Von Kai Rebmann
Selbsternannte „Meldestellen“ schießen in diesem Land seit einigen Jahren wie Pilze aus dem feuchten Waldboden. Den Dünger hierfür liefern mit deutschem Steuergeld prall gefüllte Töpfe, die an Portale mit klar erkennbarer ideologischer Schlagseite gerichtet sind. Die Krone setzte dem Ganzen jetzt die Bundesnetzagentur mit der Nominierung von „Respect!“ zum sogenannten „Trusted Flagger“ im Auftrag der Bundesregierung auf, reitschuster.de berichtete (siehe hier und hier).
Eine recht unrühmliche Rolle spielt dabei ausgerechnet die CSU. Noch im vergangenen Jahr hat Dorothee Bär, Vize der Unionsfraktion im Bundestag, im Zusammenhang mit einer ähnlichen Meldestelle noch geraunt, dass dort „klammheimlich und im Stillen gepetzt“ werden könne. Damals ging es um ein Portal der Antonio-Amadeus-Stiftung, das sich vorgeblich dem Kampf gegen Antifeminismus verschrieben hat. Bär sah darin – wohl durchaus zu Recht – ein „Denunzieren und Diffamieren auf Staatskosten“.
Fakt ist aber: Schon seit mindestens Juli 2022 kooperiert die bayerische Staatsregierung und damit die Partei der angeblich so um die Meinungsfreiheit besorgten CSU-Frau mit „REspect!“. Unter „Kooperation“ ist in diesem Fall vor allem die Bezuschussung durch Steuergelder zu verstehen, weitere Gelder fließen aus Baden-Württemberg in die umstrittene Meldestelle.
AfD-Antrag zu Förderstopp wird abgelehnt
Die AfD hat den Aufstieg von „REspect!“ zum obersten Zensor in Deutschland zum Anlass genommen, die staatliche Alimentierung aus Bayern stoppen zu wollen und im Landtag einen entsprechenden Dringlichkeitsantrag gestellt. Der darin beantragte Förderstopp wird unter anderem so begründet:
„Anstatt der im Leitfaden der Bundesnetzagentur geforderten ‚Expertise‘ ist hier vor allem eine bestimmte Haltung zu erkennen – die Meldestellen, ihre Leiter und Mitarbeiter stellen dies in ihrem öffentlichen Auftreten unmissverständlich klar. Diese Haltung wird sich folglich unmittelbar auf das Meldeverhalten der Meldestellen durchschlagen. Und somit auch auf die veröffentlichten Meinungen und den Diskurs in den sozialen Netzwerken.“
Als Folge befürchtet die AfD-Fraktion: „Auch wenn die Agentur beteuert, dass weder sie selbst noch die Trusted Flagger darüber entscheiden, was illegal sei, bleibt eines offensichtlich: die Plattformen werden auf Meldungen durch Trusted Flagger umgehend reagieren – wie es das Gesetz fordert – und im Zweifelsfall einen streitbaren Inhalt löschen. Denn das DSA [Digital Services Act] sieht empfindliche Strafen für das Unterlassen einer Löschung durch die Plattformbetreiber vor.“
Brisanter WhatsApp-Chatverlauf in CSU-Ortsgruppe
Wie wohl nicht anders zu erwarten, wurde der Dringlichkeitsantrag der AfD im Landtag abgelehnt, nicht zuletzt mit den Stimmen der CSU. Doch es kommt noch dicker: reitschuster.de liegt ein interner WhatsApp-Chatverlauf vor, in welchem der CSU-Abgeordnete Dr. Gerhard Hopp nicht nur als regelrechter Anwalt von „REspect!“ auftritt, sondern objektiv gerechtfertigte und bei seinen Mitstreitern offenbar durchaus vorhandene Bedenken geradezu ins Gegenteil verdreht.
Der im CSU-Ortsverband Cham offenbar laut gewordenen Kritik, „REspect!“ trete mit den neuen Befugnissen mehr oder weniger anstelle regulärer Ermittlungsbehörden wie Polizei oder Staatsanwaltschaft, begegnet Hopp so: Die Meldestelle biete den Bürgern „vorgelagerte Unterstützung“ an, Ziel sei die Unterstützung von Betroffenen und „die Erhöhung der Anzeigebereitschaft“ in der Bevölkerung!
„REspect!“ schaue lediglich, so der CSU-Abgeordnete weiter, ob Inhalte „nach dortiger Vorprüfung relevant sind“ und übernehme gegebenenfalls die formale Anzeigenerstattung an Polizei bzw. die zuständige Staatsanwaltschaft. Weiter behauptet Hopp, „REspect!“ habe es „auch nicht in der Hand, bestimmte Inhalte einer Strafverfolgung zu entziehen, da es sich um ein freiwilliges Angebot handelt.“ Eine politische Einflussnahme auf eine mögliche Strafverfolgung sei zudem ausgeschlossen.
