Das liberal-konservative Lager war ein absoluter Ausfall Eine Analyse der Thüringer Kommunalwahl – und ein Weckruf

Ein Gastbeitrag von Vera Lengsfeld

Gratulation an CDU und AfD: Sie haben die Thüringer Kommunalwahl dominiert. Die SPD hat sich teilweise beachtlich geschlagen. Die großen Verlierer sind die Linken und die Grünen. Für die Linken ist das eine klare Ansage: Einen Ramelow-Effekt wird es bei den Landtagswahlen nicht geben. Rot-rot grün ist Geschichte. Bei den großen zentralen Ämtern im Land, den hauptamtlichen Landräten und den Oberbürgermeistern gibt es am 9. Juni, dem Tag der Europawahl, Stichwahlen, oft zwischen CDU und AfD (z.B. Saale-Holzland-Kreis, Greiz, im Eichsfeld oder im Wartburgkreis), aber auch zwischen SPD und AfD, wie im Kyffhäuserkreis oder im Kreis Gotha.

Die prestigeträchtige Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters von Erfurt wird zwischen CDU und dem Amtsinhaber Andreas Bausewein von der SPD ausgetragen, die AfD lag in Erfurt knapp an dritter Stelle. Im Anhang finden Sie den Link zu allen Ergebnissen auf den Seiten des MDR.

Aus meiner Sicht ist das eine sehr gute Nachricht für liberal-konservative Inhalte: In den Stichwahlen werden die jeweiligen Bewerber den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort ein überzeugendes Angebot machen müssen, wenn sie über ihr Stammklientel hinaus Mehrheiten erringen wollen. Dampfplauderei oder Lagerwahlkampf wird am 9. Juni nicht funktionieren. Wer eine überzeugende Arbeit für die Bürger macht, wird schon im ersten Wahlgang belohnt, wie In Bad Frankenhausen und in Sondershausen. Besondere Gratulation an Matthias Strejc und Steffen Grimm!

Aus meiner Sicht gibt es aber auch einen ganz klaren Verlierer im bürgerlichen Lager: Alle die freiheitlich-bürgerlichen Kräfte, die im Herbst und Winter noch in Thüringen große Hoffnungen erzeugt hatten, die großen unabhängigen Namen: Freie Wähler, Bürger für Thüringen, dieBasis, aber auch die sich formierende WerteUnion und die weitere Parteigründung Bündnis Deutschland: Es gab ein Fenster des öffentlichen und medialen Wohlwollens, was von den versammelten Akteuren in Gremiensitzungen und Hinterzimmer-Armdrücken, in Zaudern, Zagen und Starren auf Führungspersonen, kurz in Parteivereinsmeierei alter Schule komplett gegen die Wand gefahren wurde:

Das liberal-konservative Lager war in der Thüringer Kommunalwahl eine absolute no show (der Ihnen sicherlich bekannte Fachbegriff, wenn Hotelgäste ein Zimmer buchen und dann ohne Rückmeldung nicht kommen). Wenn man mit der Lupe sucht, findet man bei der Kreistagswahle im Saale-Orla-Kreis ein WerteUnion-Ergebnis: 1,2%!

Die AfD dagegen ist sitzt trotz ihrer Skandale in den ländlich geprägten Kreisen typischerweise mit deutlich über 30% und in den städtisch geprägten Gebieten meist noch mit über 20% oder knapp darunter in allen Kreistagen und kann und wird dort als kommunale Kraft nicht mehr ausgegrenzt werden.

Bündnis für Thüringen?

Lohnt es sich nach „Schuldigen“ für das Desaster im liberal-konservativen Lager zu suchen? Nein!

Aber es muss darum gehen, aus Fehlern zu lernen und nach vorne zu reagieren.

Die „Strategie“, dass jeder Partei- und persönliche Eitelkeiten über das Land und seine Bürger stellt ist krachend gescheitert.

Die Idee des „Bündnis für Thüringen“ war im Kern richtig, leider ist die eigentliche Aufgabe, nämlich die Aufstellung einer überzeugenden, schlagkräftigen gemeinsamen, offenen Liste zunächst gescheitert.Stattdessen haben wir Stand heute drei Listen (Bündnis Deutschland, dieBasis  und WerteUnion) und mehrere düpierte politische Gruppierungen und politische Kraftfelder (z.B. Bürger für Thüringen, FreieWähler).

