Der Jude als Feind "Putins Demokratur" – mein Bestseller jetzt kostenlos für Sie. Teil 23

Lesen Sie heute Teil 23 von „Putins Demokratur“. Warum ich Buch hier auf meiner Seite veröffentliche, können Sie hier in meiner Einleitung zum ersten Beitrag finden. 

Wladimir Putins Worte gingen um die Welt. Es war in Polen, am 27. Januar 2005. Die führenden Politiker der Welt waren gekommen, um zum Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz der Opfer zu gedenken. Wladimir Putin hielt eine kurze, aber große Rede. Er schäme sich dafür, dass es auch in Russland Antisemitismus, Nationalismus und Fremdenhass gebe, sagte der Präsident.

Zwei Wochen vor Putins Rede war bei der russischen Generalstaatsanwaltschaft ein Brief eingegangen. »Zum Schutz unserer Heimat«, hieß es dort, müsse dringend »eine Strafsache über das Verbot aller religiösen und nationalen jüdischen Vereinigungen« als extremistische Organisationen eingeleitet werden. Die jüdische Religion sei nicht nur antichristlich und menschenfeindlich, hieß es weiter. Die Juden selbst übten Anschläge auf Synagogen aus und schändeten eigenhändig ihre Friedhöfe, um Strafmaßnahmen gegen russische Patrioten zu provozieren. »Realer jüdischer Chauvinismus« und Unverfrorenheit seien dafür verantwortlich, dass nach dem Zerfall der Sowjetunion das Staatseigentum geplündert worden sei. Um das Raubgut und die Macht zu behalten, vernichte die herrschende jüdische Schicht die Sittlichkeit und die geistigen Werte der Russen und versuche das Volk in eine tierische Masse ohne Glauben und Tradition zu verwandeln.

Hinter diesen demagogischen Zeilen stand keineswegs ein anonymer Verfasser. Der Brief erschien in der Zeitung Orthodoxe Rus und trug 500 Unterschriften. Der Oberrabiner Russlands nannte die Unterzeichner »psychisch abnormale Leute, die ärztliche Hilfe brauchen«. Die Worte des Oberrabiners hätte man auch als Beleidigung des Parlaments auffassen können. Denn auch 19 Abgeordnete – überwiegend aus der damals noch vom Kreml gesteuerten Vaterlandspartei – hatten unterschrieben. Deren Vizechef gibt rassistische Literatur heraus und schreibt in seinen Artikeln unter anderem, »Russen repräsentierten einen rassisch reinen, homogenen, vornehmlich nordischen Zweig der europiden Rasse«, und dieses Erbe müsse »vor der Zerstörung durch Migrantenfluten beschützt werden«.

Am 25. Januar zogen die Abgeordneten ihre Unterschriften unter dem Brief zurück. Der Empfänger des Schreibens, Generalstaatsanwalt Wladimir Ustinow, wiegelte ab. Es sprach von »Küchenunterhaltungen«, die keine Aufmerksamkeit wert seien.

Seine Untergebenen sehen die Sache etwas anders: Die Ankläger im Moskauer Bauman-Bezirk leiten Vorermittlungen gegen die Herausgeber eines jüdischen Moralkodex ein, der in dem Brief attackiert wird, und bestellen tatsächlich einen Rabbi zum Verhör, um allen Ernstes die Vorwürfe der Antisemiten aus ihrem Schmähbrief zu prüfen. Fünf Monate später, im Juni, beschließt die Staatsanwaltschaft, kein formelles Ermittlungsverfahren zu eröffnen – weder gegen die Juden noch gegen die Schreiber des Schmähbriefes.

Am 4. Februar geht die Mehrheit der Duma-Abgeordneten auf Distanz und verurteilt den Brief. Das russische Außenamt kritisiert das Schreiben als offen antisemitisch. Kurz zuvor hatte das gleiche Ministerium den Antisemitismusbericht des US-Außenministeriums, der einige kritische Bemerkungen zu Russland enthielt, in scharfer Form zurückgewiesen. Washingtons Sorgen seien »künstlich«, hieß es in dem Schreiben, Skinheads gebe es überall, »Schulmeisterei und grundlose Beschuldigungen« der USA verbitte man sich.

