„In der Corona-Lage heute beschäftigt uns vor allem auch die Delta-Variante“, sagt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf der Bundespressekonferenz. Er stellt sich selbst die Frage, ob uns ein schwieriger Herbst und Winter bevorsteht, und antwortet darauf: „Die einfache Antwort auf diese Frage ist: Es liegt an uns. Aus einem zu sorglosen Sommer dürfe kein „Sorgenherbst“ werden. Auch weiterhin seien die bestehenden Regeln wichtig, betont Spahn. Reisen sei fast in alle Teile der EU möglich, „aber ich kann nur alle bitten, die Testangebote zu nutzen“, sagt Spahn. Dann geht er auf das Impfen ein, das zentral sei, um die Ausbreitung der Delta-Variante einzudämmen. 28,3 Millionen Deutsche hätten bereits den vollen Impfschutz: „Impfung oder Infektion, das ist die Wahl für jeden einzelnen, und auch für uns als Gesellschaft.“
Auch RKI-Chef Lothar Wieler warnt vor Delta. „Inzwischen ist es so, dass mehr als eine von zehn Proben sequenziert wird“, sagt er. Der Anteil der Delta-Variante nehme zu, so Wieler. Delta noch ansteckender als Alpha: „Das heißt, Delta verbreitet sich noch schneller, vor allem natürlich, in der ungeimpften Bevölkerung. Der Großteil der Fälle ist bislang aufgetreten bei Personen unter 60 Jahren, die meisten Ansteckungen sind aufgetreten im privaten Haushalt. Wir wissen aber auch, dass alle Basismaßnahmen die Ausbreitung von Delta auch verhindern, insbesondere das Tragen eines chirurgischen Mund-Nasen-Schutzes.“ Erstaunlich, dass Wieler hier nicht von FFP2-Masken spricht. Menschen, die vollständig geimpft sind, seien vor einem schweren Verlauf durch Delta geschützt. Menschen, die nur einmal geimpft seien, könnten den Erreger weitergeben. Wieler: „Die Pandemie ist noch nicht vorbei, die Gefahr durch das Virus nicht gebannt. Das Virus wird nicht verschwinden, es wird erst vorbei sein, wenn die meisten Menschen einen Impfschutz haben“.
„Am Freitag endet die letzte Sitzungswoche des Deutschen Bundestages vor der Sommerpause“, sagt Spahn und bedankt sich bei den Volksvertretern. „Die Krise hat auch dem Parlamentarismus einiges abverlangt. Diese Zeit der Krise war und ist eine Zumutung für die parlamentarische Demokratie“, so der Minister: Trotz allem habe man sich aufeinander verlassen können und sei vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen. „Ich möchte mich bei den Abgeordneten aller Fraktionen bedanken, für manche kritische, aber doch konstruktive Diskussion, und vor allem für die Zusammenarbeit. Wir haben gezeigt, dass das Zusammenspiel aus Bund und Ländern auch in einer schweren Situation funktioniert“, so Spahn: „Bei aller Kritik – im Vergleich zu anderen Ländern in Europa und der Welt sind wir bisher vergleichsweise gut durch diese Krise gekommen.“
Professor Leif Erik Sander von der Charité mahnte, es könnten bereits im Herbst für bestimmte Personengruppen neue Auffrischungsimpfungen notwendig sein. Es müssten rasch Studien aufgelegt werden, welche Kombinationen von Impfungen sinnvoll sein könnten. Für eine generelle Auffrischungsimpfung wegen Delta sehe er aber keinen Anlass. Mittelfristig werde es zur Erreichung einer guten Impfquote nötig sein, auch Kindern und Jugendlichen eine Impfung anzubieten.
Für Immungeschwächte mache eine Drittimpfung vor dem Herbst aller Wahrscheinlichkeit nach Sinn, sagte Spahn. Daher sei die Erhaltung der mobilen Impfteams wichtig, „um dann ein solches weiteres Impfangebot zu machen“. Deutschland habe von Anfang „an eine Impfstrategie gehabt, die vorgesehen hat, die Zweitimpfung innerhalb des vorgesehenen Intervalls vorzunehmen“, sagte Spahn. In Großbritannien, wo die Delta-Variante sich rasant ausbreite, haben sich die Verantwortlichen anders entschieden.
„Impfungen alleine werden uns nicht vor einem Anstieg (der Fallzahlen) im Herbst schützen, mahnte Wieler. Die Basismaßnahmen wie die Mund- und Nasenbedeckung oder auch die Tests in den Schulen seien weiter notwendig: „Wir müssen die Basismaßnahmen weiter aufrecht erhalten!“
„Wir haben ja in Israel erstaunlich früh diese Effekte der Impfung gesehen“, ergänzt Sander. An Israel sehe man, dass eine hohe Impfquote nicht ausreiche, um das Infektionsgeschehen zu kontrollieren. Der Professor: „Beunruhigend ist das nicht, das ist eher lehrreich, würde ich sagen“.
„Soll das Testregime bei Reisen verschärft werden?“ fragt Jana Wolf von der Rheinischen Post. „Wir hatten letzten Sommer nur PCR-Tests zur Verfügung und von der Kapazität her die Hälfte der heutigen“, antwortet Spahn. Die Testpflicht vor Abflug nach Deutschland werde weiter aufrechterhalten. „Für zusätzliche Sicherheit“, so der Minister. Er mahne, man solle nicht in Virusvariantengebiete reisen, wenn dies nicht unbedingt notwendig sei.
Ein Kollege fragt, ob es für die nächsten Jahre die Empfehlung gebe, an Schulen Masken zu tragen? „Wir beobachten die Situation die ganze Zeit“, antwortete Wieler. Sicher sei, dass die Infektionszahlen im Herbst wieder steigen würden, das sei normal: „Mit dem Tragen von Masken haben wir ja wirklich ganz viele andere Atemwegsinfektionen sehr gering gehalten.“
[themoneytizer id=“57085-1″]
Bild: Boris Reitschuster
Text: br