Von Daniel Weinmann
Während die Montagsdemonstrationen immer mehr Zulauf bekommen, prescht Nordrhein-Westfalen mit härteren Regeln vor. Wer im bevölkerungsreichsten Bundesland gegen die Corona-Maßnahmen demonstrieren oder an einer Versammlung von mehr als 750 Personen teilnehmen will, darf dies künftig nur noch mit negativem Test, vollständiger Impfung oder Genesenenstatus. Teilnehmer ohne entsprechenden Nachweis „sind von der Versammlung auszuschließen”. Zugleich drohen Bußgelder, da die Teilnahme an einer solchen Versammlung „ohne Nachweis” nun eine Ordnungswidrigkeit darstellt.
Diese Verordnung gilt seit vergangenem Mittwoch. Und die darin enthaltenen Schutzmaßnahmen seien voraussichtlich verhältnismäßig, befanden die Richter am Oberverwaltungsgericht Münster in einer am Freitagabend veröffentlichten Entscheidung (Az.: 13 B 33/22.NE). Damit lehnten sie den Eilantrag eines Veranstalters von Anti-Maßnahmen-Demos ab, der seine Grundrechte durch die neue Verordnung verletzt sah. Er hatte kritisiert, dass den Demonstranten die Befolgung von Maßnahmen auferlegt werde, gegen die sie gerade demonstrieren wollten. Zudem tendiere die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung mit dem Coronavirus im Freien gegen Null.
OVG-Richter: Masken behindern nicht das Recht der freien Meinungsäußerung
Der 13. Senat des Gerichts folgte seinen Argumenten nicht. Auch im Freien bestehe bei direktem Kontakt ohne weiteren Schutz ein hohes Infektionsrisiko, so dessen Auffassung. Die Maskenpflicht gebe einer Versammlung grundsätzlich auch kein „Gepräge, das ihrem Zweck oder ihrer Zielsetzung zuwiderläuft“. Den Versammlungsteilnehmern werde durch das Tragen der Maske die Äußerung bestimmter Meinungen weder verboten noch aufgezwungen. Zudem behindere das Tragen der Maske die Teilnehmer einer Demonstration nicht dabei, ihre Meinung frei zu äußern. Der Beschluss ist unanfechtbar.
Ob die Juristen den offenen Brief der Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF) vom April vergangenen Jahres an die damalige Bundesregierung zur Kenntnis genommen haben, erscheint zweifelhaft. Denn darin hieß es, dass das Virus im Freien nur „äußert selten“ übertragen werde und nie zu Clusterinfektionen führe.
Umso bizarrer erscheint vor diesem Hintergrund, dass in Nordrhein-Westfalen die 3G-Regel selbst dann gilt, wenn die Versammlungsteilnehmer im Abstand von mehr als fünf Metern voneinander laufen oder stehen.
»Wie verzweifelt muss man sein, um solche Panikaktionen zu starten?«
Maßnahmen-Kritiker sehen in dem Münsteraner Urteil vor diesem Hintergrund eine weitere Stufe der Grundrechtseinschränkungen, da die Polizei künftig auf Demonstrationen massenhafte Kontrollen der Personalien unter dem Vorwand der 3G-Überprüfung durchführen könne. Zudem würden spontane Teilnahmen an Demonstrationen im Zuge der Testpflicht erschwert.
Der Kölner Rechtsanwalt Dirk Sattelmeier moniert, dass der ursprüngliche Zusatz, wonach die nun rechtskräftigen Einschränkungen nur erforderlich werden dürfen, sofern „…der Sicherheitsabstand voraussichtlich nicht eingehalten werden kann“, ersatzlos gestrichen wurde. Klein beigeben will Sattelmeier nicht. „Glaubt die NRW-Regierung wirklich im Ernst, hierdurch den Protest auch nur im Ansatz eindämmen zu können?“, fragt der Jurist – um gleich nachzulegen: „Wie verzweifelt muss man als verantwortlicher Politiker eigentlich sein, um solche Panikaktionen zu starten?“
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
Bild: Timeckert/Shutterstock, SymbolbildText: dw