Von reitschuster.de
Es ist ein Anblick, der nicht nur verstört, sondern geradezu skurril wirkt: Zwei bis an die Zähne bewaffnete Wachtmeister führen jeden einzelnen Angeklagten an den Armen in den Gerichtssaal – und das inmitten von Dutzenden weiterer Sicherheitskräfte. Jeder Toilettengang, jeder Schritt in den Saal, jedes Verlassen des Raumes wird von diesem martialischen Schauspiel begleitet. Die Szene spielt in einer extra dafür errichteten Gerichtsbaracke im Industriegebiet von Frankfurt-Sossenheim, umgeben von Stacheldraht und Überwachungskameras. Doch das eigentliche Schauspiel liegt weniger in der Sicherheit – es liegt in der schieren Absurdität dessen, was hier geschieht.
Denn die Angeklagten, darunter der 73-jährige Heinrich XIII. Prinz Reuß, sind keine RAF-Terroristen. Sie haben weder Morde begangen, noch Bomben gelegt, noch Staatsgeheimnisse verraten. Es gibt nicht einmal Beweise für einen ernsthaften Versuch eines Umsturzes. Dennoch werden sie behandelt wie die größten Staatsfeinde der Geschichte – ein Bild, das die Berichterstattung der großen Medien zurückhaltend beschreibt. Das aber jetzt die Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen in der „Welt“ scharf, ja sarkastisch seziert. Besonders bemerkenswert daran: Es ist Deutschlands wohl bekannteste Gerichtsreporterin, die jahrzehntelang für den „Spiegel“ berichtete und jeder rechter Umtriebe unverdächtig ist, die diesen Prozess in einem Artikel, der leider hinter einer Bezahlschranke steht, regelrecht zerlegt. Und die gesamte Justiz dabei splitternackt dastehen lässt.
Die Farce hinter den Mauern
Was hinter den Mauern dieser Hochsicherheitsanlage geschieht, ist in der Tat bemerkenswert. Laut Friedrichsen beginnt die Inszenierung schon in der Untersuchungshaft: nackt ausziehen, Körperöffnungen untersuchen, permanente Durchsuchungen – selbst nach Gesprächen mit Anwälten. Und dann die Verhaftungsshow: Spezialeinheiten stürmten mit – gegen alle rechtsstaatlichen Regeln – vorab informierten Kamerateams Wohnungen und führten – wie im Fall von Prinz Reuß – den Angeklagten gefesselt ab, vor den Augen seiner Tochter mit Down-Syndrom. Diese Inszenierung wiederholte sich mehrfach, stets begleitet von der öffentlichen Botschaft: Seht her, der Staat greift hart durch.
Doch was wird den Angeklagten vorgeworfen? Weder Gewalt noch Waffenbesitz noch konkrete Pläne zum Sturz der Regierung wurden nachgewiesen. Stattdessen bewegen sich die Vorwürfe auf einer nebulösen Ebene von Fantastereien – von einer „galaktischen Allianz“, die Kinder aus unterirdischen Tunneln retten und die Regierung stürzen sollte.
Wie Gisela Friedrichsen betont, sind es nicht die Beweise, die in diesem Prozess die Triebfedern sind – wie es eigentlich sein sollte. Es ist der Zeitgeist. „Was hier verhandelt wird, ist keine konkrete Bedrohung, sondern die Angst vor den Ideen der Angeklagten“, so die renommierte Gerichtsreporterin. Wie schade, dass Friedrichsens fundierte Analyse nur für Abonnenten zugänglich ist – aber zumindest die Grundzüge sind nun ja hier nachlesbar.
Staatsanwaltschaft demaskiert sich selbst
Besonders bezeichnend ist die Rolle der Staatsanwaltschaft. Einerseits wird dieser Prozess als einer der größten Terrorprozesse der Nachkriegsgeschichte dargestellt – andererseits lehnt die gleiche Behörde ab, den Prozess audiovisuell aufzuzeichnen. Begründung: Es handle sich um ein Verfahren ohne „überragende gesellschaftliche Bedeutung“. Wie passt das zusammen? Ein Prozess, der laut Anklage ein Bedrohungsszenario für die gesamte Republik beschreibt, soll plötzlich keine öffentliche Relevanz haben?
