Von Daniel Weinmann
Die milliardenschweren Corona-Impfstoff-Käufe der EU sind endlich ins Visier der Justiz geraten. Es könnte eng werden für Ursula von der Leyen. Die merkwürdige Geheimniskrämerei der EU-Kommissionspräsidentin und früheren Bundesverteidigungsministerin hat die Europäische Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen. Die Behörde bestätigte, dass sie „Ermittlungen über den Erwerb von Covid-19-Impfstoffen in der Europäischen Union“ führt.
Zwar wurden keine Details mitgeteilt. Doch einiges spricht dafür, dass der von der deutschen CDU-Politikerin eingefädelte Mega-Deal im Mittelpunkt steht: 1,8 Milliarden Corona-Impfstoff-Dosen von Biontech/Pfizer sollen bis 2023 geliefert werden, – die die Steuerzahler 35 Milliarden Euro kosten.
Das Prozedere stand immer wieder in der Kritik, weil die Verträge nur teilweise öffentlich gemacht worden waren und es Verzögerungen bei der Lieferung des Vakzins gab. Ausschlaggebend für den Abschluss war laut „New York Times“ der persönliche Kontakt zwischen von der Leyen und Pfizer-Boss Albert Bourla, der zu den wichtigsten Protagonisten der internationalen Impfstoffszene zählt. Bourla sprach gegenüber dem viel beachteten Traditionsblatt von einer „engen Verbindung“ mit der Kommissionspräsidentin, die sich durch Telefonate und SMS etabliert habe. Man habe „ein tiefes Vertrauen zueinander aufgebaut, weil wir tiefgreifende Diskussionen geführt haben.“
»Es ist nicht normal, dass die Kommissionspräsidentin mit dem Vorstandschef direkt verhandelt«
Unterdessen bezichtigte die Verbraucherorganisation SumOfUs in Washington von der Leyen, gegenüber dem Pfizer-Chef einer kräftigen Preiserhöhung zugestimmt zu haben, obwohl angesichts der exorbitanten Bestellmenge ein Rabatt angebracht gewesen wäre. Von der Leyen hüllt sich über den Inhalt der Gespräche und Textnachrichten in Schweigen. Man besitze die Korrespondenz nicht, heißt es lapidar bei der EU-Kommission. Kurznachrichten wie SMS seien „von Natur aus“ kurzlebig und würden nicht unter die aus dem Jahr 2001 stammenden Transparenzregeln der EU fallen.
Die französische Europa-Parlamentarierin Michèle Rivasi forderte deshalb erst im September, die Europäische Staatsanwaltschaft oder die EU-Betrugsbehörde „OLAF“ einzuschalten. “Es ist nicht normal, dass die Kommissionspräsidentin mit dem Vorstandschef direkt verhandelt, auch über die Preise“, wetterte die Grünen-Politikerin, „es gibt doch Regeln”.
Neben der EU-Kommissionspräsidentin könnten die Staatsanwälte auch die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides ins Visier nehmen, auf deren Bankkonto vier Millionen Euro geflossen sein sollen. Kyriakides soll im Zusammenhang mit der Zahlung fehlerhafte und verspätete EU-Verträge über die Lieferung von Impfstoffen unterzeichnet haben.
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Es ist nicht das erste Mal, dass Ursula Gertrud von der Leyen mit angeblich verschwundenen SMS für heftige Kritik sorgt. Schon in ihrer Zeit als Verteidigungsministerin 2019 wurden die Daten auf einem ihrer Mobiltelefone „irrtümlich“ gelöscht. Das Verteidigungsministerium begründete dies mit einem „Sicherheitsvorkommnis“.
Bliebt zu hoffen, dass die in Luxemburg angesiedelte Europäische Staatsanwaltschaft ihrer Rolle als „unabhängige Einrichtung der Europäischen Union zur Bekämpfung von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union“ gerecht wird. Ob die Wahrheit dereinst tatsächlich ans Licht kommt, ist jedoch zu bezweifeln. Vetternwirtschaft und Korruption scheinen zum Alltag der EU-Kommission zu gehören – und nirgends ist der Filz so dick und der Polit-Sumpf so tief wie in der Chefetage. Paradigmatisch dafür steht, wie Ursula von der Leyen binnen weniger Tage von der Position als deutsche Verteidigungsministerin in das mächtigste Amt der EU gehievt wurde. Doch das ist eine andere Geschichte.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
Bild: Alexandros Michailidis/Shutterstock