmen zur Ausrottung eines Grippestamms geführt haben, so bliebe immer noch die Frage, ob Maskenpflicht, Schulausfälle, Lockdowns und Co unter dem Strich, sprich in der Gesamtbetrachtung, nicht mehr Schaden als Nutzen gebracht haben.

Aber der Reihe nach: Im Kern geht es um die Influenza-Variante „B Yamagata“, die jetzt angeblich ausgerottet worden sein soll – zumindest, wenn man den Überschriften und dem darunter vertretenen Tenor glaubt. Der Mainstream hat diese vermeintliche Erfolgsgeschichte mehr oder weniger eins zu eins aus einer entsprechenden dpa-Meldung übernommen. Völlig unkritisch und ohne jedes Hinterfragen!

Influenza-Variante schon seit 2018 auf dem Rückzug

Beim ZDF liest sich das exemplarisch so: „Schon im Jahr 2020 hatten Experten festgestellt, dass diese Gruppe von Influenza-Viren nicht mehr kursiert. Auch in den Jahren danach sei B Yamagata nicht mehr aufgetreten, sagt Immunologe Watzl. Einem Beitrag im Fachmagazin ‚Lancet‘ zufolge ist B Yamagata das einzige der Atemwegserkrankungen verursachenden Viren, das im Zuge der Corona-Pandemie zum Aussterben gebracht wurde. Wobei nicht ausgeschlossen sei, dass B Yamagata womöglich doch irgendwo überlebt habe, weil nicht jeder Winkel der Welt gut überwacht werde.“

Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich; oder besser gesagt, er sollte sich wundern. Denn wie wäre es zu erklären, dass B Yamagata „das einzige der Atemwegserkrankungen verursachenden Viren“ gewesen sein sollte, das dank der Corona-Maßnahmen ausgerottet wurde? Das zumindest war die Frage, die sich dem Autor des vorliegenden Artikels – und damit einem Laien auf Gebieten wie Immunologie, Epidemiologie oder Virologie – gestellt hat.

Aber dankenswerterweise haben die dpa und die ihr in Vasallentreue folgenden Medien auf einen Fachartikel in „The Lancet“ verwiesen. Diesen als Quelle aufzuspüren war ein Aufwand von wenigen Mausklicks und Tastaturbewegungen. Und siehe da: für die vermeintliche „Ausrottung“ gibt es eine sehr simple Erklärung – die noch dazu sehr natürlichen Ursprungs zu sein scheint. Die Autoren halten in der Einführung („Introduction“) in Bezug auf die Verbreitung der Influenza bzw. Grippe fest:

„Weltweit verursachten B Yamagata-Viren in den Jahren 2012 bis 2017 einen größeren Anteil der Infektionen als B Victoria-Viren, aber in den zwei Jahren vor der COVID-19-Pandemie war die Linie B Victoria weitgehend vorherrschend, wobei das Verhältnis B Yamagata zu B Victoria im Jahr 2018 auf 1:4,5 und im Jahr 2019 auf 1:19,3 sank.“

Quelle wird verkürzt wiedergegeben – bewusst oder unbewusst?

Im Klartext: Bis zum Jahr 2017 gehörte „B Yamagata“ zu den vorherrschenden Influenza-Varianten und war zumindest gegenüber „B Victoria“ klar dominant. Spätestens ab dem Jahr 2018 befand sich „B Yamagata“ auf dem Rückzug und büßte exponentiell an Dominanz ein.

Weiter heißt es in dem „Lancet“-Artikel: „Zu Beginn der COVID-19-Pandemie (sprich ab März 2020) und selbst, nachdem Grippeviren ab Ende 2021 wieder zu zirkulieren begannen, wurden Viren der Linie B Yamagata nur in wenigen Ländern weltweit nachgewiesen, was zu der Frage führt, ob Viren der B Yamagata-Variante kurz vor dem Aussterben stehen.