Diese Haltung macht deutlich, dass es hier nicht um Fakten geht, sondern um Symbolik. Die Staatsanwaltschaft, die der Landesregierung gegenüber weisungsgebunden ist, hat die Dimension dieses Prozesses selbst ad absurdum geführt. Es geht nicht um die Aufklärung eines vermeintlichen Staatsstreichs, sondern um die Demonstration staatlicher Macht und rot-grüner Ideologie – koste es, was es wolle.
Millionen für eine Inszenierung
Diese Demonstration hat einen hohen Preis: Ein eigenes Gerichtsgebäude wurde eigens für den Prozess errichtet. In einem Land, in dem oft Geld für Schulen, Straßen oder Krankenhäuser fehlt, werden hier Millionen für ein Verfahren ausgegeben, dessen Grundlage mehr als fragwürdig ist. Dabei bleibt ein bitterer Nachgeschmack: Wie würden die gleichen Mittel gegen Clankriminalität oder andere reale Bedrohungen eingesetzt werden?
Die Leserkommentare in der „Welt“ sprechen eine klare Sprache:
– „Einer der lächerlichsten Prozesse, die es je in Deutschland gab. Was dort an Steuergeldern verschwendet wird, ist absurd“ (Steffen M.).
– „Die Inszenierung begann schon bei den Verhaftungen und wird hier weitergeführt. Eine Farce, die jeder Rechtsstaatlichkeit widerspricht“ (Lutz G.).
– „Die eigentliche Gefahr für die Demokratie sind nicht diese Angeklagten, sondern ein Staat, der solche Prozesse inszeniert“ (Angela A.).
Eine Frage des Vertrauens
Der Fall um Prinz Reuß zeigt vor allem eines: Ein Rechtsstaat, der sich selbst so inszeniert, ist keiner mehr – sondern eher ein Linksstaat. Wer solche Farcen aufführt, wird es schwer haben, in echten Krisen überzeugend zu bleiben. Die großen Enthüllungen, die für diesen Prozess angekündigt waren, sind in sich zusammengefallen wie ein Soufflé, das man viel zu früh aus dem Backofen holt. Das ganze Verfahren hat schon jetzt mehr Fragen aufgeworfen, als es beantwortet hat.
Wenn selbst Gisela Friedrichsen als bekannteste Gerichtsreporterin des Landes in einem Text derart hart mit dem ganzen Verfahren ins Gericht geht und von einem „absurden Theater“ spricht, sollte auch dem letzten, der sein Gehirn nicht an der rot-grünen Ideologie-Kasse abgegeben hat, klar werden, was hier für ein finsteres Spiel gespielt wird. Unwillkürlich drängen sich sogar Assoziationen mit Schauprozessen in anderen Zeiten auf – trotz aller Unterschiede scheint doch ein gemeinsamer Wesenskern vorhanden – dass es mehr um Show geht als um Gerechtigkeit. Zumindest der Staatsanwaltschaft. Es liegt nun an den Richtern, diesem grotesken Schauspiel ein Ende zu bereiten und zu beweisen, dass es eben doch einen großen Unterschied zu den Schauprozessen gibt, die wir aus der Geschichte kennen.
Angesichts der massiven Ressourcen, die in diesen Prozess fließen, bleibt die Frage: Wäre diese Energie nicht besser in echten Kampf gegen Kriminalität investiert? Insbesondere in Zeiten, wo selbst Kinderschänder und Vergewaltiger aufgrund fehlender Ressourcen der Justiz frei herumlaufen? Oder ist das wahre Ziel dieses Prozesses, die Aufmerksamkeit auf einen imaginären Feind zu lenken, um von echten Problemen abzulenken? Was auch immer man für eine Antwort für sich findet: Der „Reichsbürger-Prozess“ wird wohl als eines der peinlichsten Kapitel der bundesdeutschen Justizgeschichte in deren Annalen eingehen.
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