Von Kai Rebmann
Andreas Radbruch, Leiter des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums und Professor für Experimentelle Rheumatologie an der Charité Berlin, warnt vor den Folgen von zu häufigen Booster-Impfungen. In einem Interview mit der Welt ging der Immunologe vor allem darauf ein, was die Impfstoffe mit dem menschlichen Immunsystem machen und weshalb es insbesondere bei dreifach Geimpften immer wieder zu Symptomen kommen kann, die jenen ähneln, die bei Long-Covid beschrieben werden.
Radbruch hält einen Zusammenhang mit dem Epstein-Barr-Virus für möglich, „mit dem sich 95 Prozent der Menschen bereits im mittleren Alter infiziert haben. Die Viren werden erfolgreich vom Immunsystem bekämpft, es schafft es aber nicht, sie vollständig zu eliminieren.“ Diese Viren, so der Experte, würden in einer Art Schlafzustand in den B-Lymphozyten überleben, in denen das Immunsystem Antikörper produziert. „Werden die B-Lymphozyten aktiviert, wird manchmal auch das Virus aktiviert. Solche Zellen werden normalerweise durch andere Immunzellen eliminiert, aber vielleicht eben nicht immer erfolgreich. Sie könnten dann Long-Covid-Symptome verursachen.“
'Wir haben unser immunologisches Pulver verschossen'
In Sachen Impfung gegen SARS-CoV-2 sieht Radbruch das Ende der Fahnenstange spätestens mit dem Booster, also der dritten Impfung, erreicht. “Nach der dritten Impfung reagiert das Immunsystem immer weniger, es werden weder neue Antikörper für das Blut noch auf den Schleimhäuten gebildet. Das immunlogische Gedächtnis hat sich an den Impfstoff gewöhnt. Wir haben unser immunologisches Pulver verschossen“, so der Fachmann gegenüber der „Welt“.
Bereits in der vergangenen Woche erklärte Radbruch in einem Interview mit dem Laborjournal die besondere Bedeutung von Antikörpern auf den Schleimhäuten. Um eine sterile Immunität zu erreichen, bei der ein Krankheitserreger von einer immunen Person nicht weitergegeben wird, „bräuchte man neutralisierende Antikörper am Ort der Erstinfektion – bei SARS-CoV-2 also in den Schleimhäuten von Nase, Rachen und Lunge. Diese Antikörper würden dort das Andocken der Viren an unsere Zellen verhindern.“
Radbruch geht zwar davon aus, dass zumindest der Biontech-Impfstoff solche Antikörper produziert, betont aber, dass diese Antikörper innerhalb weniger Wochen und Monate wieder aus den Schleimhäuten verschwinden, auch wenn sie im Blut weiterhin vorhanden seien. „Die jetzt zur Verfügung stehenden Impfstoffe – und nicht einmal alle – bieten nur einen recht kurzen und schwachen Schutz vor einer Infektion und vor Infektiosität“, lautet das Fazit des Professors.
Prof. Dr. Andreas Radbruch im Bundestag
Obwohl Andreas Radbruch sich selbst als „Impf-Enthusiast“ bezeichnet, lehnte und lehnt er eine Impfpflicht ab. Seine für die Abgeordneten des Bundestags am 21.03.2022 verfasste Stellungnahme zur Impfpflicht liest sich im Wortlaut wie folgt:
„Ich bin ein Immunologe, der sich seit 40 Jahren mit der Reaktion des Immunsystems auf Impfstoffe und Krankheitserreger befasst, für diese Arbeiten mit dem Avery-Landsteiner-Preis (jetzt: Deutscher Immunologiepreis) ausgezeichnet wurde, ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, zurzeit Vizepräsident der Föderation europäischer immunologischer Fachgesellschaften (EFIS), Mitglied der Leopoldina und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Weitere Informationen sind im Internet abrufbar.
(1) Der Schutz vor Infektion ist kurzfristig. Er hängt von (neutralisierenden) Antikörpern auf den Schleimhäuten ab und beträgt nur wenige Wochen bis Monate, und das trifft für alle Impfungen und Boosterungen zu. Ausnahme: Infizierte, die zusätzlich geimpft wurden (Hall et al., NEJM 2022). Die schützenden Antikörper verschwinden sehr schnell aus den Schleimhäuten (Chan et al., Front Immunol 2021). Die Viruslast infizierter Geimpfter und Genesener ist hoch (Regev-Yochay et al. MedRxiv 2022).
(2) Wiederholtes Boostern sättigt das Immunsystem. Wird der gleiche Impfstoff in der gleichen Dosis und ins gleiche Gewebe verimpft, verhindern die Antikörper des immunologischen Gedächtnisses, die aus vorherigen Impfungen stammen, eine effektive Immunreaktion, insbesondere die Bildung von Antikörpern auf den Schleimhäuten. Es gibt also spätestens nach der 5. Impfung keinen Schutz vor Infektion durch das Boostern. Direkt nach der 4. Impfung beträgt er gerade mal 11 – 30 % (Regev-Yochay et al., MedRxiv 2022). Dafür sind bei 80 % der Geimpften lokale Nebenwirkungen zu beobachten, und bei 40 % systemische Nebenwirkungen. Diese Nebenwirkungen könnten bei weiteren Boosterungen zunehmen, denn sie werden durch das angeborene Immunsystem verursacht, das durch dauerndes Boostern “trainiert“ wird. Man hat also durch dreimaliges Boostern quasi sein “immunologisches Pulver verschossen“, das Immunsystem so gesättigt, dass es wahrscheinlich auch auf angepasste neue Impfstoffe nicht mehr optimal reagiert (Fachausdruck “original antigenic sin“). In diesem Sinne ist zweimal Impfen oder einmal Genesen besser als dreimal Impfen, um die Anpassungsfähigkeit des immunologischen Gedächtnisses zu erhalten. Eine Impfpflicht wird es erschweren, bei künftigen Infektionswellen angepasst impfend zu reagieren.
(3) In diesem Sinne wird eine Impfpflicht nicht das Ziel erreichen, bei zukünftigen SARS-CoV-2 Infektionswellen die Infektionslast zu senken. Insbesondere deshalb nicht, weil sich künftig ja Varianten durchsetzen werden, die den rudimentären Schutz der Schleimhäute durch mukosale Antikörper besser umgehen als die jetzigen Formen. Da die Geimpften aber noch sehr viele Antikörper im Blut haben, werden sie weiterhin vor schwerer Krankheit geschützt sein, und auf weitere Impfungen nur eingeschränkt reagieren. Ein Blick auf die Statistiken reicht ja: Wir leben heute mit Inzidenzen, die vor einem Jahr noch undenkbar wären.“
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: nitpicker/ShutterstockText: kr