Das Aussterben der B Yamagata-Variante zu erklären, wäre verfrüht, da die Möglichkeit besteht, dass die Viruszirkulation derzeit auf niedrigem Niveau liegt (unterhalb der Kapazitätsschwelle bestehender Überwachungssysteme) oder in Regionen stattfindet, die nicht gut durch Überwachungssysteme abgedeckt sind, wodurch die Möglichkeit eines Wiederauflebens der B Yamagata-Variante in der Zukunft besteht.“

Die Autoren gestehen zu Beginn ihrer Arbeit zwar zu, dass die Corona-Maßnahmen „zu erheblichen Störungen der Zirkulation von Grippe und anderen Atemwegsviren“ geführt haben, bleiben dabei aber sehr allgemein. Gleichzeitig wird – speziell auf „B Yamagata“ bezogen – aber klargestellt, dass es „verfrüht“ wäre, von einem „Aussterben“ zu sprechen. Ebenso wird der seit mehreren Jahren beobachtbare Rückzug dieser Variante in keiner Silbe mit den Corona-Maßnahmen an sich in Verbindung gebracht; es wird lediglich die Chronologie desselbigen dargestellt.

Fakt ist also, dass sich „B Yamagata“ schon spätestens seit dem Jahr 2018 auf dem Rückzug befand und sich dieser Trend – naturgemäß – weiter fortsetzte. Varianten kommen und gehen, so wie wir es auch bei Corona gesehen haben, und da bildet auch die klassische Grippe selbstverständlich keine Ausnahme.

Seltsame Parallelität der Ereignisse

Bemerkenswert an der ganzen Sache ist aber etwas ganz anderes. Ein mit Milliarden Euro an GEZ-Zwangsgeldern alimentierter öffentlich-rechtlicher Rundfunk (und viele andere Mainstream-Medien) verlassen sich blind auf dpa-Meldungen und darin enthaltene Quellenangaben – und scheuen sogar vor dem vergleichsweise minimalen Aufwand zurück, diese selbst zu lesen und zu überprüfen.

Oder hat man es in diesem Fall absichtlich unterlassen oder die Quelle ganz bewusst nur sehr verkürzt wiedergegeben? Wie dem auch sei, zeigt dieses Beispiel einmal mehr, wie wichtig wirklich unabhängiger Journalismus gerade in diesen Zeiten ist.

Auffällig ist zudem, dass die Meldung über den vermeintlich positiven Nutzen der Corona-Maßnahmen just zu dem Zeitpunkt kam, als Noch-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) medienwirksam eine Aufarbeitung der Corona-Jahre in der neuen Legislaturperiode forderte. Dies sei „das Erste, was eine neue Bundesregierung der Bevölkerung“ schulde, sagte der Rheinländer am Montag in der ARD.

Klingt ganz nach jemandem, der de facto nur noch politischer Insolvenzverwalter seines Amtes ist und jetzt von jemandem das einfordert, was er selbst jahrelang versäumt, wenn nicht gar auf sehr proaktive Art und Weise verhindert hat.

„Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd“

sagt ein altes chinesisches Sprichwort. Bei uns ist es wohl eher ein guter Anwalt – und der kostet Geld. Augsburgs CSU-Oberbürgermeisterin Eva Weber hat mich gerade angezeigt, weil ich es gewagt habe, ihre Amtsführung zu kritisieren. Es geht um mehr als nur diesen Fall. Es geht um das Recht, Kritik an den Mächtigen zu üben, ohne kriminalisiert zu werden. Helfen Sie mir, dieses wichtige Recht zu verteidigen! Jeder Beitrag – ob groß oder klein – macht einen Unterschied. Zusammen können wir dafür sorgen, dass unabhängiger Journalismus stark bleibt und nicht verstummt. Unterstützen Sie meine Arbeit:

1000 Dank!

Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich:

Über diesen Link

Über den Umweg SendOw geht aktuell auch eine Unterstützung via Paypal – über diesen Link.

Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71 oder BE43 9672 1582 8501

BITCOIN-Empfängerschlüssel auf Anfrage

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.

Meine neuesten Videos und Livestreams

Merz – die finale Selbstkastration und Unterwerfung der „Opposition“ unter die rot-grüne Agenda

Der Schein-Schöngeist dechiffriert: Habecks Küchentisch-PR – ein Soufflé, das in sich zusammenfällt

Scholz-PK für Sie dechiffriert: Wie der Kanzler lügt und sich mit Taschenspielertricks durchmogelt


Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: nitpicker/Shutterstock

Bitte beachten Sie die aktualisierten Kommentar-Regeln – nachzulesen hier. Insbesondere bitte ich darum, sachlich und zum jeweiligen Thema zu schreiben, und die Kommentarfunktion nicht für Pöbeleien gegen die Kommentar-Regeln zu missbrauchen. Solche Kommentare müssen wir leider löschen – um die Kommentarfunktion für die 99,9 Prozent konstruktiven Kommentatoren offen zu halten.

Mehr von Kai Rebmann auf reitschuster.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert