Das kalkulierte Früchte-Wunder Geschichten zum Schmunzeln – Mein Krisen-Alternativ-Programm

Hand aufs Herz: Haben Sie es nicht auch satt, ständig negative Nachrichten zu lesen? Bei denen man denkt, es seien „Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus“? Was sie aber leider nicht sind – denn es sind reale Neuigkeiten aus Deutschland. Ich möchte Ihnen ein Kontrastprogramm bieten, aus früheren Zeiten. Zum Entspannen und Schmunzeln. Hier einmal ausnahmsweise nicht aus Russland, sondern aus Deutschland. Im Jahr 2008. Also auch aus einem anderen Land. Voilà:

Ist Deutschland zum Schlaraffenland geworden? Oder ist die Sache faul? Warum in aller Welt diese Bescherung, frage ich mich. Denn bei diesem Heimatbesuch ist plötzlich alles ganz anders. Vielleicht ist es ja so etwas wie Fernweh – aber „mein“ Hotel – seinen Namen und die Stadt, in der es sich befindet, wollen wir aus Gründen des Datenschutzes nicht nennen – schien mir bislang immer ein bisschen etwas russisches zu haben: Der Charme des Personals ist robust – Zyniker würden sagen, es ist unfreundlich. Die Bedienungen sind dezent und diskret – würde man das Negative suchen, könnte man sagen, sie bemerken den Gast erst nach Ewigkeiten. Dafür drängen sie ihm keine Hektik auf und gönnen ihm längere Pausen, etwa, bevor er seine Rechnung bekommt – was böse Menschen als „Verschlafenheit“ interpretieren.

Kurzum, bisher war mein Hotel der lebende Beweis dafür, dass wir Deutsche uns nicht allzu laut über schlechten Service in Russland empören sollten. Und dann das. Mit einem Mal sind alle wie ausgewechselt. „Dürfen wir Sie upgraden“, fragt der Herr am Empfang mit einem breiten Lächeln? Für einen Moment mache ich mir Sorgen, dass er etwas Unschickliches vorhat. Er scheint es zu bemerken und beruhigt mich sofort: „Wir möchten Ihnen zum gleichen Preis ein besseres und neueres Zimmer zur Verfügung stellen.“ Mein Gesicht muss schon in diesem Moment einen fassungslosen Eindruck gemacht haben, aber ich kann nur von Glück reden, dass er mich nicht sah, als ich das extra-große Zimmer betrat: Auf dem Schreibtisch stand ein großer Teller mit Früchten – eine Empfehlung des Direktors.

Es kam noch heftiger. Im Restaurant. Ich musste auf die Kellner wirken wie ein Windelkind und Elterninstinkte wecken – jedenfalls ließen sie mich kaum eine Minute aus den Augen. Die Speisekarte erklärten sie mir mit einer Geduld und Hingabe, als hätten sie einen Sehgeschädigten vor sich – oder wären überzeugt, dass ich außer bei McDonalds noch nie eine Speisekarte vor Augen hatte, und mein kulinarischer Horizont beim Salatblatt eines Hamburgers endet. Fast hatte ich schon Sorgen, sie würden mir noch den Gebrauch von Messer und Gabel erklären. Als ich die Unvorsichtigkeit besaß, auf der Weinkarte mit meinem Finger einem besonders teuren Tropfen näher zu kommen, machte einer der Kellner sofort eine halbe Verbeugung: „Darf ich Ihnen davon einen kostenlosen Probierschoppen bringen?“

Brust oder Keule

Mein Gast und ich kamen kaum zum Essen, weil alle fünf Minuten ein Herr oder eine Dame in Kellnergewand an unseren Tisch trat und fragte, ob alles in Ordnung sei und wir noch Wünsche hätten. „Die verwechseln uns mit irgendeinem örtlichen Prominenten“, feixte mein Gast. Nein, hielt ich entgegen: Was uns geschehe, erinnere an eine Szene im Louis des Funes-Film „Brust oder Keule“ – in dem das Restaurant-Personal den falschen Gast für den Michelin-Prüfer hält und wie einen Sonnenkönig bedient – während der echte Prüfer in der Ecke fast verhungert und dem Etablissement später sämtliche Sterne streicht.

Wir fangen an, Pläne für eine kulinarische Zukunft zu schmieden: „Wir müssen nur herausbekommen, warum sie uns für Gastronomie-Prüfer halten – wenn wir das Rätsel lösen, können wir es auch anderswo anwenden und uns jeden Tag in einem neuem Hotel oder Restaurant nach Strich und Faden verwöhnen lassen.“ Ist die Wunderwaffe der Schreibblock, den ich vor mich gelegt habe? Oder die Kenner-Miene, mit der mein Gast sein Gericht begutachtet? Haben wir aus Versehen irgendein geheimes Code-Wort verwendet? Wir stecken die Köpfe zusammen, und die Gäste an den Nachbartischen müssen glauben, sie hätten es mit zwei Agenten zu tun, die ein Komplott aushecken.

Und dann das. Die Ernüchterung. Wie eine Ohrfeige riss sie uns aus unseren Tagträumen. Ich hatte ein schönes Trinkgeld in die Rechnungstasche gelegt und war zuerst überrascht, dass sich der Ober gar nicht freute, als er in dieselbe griff. Er zeigte dann auf ein Papier darunter: „Haben Sie das nicht ausgefüllt?“ Düstere Wolken waren über seinem Sonnenschein-Lächeln aufgezogen. „Was?“ entgegnete ich? „Ein Fragebogen, darüber, wie zufrieden Sie mit dem Service sind, das ist ganz wichtig, dass Sie das ausfüllen, unsere Direktion legt großen Wert darauf!“ Mein Gast und ich warfen uns einen viel sagenden Blick zu. Und ich konnte noch gar nicht ahnen, wie goldrichtig meine intuitive Entscheidung war: Ich sagte, ich würde ihn natürlich gerne ausfüllen, aber erst später, im Zimmer.

Handkuss und Kaviar

Offenbar in ungeduldiger Erwartung meines Fragebogens geschah das, was ich für schlicht unmöglich gehalten hätte: Der Obstteller auf meinem Zimmer wurde noch größer, das Personal noch freundlicher. Kam ich auch nur in Sichtweite des Restaurants, stürzte sich auch schon ein Kellner auf mich und drohte mir den Mantel von der Schulter zu reißen. „Noch irgend welche Wünsche?“. Ich rief meinen Gast vom Vortag an: „Ich überlege mir, meine Rückreise nach Moskau aufzuschieben und länger hier zu bleiben – wenn ich die Rückgabe des Fragebogens weiter herauszögere, wird man mich spätestens übermorgen mit Handkuss begrüßen und mir Kaviar aufs Zimmer schicken.

“

Nicht, dass dieser Gedanke nicht verlockend gewesen wäre. Doch die Angst, jemand vom Personal könne durch meine Schuld einen Herzinfarkt erleiden, war dann doch größer – und ich reiste fahrplanmäßig ab. Das Strahlen in den Augen des Empfangschefs, als er meinen ausgefüllten Fragebogen mit lauter Bestnoten sah, machte mir noch mehr Freude als all die Verwöhnattacken in den Tagen zuvor. „Ihnen müssen die Controller aber ganz schön im Nacken sitzen“, sagte ich indiskret und zeigte auf den Fragebogen. Er lächelte schüchtern und nickte dezent.

Zwei Stunden später dann das böse Erwachen. Bei der Weiterfahrt stellte sich heraus, dass eine Tasche fehlte – der Träger hatte sie einfach in meinem Zimmer stehen lassen. Stress? Alzheimer? Hatte man meine Fragebogen-Abgabe schon feuchtfröhlich gefeiert? Oder war es die Rache dafür, dass ich alle so lang hatte zappeln lassen? Ich werde es nie erfahren. Aber ich habe zwei Lektionen fürs Leben gelernt – beide frei nach alten Sowjet-Führern.

Zum einen Lenin „Vertrauen ist gut, Kontrolle besser“, hatte der einst gesagt, und dabei vergessen, hinter „Kontrolle“ die Wörter „durch Fragebögen“ hinzuzufügen. Und wenn Michail Gorbatschow einst die DDR-Führung mahnte, „wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, so muss das in unserer Service-Gesellschaft lauten:: „Wer Fragebögen zu früh abgibt, den bestraft das Personal.“

Nach dem wirklich unangenehmen „Job“ mit dem Lauterbach-Interview bin ich Ihnen für ein Schmerzensgeld besonders dankbar – und verspreche dafür, auch beim nächstem Mal wieder in den sauren Apfel zu beißen und wachsam an dem gefährlichen Minister dran zu bleiben! Aktuell ist (wieder) eine Unterstützung via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.

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Bild: Shutterstock

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