Einer der Unterzeichner des Schmähbriefes ist Wladimir Schirinowski, der ewig heisere Chef der Liberaldemokraten. Vieles spricht dafür, dass es sich bei dieser radikalen Partei ohne Programm um ein Geschöpf des KGB handelt. Schirinowski äußert regelmäßig radikale Parolen, und er rief schon mal im Fernsehen dazu auf, die georgische Hauptstadt Tiflis zu bombardieren und Deutschland zu erobern. Schirinowski kritisiert den Kreml dort, wo es nicht weh tut, ist aber bei wichtigen Abstimmungen in der Duma immer auf Kremlkurs. Schirinowski klagt, die Juden hätten die Weltherrschaft erobert. Der Exzentriker, den viele für einen Politclown halten, äußerte öffentlich Bewunderung für Hitler. Er warf Juden vor, den Holocaust provoziert zu haben und Russland zu ruinieren, indem sie russische Frauen zur Prostitution zwingen und russische Kinder verkaufen.

Im April 2006 wird Schirinowski von Präsident Putin mit dem Orden »Für Verdienste um das Vaterland« vierten Grades ausgezeichnet. In Deutschland wird darüber nicht berichtet. Unter der Überschrift »Putin beschwört Einheit im Kampf gegen Extremismus« läuft dagegen einen Monat später, am »Tag des Sieges« über Hitler-Deutschland, die Meldung einer großen deutschen Nachrichtenagentur über eine Rede Putins auf dem Roten Platz über den Ticker. Der Staatschef habe vor Tausenden Soldaten davor gewarnt, dass »Rassenhass, Extremismus und Fremdenfeindlichkeit« in eine Sackgasse führten. Auf der Website des Präsidenten sind Passagen aus der Rede zu finden, die in Deutschland nicht zitiert werden: »Heute sind die Söhne und Enkel der Soldaten des Großen Vaterländischen Krieges bei der Parade. Sie marschieren im Namen des Sieges. Sie sind bereit, Heimat, Souveränität und Ehre des Vaterlandes zu verteidigen. Bereit, wie sie [die Kriegsteilnehmer] zu leben, zu arbeiten und zu siegen.«

2003 erscheint in Moskau der Einführungsband für eine neue »Große Enzyklopädie des russischen Volkes«, die von orthodoxen Kirchenkreisen finanziert wird. Russland werde seit Jahrhunderten und bis heute von einem inneren »satanischen« Widersacher bedroht, hinter den man leicht »den Juden« identifizieren könne, auch wenn er als »Freimaurer«, als »Bolschewik«, als »Kosmopolit« oder »Liberaler« auftrete. Russische Schriftsteller jüdischer Herkunft wie Boris Pasternak, Josef Brodsky und Ossip Mandelstam werden in dem Buch ignoriert. Für die Poeten Nikolaj Kljujew und Sergej Jessenin bringen die Autoren hingegen Sympathie auf, weil sie angeblich wegen ihrer »rechtgläubigen völkischen Überzeugungen« von »jüdischen Bolschewiken« umgebracht worden seien. Die Enzyklopädie würdigt sogar Sergej Nilus, einen Beamten der Moskauer Synodalkanzlei. Der hat 1905 eine Fassung der »Protokolle der Weisen von Zion« herausgegeben. Es handelt sich dabei um gefälschte Niederschriften einer jüdischen Geheimversammlung, die angeblich 1897 in Basel stattfand und die Errichtung der jüdischen Weltherrschaft plante. Die Protokolle zählen zu den Schlüsseldokumenten des Antisemitismus. Anders als die jüdischen Schriftsteller findet Stalin die ungeteilte Anerkennung der Autoren. Er habe den Kommunismus in ein rettendes »Instrument russisch-nationaler Politik« umgeschmiedet und damit die Heimat von den »jüdischen und kosmopolitischen Kräften der bolschewistischen Partei« befreit. Die mehr als tendenziöse Enzyklopädie löst in den gesteuerten Medien weder laute Kritik noch eine Debatte aus. Unter Trommelwirbel marschieren am 4. November 2005 rund 2000 junge Männer durch die Moskauer Innenstadt. Es ist Nationalfeiertag, und sie skandieren Parolen wie »Russland gehört uns« oder »Ruhm dem Imperium« und »Russe, steh auf!«. Organisiert haben den Aufmarsch rechtsradikale Vereinigungen. Die Miliz lässt die Marschierenden gewähren. Etwas anderes bleibt ihr aber auch kaum übrig: Die Moskauer Stadtverwaltung hat die Demonstrationen genehmigt.

