Das Feiern, der Wodka, die Sitten Geschichten zum Schmunzeln – Mein Krisen-Alternativ-Programm

Hand aufs Herz: Haben Sie es nicht auch satt, ständig negative Nachrichten zu lesen? Bei denen man denkt, es seien „Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus“? Was sie aber leider nicht sind – denn es sind reale Neuigkeiten aus Deutschland. Ich möchte Ihnen ein Kontrastprogramm bieten, aus meiner Zeit in Russland. Zum Entspannen und Schmunzeln. Voilà:

Hauptsache, keine Verspätung! Jede Minute kann einen sonst teuer zu stehen kommen. Vielleicht war es ein Versprecher, als Michail Gorbatschow einst sagte: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“. Vielleicht hat er den letzten Buchstaben vertauscht, und meinte: die Leber. Denn wer es nicht rechtzeitig schafft zu einer Feier, dem droht in Russland ein „Strafnoi“. Frei ließe sich das mit „Strafstoß“ übersetzen: Ein voll gefülltes Wodka-Glas, das der zu spät gekommene austrinken muss – um Sühne zu tun, und um den Rest der Gesellschaft in der Stimmungslage einzuholen. Gott sei Dank geht der Straf-Kelch heute an mir vorüber. Valerij, Hausherr und Geburtstagskind in Personalunion, ist gnädig.

Immer wieder müssen sich die Russen nachsagen lassen, in ihrem Land herrsche überall Chaos und Unordnung. Eine Unterstellung. Denn zumindest in einem Bereich ist diese Behauptung problemlos zu widerlegen: Wenn es um das Feiern geht, herrschen in Russland strenge Traditionen und bewährte Sitten, die uns Deutsche vor Neid erblassen lassen. Das betont zumindest Valerij, mein Freund, ein graumelierter Mittvierziger, während er das Glas zum ersten Trinkspruch hebt: Auf die Völkerfreundschaft.

Der Tischherr hat die Lufthoheit

Ob Geburtstag, Taufe oder Hochzeit: Bei einer anständigen Familienfeier sorgt ein „Tamada“, der Tischherr, für die Einhaltung aller Regeln. Was nicht ohne eine gewisse Pikanterie ist in diesen stürmischen Tagen, gilt der „Tamada“ doch ausgerechnet als eine georgische Erfindung. Der Tischherr hat das, worum die CSU in Bayern so angespannt kämpft: nämlich die Lufthoheit über dem (Stamm-)Tisch. Er ist für die Trinksprüche zuständig, die „Toasts“. Und muss dabei all die ungeschriebenen Gesetze einhalten – wie etwa, dass zwischen dem ersten und dem zweiten Trinkspruch nur so wenig Zeit vergehen darf, dass es eine Fliege nicht schafft, über den Tisch zu fliegen. Sagt Valera, und hebt schon wieder das Glas. Auf den Frieden.

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Weil sie politisch heikel ist in diesen Tagen, verkneife ich mir die Feststellung, dass der „Tamada“ in Georgien in der Regel von der Feier-Gesellschaft gewählt wird, während in Russland diese Rolle gewöhnlich in schweigender Übereinkunft entweder dem Hausherren, dem Erfahrensten oder dem Angesehensten am Tisch zufällt – wobei mein Gastgeber Valerij natürlich alles in einer Person ist.

Ausgeglichen wird dieses Demokratie-Defizit dadurch, dass der russische Tamada meistens ein informeller ist, und sein Amt wie Valera höchst liberal ausübt nach dem Motto „Leben und leben lassen“ – oder genauer: „Reden und trinken lassen“. Der Tamada in Georgien dagegen neigt eher zum autoritären Regiment, und gibt anderen Tischgenossen das Recht auf Trinksprüche nur nach formeller Genehmigung.

Von Toast zu Toast

Der georgische Tamada ist eher als der russische genug, auf „Vollzug“ zu bestehen. Was so neutral klingt, wird bei jedem, der es einmal erlebt hat, noch im Nachhinein schreckliche Erinnerungen an heftiges Schädeldröhnen auslösen, weil er streng nach Vorschrift des Tischherren jedes Glas bis zum bitteren Ende gekippt hat, wobei der Begriff „kippen“ hier durchaus wörtlich zu nehmen ist.

„Auch wenn Ihr Deutschen es nicht so seht, wir sind Demokraten, und überaus tolerant“, sagt Valera mit sardonischem Lächeln und amüsiertem Blick auf mein fast volles Glas, an dem ich gegen uralte Tradition nur genippt habe. Valerijs Nachsicht ist ein Segen, hatte ich doch den taktischen Fehler gemacht, nicht mit dem Auto zu kommen – der sicherste Weg und die beste Ausrede, um auch beim fröhlichsten Fest nüchtern zu bleiben, sozusagen der Airbag gegen den Kater. Spätestens seit Einführung der Straßenverkehrsordnung mit der Null-Promille-Regel.

Gewandt schwingt Valerij von Toast zu Toast. Für die Kinder, für die Verblichenen, und für die Frauen – ein Trinkspruch, den der echte Gentleman selbstverständlich in stehender Position einzunehmen hat.

Russland-Anfänger mögen nun glauben, alles drehe sich nur um Hochprozentiges. In Wirklichkeit aber ist die hohe Kunst des Feierns eine Wissenschaft für sich, in der Russland Weltniveau hat. Aber jetzt bringt Valerij schon wieder einen Toast aus, wieder einmal auf die Völkerfreundschaft, und als Deutscher habe ich die Pflicht, mein Land würdig zu vertreten, oder, wie ein russisches Sprichwort sagt, nicht mit dem Gesicht auf den Boden zu fallen. Deshalb folgt, hicks, die Fortsetzung, äh, über die hohe, hicks, Kunst, äh, …, des Feierns….später, urps, nächste Woche…

Nach dem wirklich unangenehmen „Job“ mit dem Lauterbach-Interview bin ich Ihnen für ein Schmerzensgeld besonders dankbar – und verspreche dafür, auch beim nächstem Mal wieder in den sauren Apfel zu beißen und wachsam an dem gefährlichen Minister dran zu bleiben! Aktuell ist (wieder) eine Unterstützung via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.

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Bild: Shutterstock

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