Der Antisemitismus-Beauftragte gießt Öl ins Lindemann-Feuer Warum wird die Kampagne gegen Till Lindemann am Laufen gehalten?

Ein Gastbeitrag von Vera Lengsfeld

Die linke Twitter-Blase erregt sich gerade über Claudia Pechstein, eine der erfolgreichsten Sportlerinnen Deutschlands, die auf dem Parteikonvent der CDU die Einhaltung rechtsstaatlicher Normen gefordert hat – in der Uniform einer rechtsstaatlichen Institution. Die Bundespolizei soll, statt sich hinter ihre couragierte Angehörige zu stellen, nun prüfen, ob es Konsequenzen wegen Nichteinhaltung des Neutralitätsgebots geben sollte.

Zeitgleich meldet sich der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zum angeblichen Fall Lindemann zu Wort. Nicht als Privatperson, sondern als Amtsinhaber. Hat sich Lindemann etwa einer antisemitischen Äußerung schuldig gemacht? Nein. Die Argumentation des Antisemitismus-Beauftragten lautet:

»Antidemokratische Diskriminierungen wie Antisemitismus, Frauenverachtung und Rassismus gehen oftmals Hand in Hand«. Nun ist Lindemann wohl eher ein Frauenliebhaber als ein Frauenverächter und nach mehreren Wochen Laufzeit des „Skandals“ wird noch immer nur wiederholt:

„In den vergangenen Wochen hatten mehrere Frauen Rammstein-Sänger Till Lindemann sexuelle Übergriffe und Machtmissbrauch vorgeworfen. Sie schildern etwa Situationen, die sie teils als beängstigend empfunden hätten. Junge Frauen seien während der Konzerte ausgewählt und gefragt worden, ob sie zur After-Show-Party kommen wollten. Dabei soll es nach den Angaben einiger Frauen auch zu sexuellen Handlungen gekommen sein, teilweise unter Einfluss von Drogen.“ (Spiegel-Online am 18.06. 2023).

Es scheint sich keiner der teils anonymen Vorwürfe erhärtet zu haben, das hätten wir längst erfahren. Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen Lindemann „von Amts wegen“. Das tut sie öfter auf politische Anweisung. Laut „Tagesspiegel“ soll die parteilose Justizsenatorin Felor Badenberg die Mitglieder des Rechtsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus unter Ausschluss der Öffentlichkeit informiert haben. Das wurde der Öffentlichkeit umgehend zur Kenntnis gegeben.

Vorher hatte die Innensenatorin Iris Spranger auf Twitter kundgetan, dass es in Liegenschaften in Berlin, die sie verantworte, keine Aftershowpartys geben werde. Ein wirklich handfester Anfangsverdacht scheint sich auch aus den vorliegenden Strafanzeigen nicht zu ergeben.

Trotzdem sind von verschiedener Seite schon Verbote von Rammstein-Konzerten gefordert worden.

Nun auch vom Antisemitismus-Beauftragten, der, wenn man Spiegel-Online glauben darf, die Missachtung rechtsstaatlicher Normen fordert. Das Portal berichtet:

„Unabhängig davon, ob die Vorwürfe gegen Till Lindemann sich bewahrheiten, sollten die betroffenen Frauen ernst genommen werden, »genauso wie wir Jüdinnen und Juden ernst nehmen sollten, wenn es um Antisemitismus geht«, so Klein. »Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Grenzen des Sag- und Machbaren immer weiter verschoben werden, auch wenn das unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit geschieht.“

Also: keine Unschuldsvermutung für Lindemann!

