Stalins Rache Geschichten zum Schmunzeln – Mein Krisen-Alternativ-Programm

Hand aufs Herz: Haben Sie es nicht auch satt, ständig negative Nachrichten zu lesen? Bei denen man denkt, es seien „Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus“? Was sie aber leider nicht sind – denn es sind reale Neuigkeiten aus Deutschland. Ich möchte Ihnen ein Kontrastprogramm bieten, aus meiner Zeit in Russland. Zum Entspannen und Schmunzeln. Voilà – eine Geschichte von 2008 (die aktuell wieder aktuell ist, denn das beschriebene Mineralwasser ist aktuell wegen der Sanktionen in Westeuropa nicht mehr erhältlich):

Dass Politik dem einfachen Menschen auf den Magen schlagen kann, ist ein Allgemeinplatz. Gemeinsam mit vielen Russen muss ich seit einiger Zeit schmerzhaft am eigenen Magen erfahren, dass diese Redewendung aber auch ganz wörtlich zu verstehen ist. Seit fast zwei Jahren verbieten die russischen Behörden die Einfuhr des berühmt-berüchtigen Heilwassers „Borschomi“, als handle es sich um eine gemeingefährliche Droge – dabei handelt es sich lediglich um Georgiens salzige Antwort auf Überkinger.

Borschomi kann man nur lieben oder hassen, Zwischentöne auf der Geschmacksskala sind kaum möglich. Hasser sagen, ungekühlt schmecke das Quellwasser aus dem Kaukasus schlechter als Meerwasser, und nur Masochisten sei zu empfehlen, an ihrem Glas zu riechen. Alles böse Unterstellungen. Wofür es einen Kronzeugen gibt: Stalin. Er war für seine manische Liebe zu dem magen-beruhigenden Salzwasser bekannt. Selbst Churchill soll in Jalta auf den Geschmack gekommen sein. Was westliche Demokraten nicht hindert, das erlesene Produkt bis heute als „Stalins Rache“ und Brechmittel zu verunglimpfen. Spötter behaupten gar, nur infolge eines derartigen Getränks könne ein Mensch solche Untaten begehen wie Stalin.

Hunderttausende leiden an Entzugserscheinungen

Bei aller politischen Distanz zu dem sowjetischen Diktator: Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich in diesem einen Fall ganz auf Seiten Stalins stehe, rein aus einem Bauchgefühl heraus natürlich. Denn zumindest bei der Auswahl seines Lieblingswassers war der gebürtige Georgier ebenso weitsichtig wie harmlos. Ob Tyrann, Journalist oder unverdächtiger Mensch: Wer von einem Reizmagen geplagt ist, der hängt an seinem „Borschomi“ wie der Junkie an der Nadel. Hunderttausende Russen leiden jetzt an Entzugserscheinungen. Selbst Alkoholiker – aktive ebenso wie a.D. – schwören auf das Quellwasser aus dem Kaukasus – und sitzen jetzt buchstäblich auf dem Trockenen.

Meine Restbestände im Regal hüte ich wie die USA ihre Goldreserven in Fort Knox. Ausschließlich in besonderen Notfällen gönne ich mir ein Schlückchen in homöopathischer Dosis; nur die besten Freunde bekommen etwas eingeschenkt. Wie viele Borschomi-Fans auf Entzug habe ich inzwischen alle möglichen „Ersatzstoffe“ ausprobiert – doch nichts kommt an Salzgehalt und dem echten Meerwasser-Gefühl auch nur annährend an Stalins Lieblingsbrause heran. Nur für die Augen, nicht aber für den Gaumen ist jenes neue russische Mineralwasser ein Trost, das dem Original aus dem Kaukasus fast bis auf den letzten Pixel im Etikett gleicht. Und auch die Wässerchen aus der berüchtigte Jessentuki-Quelle im – russischen – Nordkaukasus sind für den Magen das, was für den Dieselmotor Rapsöl ist – ein billiges Surrogat, das nicht zur gewohnten Leistung verhilft und auf Dauer an die Substanz geht.

Merkwürdiger Beigeschmack

Auslöser für die Mineralwasser-Krise sind die ständigen Reibereien zwischen Russland und Georgien: Weil die frühere Sowjetrepublik in die Nato will und Moskau die kalte Schulter zeigt, reagierte der Kreml mit einem Wirtschafts-Boykott. Offiziell hieß es plötzlich, das Borschomi-Wasser sei gefährlich für die Gesundheit – obwohl es die letzten 100 Jahre für viele russische Herrscher ein Heilwasser war und schon Nikolaus II., Gott habe ihn selig, große Stücke darauf hielt, zumindest bis zur Revolution 1917. Gefährlich für die Gesundheit waren eher die zahlreichen Fälschungen: In gemeinen russischen Kellern, so hält sich hartnäckig die Legende, versetzten Menschen, denen nichts heilig ist, ordinäres Leitungswasser mit Kochsalz und füllten es in gebrauchte Borschomi-Flaschen ab, die sie wiederum Flaschenhändlern abkauften.

Tatsächlich war die Qualität des Wässerchens durchaus Schwankungen unterlegen, und manchmal ließ sich ein merkwürdiger Beigeschmack ausmachen, wobei die Geschmacksnote bis hin zum ordinären Geschirrreiniger reichte. Doch ein echter Borschomi-Abhängiger lässt sich davon nicht den Geschmack verderben. Und schon gar nicht die Hoffnung. In den letzten Wochen bahnt sich ein Tauwetter an zwischen Moskau und Tiflis. Die Luftblockade ist aufgehoben, erstmals seit anderthalb Jahren gibt es wieder eine direkte Flugverbindung zwischen den einstigen Brudervölkern. Jetzt liegt alles in den Händen des neuen Präsidenten Dmitrij Medwedew, der Anfang Mai offiziell seinen Dienstbeginn im Kreml hat. Liebe geht bekanntlich durch den Magen – und was läge da für den Junior-Präsidenten näher, als die Herzen von Hunderttausenden seiner Untergebenen im Sturm zu erobern, per Ukas, mit einem Handstrich: Dem Unterzeichnen eines „Borschomi-Erlasses“.

Aktuell ist (wieder) eine Unterstützung via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link.  

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Mein aktuelles Video:

Dechiffriert: „Wir haben noch viel vor“ – Lauterbach droht in Davos mit „Zeitalter der Pandemien“.

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Bilder: Kober, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

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