Demokratie in Gefahr: Düstere Prognose der Bürgerrechtlerin Die Prophezeiung von Bärbel Bohley und die Brecher des Grundgesetzes

Ein Gastbeitrag von Vera Lengsfeld

Heute vor 79 Jahren wurde die bekannteste Bürgerrechtlerin der DDR. Bärbel Bohley in Berlin geboren. Dort, wo heute das Fest des Grundgesetzes ausgerichtet wird, rund um den Reichstag, spielte Bohley als Kind in den Ruinen. Warum kommt mir das in den Sinn? Weil die Feier des Grundgesetzes etwas Makaberes hat. Sie wird ausgerichtet von denen, die besonders in der Corona-Zeit bedenkenlos das Grundgesetz gebrochen haben, indem sie der Bevölkerung die Grundrechte verweigerten, bzw. nur als „Privileg“ für regierungskonformes Wohlverhalten teilweise gewährten. Die Feier soll das vergessen machen. Die Missachtung des Grundgesetzes hat keineswegs aufgehört, sie wurde und wird in zahlreichen Gesetzesinitiativen der Ampelregierung fortgesetzt. Damit wird eine Politik, die mit der Merkel-Regierung begonnen hat, zum Alltag.

Wer heute das Grundgesetz feiert, kann längst von Staatstrojanern auf dem heimischen Computer überwacht werden. Ein gesetzliches „Betretungsrecht“ erlaubt der Polizei, zur Installierung solcher Trojaner in Wohnungen einzubrechen. Die Große Koalition unter Merkel hat das trotz Warnungen von Staatsrechtlern durchgedrückt. Für alle, die sich nicht betroffen fühlen, sei gesagt, dass Trojaner auch gegen Personen eingesetzt werden können, „gegen die noch kein Tatverdacht begründet“ ist. Aufgrund des Telekommunikationsgesetzes werden Datenpakete und Nutzerverhalten ausgespäht.

„Es kann nicht sein, dass es Bereiche gibt, auf die der Staat keine Zugriffsmöglichkeit hat“, sagte Thomas de Maizière, als er Merkels Innenminister war. Die Fingerabdruckpflicht für Pässe und Personalausweise wurde eingeführt, als wären alle Bürger potentielle Kriminelle. Durch eine Änderung des Arbeitsschutzgesetzes ist es möglich, dass wegen einer „Sicherheitsüberprüfung“ die Unverletzlichkeit einer Wohnung außer Kraft gesetzt werden kann. Innenministerin Faeser fördert mit dem Hinweisgeberschutzgesetz das Denunziantentum im öffentlichen Dienst. Die Bundesregierung arbeitet zur Zeit mit Hochdruck daran, ein „digitales Identitätsökosystem zu errichten, das heißt die Steueridentitätsnummer zur einheitlichen Bürgernummer zu machen, unter der alle Informationen über Einzelne gesammelt und Persönlichkeitsprofile erstellt werden können.

Die Zukunftsvision, die bereits öffentlich ist, lautet: „Da wir genau wissen, was Leute tun und möchten, gibt es weniger Bedarf an Abstimmung und Wahlen“ (Smart City Charta).

Bärbel Bohley hat das kommen sehen. Am Abend des 2.Januar 1992, dem Tag der Stasiaktenöffnung, standen wir nach erster Akteneinsicht vor der Gauck-Behörde, als Bohley zu mir sagte, dass diese Akten sehr genau studiert werden würden und die Methoden der Stasi, besonders die „Zersetzungsmaßnahmen“ in verfeinerter, aktualisierter Form wiederkehren würden. Später hat sie das auch gegenüber anderen geäußert. Chaim Noll zitiert sie: „Alle diese Untersuchungen“, sagte sie, „die gründliche Erforschung der Stasi-Strukturen, der Methoden, mit denen sie gearbeitet haben und immer noch arbeiten, all das wird in die falschen Hände geraten. Man wird diese Strukturen genauestens untersuchen – um sie dann zu übernehmen.“  Leider hat Bohley Recht behalten.

Während das Grundgesetz lautstark gefeiert wird, ist es bedroht wie nie. Die Feinde der Demokratie erkennt man nicht an ihren verkündeten Zielen, sondern an den Methoden, derer sie sich bedienen. Das ist die unverzichtbare Lehre aus zwei Diktaturen des letzten Jahrhunderts.

P:S. Bärbel Bohley war, bevor sie Bürgerrechtlerin wurde, Malerin. Sie hat ihre künstlerische Karriere radikal beendet, um den Kampf für Demokratie und Menschenrechte aufzunehmen. Leider ist ihr künstlerisches Werk fast vergessen. Umso verdienstvoller ist es, dass es in der Klosterscheune Zehdenick mit einer Ausstellung gewürdigt wird. Ich empfehle allen Lesern, diese Ausstellung nicht zu verpassen.

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Vera Lengsfeld, geboren 1952 in Thüringen, ist eine Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages, zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Sie betreibt einen Blog, den ich sehr empfehle.

Bild: Screenshot Youtube-Video Welt Nachrichtensender

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