Und eine Lage, wo nur eines sicher ist: Ähnlich wie in Deutschland insgesamt wartet am Ende eines nicht korrigierten Kurses nur das harte, frontale Aufschlagen gegen die Wand: Wenn es keine Neuaufstellung gibt, werden alle liberal-konservativen Kräfte in Thüringen entweder nicht auf dem Wahlzettel stehen oder am 1. September ganz deutlich unter 5% bleiben.

Ein Desaster mit absoluter Ansage:

Der Wahlkampf findet dann primär zwischen Voigt und Höcke statt, die neue Landesregierung im Herbst wird ohne Liberal-Konservative gebildet – Bündnis Sahra Wagenknecht hätte dann mehr Einfluss auf die zukünftige Innen – und Sicherheitspolitik in Thüringen als eine Kraft, die einen Hans-Georg Maaßen zum Innen- oder Justizminister machen könnte (dafür muss Maaßen nicht auf der Liste stehen oder im Landtag sitzen).

Wer ist am besten positioniert?

Dazu muss es aber nicht so kommen, wenn man die Kommunalwahl als Weckruf begreift:

Wenn es eine gemeinsame, offene Liste gibt, diese dann von Seiten thüringischer Industrie halbwegs ordentlich mit Wahlkampfmitteln ausgestattet wird, einen professionellen (!!) und klaren Wahlkampf fährt, dann wird eine freiheitlich-bürgerliche Kraft in Thüringen immer noch, trotz aller Widrigkeiten, für 8-10% und direkte mögliche Mitregierung gut sein – das Achtungsergebnis von Albert Weiler im Landratswahlkampf im Saale-Holzland-Kreis ist mit 13,6% ist hier ein Doppelsignal: Zwar weit davon entfernt wirklich um die Verantwortung zu kämpfen (Weiler ist sogar nur knapp 4. und damit deutlich an der Teilnahme an der Stichwahl gescheitert), aber Albert Weiler und der BI Holzland kommt mit dem beachtlichen Stimmenanteil eine der Schlüsselpositionen für die Stichwahl zu: Es wird für sowohl CDU-Bewerber Waschnewski, als auch AfD-Bewerber Bratfisch wichtig sein, um das „Endorsement“, also die Wahlempfehlung von Weiler und der BI Holzland zu werben.

Aber zurück zur Kernfrage, der Aufstellung des freiheitlich-bürgerlichen Kräfte für die Landtagswahl:

Aus meiner Sicht muss hier vor allem pragmatisch agiert werden: Wer ist am besten positioniert? Wessen Liste kann am leichtesten verbessert und dann empfohlen werden? Nach jetzigem Stand scheint dies in Thüringen die Liste von Bündnis Deutschland zu sein, für die aus meiner Sicht drei Punkte sprechen:

Erstens: Schon die momentan aufgestellte Liste ist ziemlich vorzeigbar und unterscheidet sich damit wohltuend von anderen Listen, die Bündnis Deutschland allein in seinem kleinen Parteigremienkämmerlein ausgebrütet hat. Und sie haben mit Uwe Rückert immerhin eines der Gesichter einer breiteren Aufstellung schon auf der Liste – mit nur einem weiteren Vertreter von dieBasis, Bürger für Thüringen und Werteunion wäre die Idee des Bündnis von Thüringen wiederbelebt.

Und Bündnis Deutschland Thüringen braucht in Thüringen nicht die Unterstützerunterschriften – damit ist noch ein wenig Zeit professionell und diskret eine gute Neuaufstellung der Liste zu verhandeln und dann geräuschlos, frist- und formgerecht umzusetzen. Es kann ja nicht sein, dass immer nur Bündnis Sahra Wagenknecht es schafft halbwegs professionell und politisch konsequent zu agieren.

Natürlich muss auf der wieder aufgestellten, weiter geöffneten Liste auch eine Brücke zur WerteUnion geschlagen werden – aber das ist allen Beteiligten klar. Nur mit einer in Thüringen bekannten Person der WerteUnion kann eine neue gemeinsam unterstützte Liste ehrlich dafür werben, dass Hans-Georg Maaßen als Teil der nächsten Landesregierung wieder für mehr Sicherheit oder vielleicht noch wichtiger mehr Rechtssicherheit in Thüringen sorgt.

Es ist alles eigentlich ganz einfach, es muss nur gemacht werden.

Für Thüringen.

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Vera Lengsfeld, geboren 1952 in Thüringen, ist eine Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages, zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Sie betreibt einen Blog, den ich sehr empfehle.

Bild: Shutterstock

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