Der Antisemitismus-Beauftragte hätte wirklich mehr als genug zu tun, wegen der Gefahren, denen Jüdinnen und Juden durch importierten Antisemitismus ausgesetzt sind. Es hat Jahre gedauert, ehe der antisemitische Al-Quds-Marsch in Berlin nicht mehr stattfand. In diesem Jahr nur, weil die Anmeldung für den 15. April von den Veranstaltern wieder zurückgenommen wurde. Wie der Vorsitzende des Zentralrats der deutschen Juden Dr. Josef Schuster auf Twitter schrieb: “Die Absage der Al-Quds-Demo durch die Organisatoren ist gut. Wir sollten uns aber nicht vormachen, dass das Denken und der Hass, der dahintersteht, einfach so verschwindet.”

Ein weites Feld also, das vom Antisemitismus-Beauftragten beackert werden müsste.

Klein behauptet, dass „Rammstein mit perfider Vernichtungslager-Optik die Opfer der Schoah verhöhnte“. Gemeint ist das Video zu dem Song »Deutschland«, in dem sich die Bandmitglieder 2019 als KZ-Insassen gezeigt hatten. Das hat eine heftige Diskussion ausgelöst, die zu einem anderen Ergebnis geführt hat.

Warum wird die Kampagne gegen Till Lindemann und jetzt auch Claudia Pechstein mit allen Mitteln betrieben und am Laufen gehalten?

Heute morgen wurde in MDR-Kultur die steile These verbreitet, die Ossis seien so eine Art Problembären Deutschlands (meine Worte!). Wegen ihrer Diktaturerfahrung würden sie ständig widersprechen, wären permanent „neben der Spur“, wie man am sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer sehen könnte, der in seinen Videos immer neben der CDU-Parteilinie sei. Die These ist deshalb so steil, weil zur Diktaturerfahrung eben gehörte, dass man nicht widersprechen durfte. Der Obrigkeit nicht zu widersprechen wird zur neuen Tugend erklärt, der sich die Westdeutschen, im Gegensatz zu den Ossis befleißigen. Es ist die Erfahrung einer friedlichen Beseitigung der Diktatur, die Ostdeutsche befähigt hat, nicht einfach zu gehorchen, sondern die Obrigkeit kritisch zu hinterfragen. Gut so.

Aber warum der Hass auf Lindemann und Pechstein? Keine westdeutsche Band hat jemals einen solchen dauerhaften Welterfolg erlangt – das auch noch mit deutschen Texten. Was trauen sich diese Ossis? Dann ist nach wochenlanger Kampagne Lindemann immer noch nicht eingeknickt und hat ihr mit einem tränenreichen Geständnis Legitimation verliehen.

Da wird eben das neue Folterinstrument gezeigt: Verbote. Das war bei den Hexenprozessen auch so: Der Angeklagten wurde vor jeder Runde das neue Instrument gezeigt und erklärt, wie es wirkt und welche Schmerzen es verursacht. Dann konnte die Delinquentin immer noch entscheiden, ob sie es nicht vorzieht, sofort den Scheiterhaufen zu besteigen.

Pechstein und Lindemann vereint, dass sie beide dem öffentlichen Druck widerstanden haben. Pechstein hat sich sogar nach jahrelanger Sperre wieder die Zulassung zu internationalen Wettbewerben erkämpft. Das hätte sie nicht gekonnt, wenn sie eingeknickt wäre.

Lindemann kann man nur wünschen, dass er dem Druck weiter standhält. Die Berliner Konzerte, die nach Meinung des Antisemitismus-Beauftragten verboten werden sollen, finden hoffentlich statt. Sie sind leider ausverkauft. So kann ich nur hoffen, dass es stimmt, was in der Kampagne behauptet wird, dass Fans ihre Karten loswerden wollen. Ich würde glatt eine kaufen und mich in die erste Reihe stellen. Altersdiskriminierung ist ja Lindemann noch nicht vorgeworfen worden.

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Vera Lengsfeld, geboren 1952 in Thüringen, ist eine Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages, zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Sie betreibt einen Blog, den ich sehr empfehle. Der Beitrag erschien zuerst auf Vera Lengsfelds Blog.

Bild: fornStudio/Shutterstock

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