Das ist freilich nicht einmal die halbe Wahrheit. Natürlich kann die Meldestelle Polizei oder Staatsanwaltschaft in letzter Konsequenz nicht an Ermittlungen zu bestimmten Inhalten hindern – falls diese zur Anzeige gebracht werden bzw. die Behörden auf sonstige Weise Kenntnis davon erhalten. „REspect!“ kann aber sehr wohl selbst entscheiden, ob es einen bestimmten Inhalt proaktiv zur Anzeige bringt oder nicht. Und ob da wohl immer mit dem gleichen Maß gemessen wird?
Fakt ist: Die CSU scheint ein höchst gespaltenes Verhältnis zu den staatlich alimentierten Petz-Portalen zu haben. Während die Partei-Granden im Bundestag, auf der ganz großen politischen Bühne, auf Distanz zu entsprechenden Meldestellen gehen, legt sich die Söder-Partei zu Hause in München mit eben diesen ins Bett.
Damit Sie, liebe Leser, sich ein vollständiges und vor allem eigenes Bild machen können, folgt hier die Stellungnahme von Dr. Gerhard Hopp im Volltext:
„Von meiner Seite aus mein Stand zum Thema: Zuerst einmal, um wen bzw. was geht es? Die Meldestelle REspect! existiert seit 2017 als Teil des Demokratiezentrums Baden-Württemberg, das durch das Bundesförderprogramm „Demokratie leben!“ und das baden-württembergische Sozialministerium aus Mitteln des Landes Baden-Württemberg gefördert wird. Träger ist die Jugendstiftung Baden-Württemberg. Seit dem 25. Juli 2022 kooperiert die bayerische Staatsregierung mit der Meldestelle REspect!. Grundlage ist eine zwischen Sozial-, Innen- und Justizministerium in Bayern sowie dem Sozialministerium Baden-Württemberg und der Jugendstiftung Baden-Württemberg geschlossene Kooperationsvereinbarung.
Danach fungiert REspect! auch als Meldestelle für Bürgerinnen und Bürger aus Bayern. Ziel der Kooperation ist die Unterstützung der Betroffenen von strafbarer Hate Speech und die Erhöhung der Anzeigenbereitschaft, um eine möglichst umfassende Verfolgung von strafbarer Hate Speech jeglicher Herkunft zu ermöglichen und dadurch der Entstehung rechtsfreier Räume im Internet entschieden entgegenzutreten. Ein wichtiges Thema, das immer drängender wird.
Wie läuft es ab? Die Kooperation verläuft so, dass REspect! im Austausch mit den bayerischen Strafverfolgungsbehörden steht und Beiträge zu verschiedenen Themen im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Hate Speech leistet. Dies wird auch von verschiedenen anderen Akteuren anerkannt. So fungiert REspect! auch als offizieller Kooperationspartner des Bundeskriminalamts.
Im Kern der Kritik wird ja insbesondere eine unzulässige Auslagerung der Funktion von Polizei und Staatsanwaltschaft oder Übertragung hoheitlicher Aufgaben, wie du es anführst, genannt. Dem ist beim Blick auf die Rolle der beteiligten Akteure aber nicht so: Bei durch REspect! entgegengenommenen Meldungen tritt REspect! nicht an die Stelle der Staatsanwaltschaften, Polizeidienststellen bzw. Amtsgerichte, bei denen gemäß Paragraf 158 Abs. 1 StPO Strafanzeigen angebracht werden können. Stattdessen bietet REspect! Bürgerinnen und Bürgern lediglich vorgelagerte Unterstützung an. Dies erfolgt, indem REspect! bei Meldungen, die nach dortiger Vorprüfung strafrechtlich relevant sind, die Anzeigeerstattung übernimmt, und zwar durch Weiterleitung an die (bei Offizialdelikten über das BKA/LKA erfolgende) zuständige Dienststelle der bayerischen Polizei. In jedem Fall wird die Strafanzeige daher, wie von Paragraf 158 Abs. 1 StPO vorgesehen, bei den ‚Beamten des Polizeidienstes‘ angebracht. Die Entscheidung über die strafrechtliche Relevanz der Meldungen und die nachfolgende Einleitung eines Ermittlungsverfahrens liegt, wie bei einer Strafanzeige ohne Zwischenschaltung von REspect!, nur bei der jeweilige Polizeidienststelle und der in der Folge zuständigen Staatsanwaltschaft. Dass REspect! – wie der Antrag nahelegt – politischen Einfluss auf die Strafverfolgung nehmen könnte, ist deswegen von vorneherein ausgeschlossen. REspect! hat es auch nicht in der Hand, bestimmte Inhalte einer Strafverfolgung zu entziehen, da es sich um ein freiwilliges Angebot handelt.
Bei einem Dringlichkeitsantrag der AfD (dass die AfD einen eigenen Blick auf Hate Speech hat und dessen Bekämpfung hat, sehe ich jede Woche erneut…) wurde diese Thematik diese Woche im Landtag bereits diskutiert und so konnte vieles, wie unter anderem oben formuliert, klargestellt werden, denke ich. Beste Grüße und eine gute Woche allen.“
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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