Nicht immer sind die Behörden so tolerant. Als die liberale Opposition drei Wochen später mit einem »antifaschistischen Marsch« durch Moskau antworten will, zeigt sich die Stadtverwaltung mit einem Mal weniger verständnisvoll. Sie erteilt lediglich eine Genehmigung für eine sehr kleine, etwas abseits gelegene Strecke. Die Organisatoren halten die Entscheidung der Behörde für illegal. Am 27. November versammeln sich 250 Demonstranten vor dem Rathaus, um gegen Faschismus zu demonstrieren. Sofort fahren mehrere Busse mit OMON-Sondereinheiten der Miliz vor – den Männern fürs Grobe. Sie reißen den Demonstranten ihre Plakate aus den Händen, nehmen einige Dutzend Personen fest und schlagen einem Teilnehmer so brutal auf den Kopf, dass er mit Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert werden muss. Im Herbst 2005 geht wieder ein Protestschreiben bei der Generalstaatsanwaltschaft ein. Unterzeichnet haben unter anderem der Russische Jüdische Kongress und das Moskauer Menschenrechtsbüro. Sie klagen über die zahlreichen antisemitischen und fremdenfeindlichen Schriften auf der Moskauer Buchmesse. Niemals zuvor seien »auf dem wichtigsten staatlichen Bücherforum derart viele nationalistische, antisemitische und andere radikale Bücher ausgestellt worden«, klagen Beobachter. Weder die Staatsanwaltschaft noch der Verlegerverband, an den eine Kopie ging, antworten auf den Brief. Dass es so viel antijüdische Literatur gebe und sie stark nachgefragt werde, liege auch am »täglichen Antisemitismus«, der im Lande herrsche, klagt eine Sprecherin des Jüdischen Kongresses. Selbst im Foyer der Staats-Duma sind an einem Bücherstand Werke wie die von der orthodoxen Kirche initiierte »Kriminelle Geschichte des Judentums« (erschienen 2005) und »Der Zionismus im System des Antikommunismus« (erschienen 2003) erhältlich. Der Antisemitismus macht auch vor Tochterfirmen deutscher Unternehmen in Russland nicht halt – etwa im Falle eines großen Münchner Versicherungskonzerns. Als eine deutsche Führungskraft in Moskau einen neuen Mitarbeiter einstellen will, lehnen die Kollegen mit der Begründung ab: »Der ist doch Jude«, und weisen ihn darauf hin, »dass es keine Juden im Haus gibt«.

Am 11. Januar 2006 stürmt ein junger Mann in die Moskauer Synagoge an der Bolschaja Bronnaja und sticht unter den Worten »Heil Hitler« mit einem Messer auf die Gläubigen ein. Acht Menschen, darunter der Rabbiner, werden schwer verletzt. Der Vater des Attentäters sagt später, sein Sohn habe antisemitische Literatur gelesen. Zeitungsberichten zufolge zeigt der 20-Jährige keinerlei Reue. Den Ermittlern sagt er: »Ich habe meinen Platz im Leben nicht gefunden. Es sind die Ausländer, die uns Russen hindern, normal zu leben – Schwarze, Chinesen und Juden.« Ein Blick auf die Fakten zeigt, wie absurd solche Vorwürfe sind. Laut dem Ergebnis der Volkszählung von 2002 leben in Russland mit seinen 143 Millionen Einwohnern gerade einmal 234 000 Juden und machen damit 0,2 Prozent der Bevölkerung aus. Die jüdische Gemeinde hält die offiziellen Zahlen für falsch und schätzt die Zahl der Juden in Russland auf eine Million – aber auch das wäre deutlich unter einem Prozent der Gesamtbevölkerung.

In Russland leben auch Zehntausende israelische Staatsbürger, zum größten Teil ehemalige Emigranten, die meist aus beruflichen Gründen nach Russland zurückgekehrt sind.

Den vorherigen, zweiundzwanzigsten Teil – Der kaukasische Teufelskreis – finden Sie hier.
Den ersten Text der Buchveröffentlichung finden Sie hier

“Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd“

sagt ein altes chinesisches Sprichwort. Bei uns ist es wohl eher ein guter Anwalt – und der kostet Geld. Augsburgs CSU-Oberbürgermeisterin Eva Weber hat mich gerade angezeigt, weil ich es gewagt habe, ihre Amtsführung zu kritisieren. Es geht um mehr als nur diesen Fall. Es geht um das Recht, Kritik an den Mächtigen zu üben, ohne kriminalisiert zu werden. Helfen Sie mir, dieses wichtige Recht zu verteidigen! Jeder Beitrag – ob groß oder klein – macht einen Unterschied. Zusammen können wir dafür sorgen, dass unabhängiger Journalismus stark bleibt und nicht verstummt. Unterstützen Sie meine Arbeit:

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