Von Daniel Weinmann
In Deutschland wird es keine Corona-Impfpflicht für ältere Menschen geben – noch nicht. Denn unabhängig vom Scheitern sämtlicher Anträge meldete der Mainzer Impfstoff-Multi Biontech an diesem Freitag, eine von der Bundesrepublik ausgewählten Firmen zu sein, mit denen ein Pandemiebereitschaftsvertrag geschlossen werden soll.
Im Rahmen der Vereinbarung wird Biontech Produktionskapazitäten für die Herstellung von mindestens 80 Millionen Impfstoffdosen pro Jahr vorhalten – zunächst bis 2027. Die Halbwertszeit der Einlassung von Bundeskanzler Scholz, dass eine Impfpflicht kein Thema mehr sei, dürfte vor diesem Hintergrund vermutlich extrem kurz sein.
Anders ausgedrückt: Die 400 Millionen Impfdosen werden – ob zwangsweise oder freiwillig – ihre Abnehmer finden müssen. Dass das Biontech-Vakzin nach wie vor nur bedingt zugelassen ist, spielt dabei offensichtlich keine Rolle. Wie eine bereits im Dezember 2020 im „New England Journal of Medicine“ veröffentlichte Studie zeigt, ist dies indes nicht der einzige Grund, der die Impfstrategie der Ampel-Koalition in Frage stellt. Die Autoren zeigen auf, dass der Biontech-Impfstoff nämlich nach Alter gestaffelt dosiert werden müsste, um optimal zu wirken.
Selbst Zwölfjährige und Schwangere erhalten die Einheitsdosis von 30 Mikrogramm
Durch die bis dato gängigen einheitlichen Dosierungen von 30 Mikrogramm je Impfung kann ein Teil der Älteren nicht auf vollen Schutz hoffen, während Jüngeren Überdosis-Reaktionen drohen. Bei den 18- bis 55-Jährigen sind demnach 20 Mikrogramm angemessen, um die optimale Wirkung zu entfalten. Bei den 65- bis 85-Jährigen sind es hingegen mindestens 30 Mikrogramm pro Stich. Bizarr: Selbst Zwölfjährige und Schwangere erhalten die Einheitsdosis von 30 Mikrogramm.
Impf-Fanatiker wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ficht dies nicht an. Anders sieht dies hingegen der langjährige Leiter des Impfprogramms der Weltgesundheitsorganisation WHO, Klaus Stöhr. „Wegen der Dringlichkeit, einen Sars-CoV-2 Impfstoff zu finden, hat man anfangs mit den 30 Mikrogramm eine Kompromissdosierung getestet und dann auch zugelassen“, zitiert die „Welt“ den Epidemiologen. Dies sei vernünftig gewesen, doch gleich danach hätten Zulassungsbehörden und Beratungsgremien von den Herstellern Dosierungsstudien fordern müssen. „Da hat es wohl an Weitsicht oder Fachverständnis gefehlt“, moniert Stöhr.
Auch für die Berliner Biotech-Fachfrau Susanne Wagner ist klar: „Man hätte schon nach den ersten Todesfällen von jüngeren Menschen nachsteuern müssen“, zitiert sie die „Welt“. Stattdessen sei man zum Schutz der älteren Menschen bei der hohen Dosis von 30 Mikrogramm geblieben.“
»Elegante Lösung, aber nicht praktisch«
Überraschenderweise zweifelt Biontech die Studienergebnisse nicht an – und räumt die allzu vereinfachende Einheitsdosierung ein. „Es ist richtig, bei den Jüngeren reichen 20 Mikrogramm, manchmal sogar 15 Mikrogramm aus“, so Firmensprecherin Jasmina Alatovic. Eine altersangepasste Dosierung der Impfstoffe sei grundsätzlich zwar eine „elegante Lösung, aber nicht praktisch, wenn man so rasch wie möglich fünf Milliarden Menschen impfen muss“.
Daher ließ man kurzerhand Fünf gerade sein und entschied sich für 30 Mikrogramm für alle – Nebenwirkungen hin oder her. Besonders unverfroren angesichts dieser Herangehensweise: Neue Studien zur Ermittlung der exakten Dosis stehen bei Biontech nicht auf der Agenda. Das Verfahren sei zu aufwendig, so die Kommunikationsleiterin Alatovic.
Vielleicht erkennt manch einer unter unseren geimpften Mitbürgern spätestens jetzt, in welchem Ausmaß er von Pharmaindustrie und Politik als Versuchskaninchen missbraucht wurde – und immer noch wird.
Wie gut aber für die Impfstoffhersteller, dass sie sich schriftlich haben geben lassen, für ihren bedingt zugelassenen Impfstoff nicht haftbar gemacht werden zu können.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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