Von Daniel Weinmann
William „Bill“ Henry Gates III wollte schon immer ganz hoch hinaus: ob als Hersteller des in mindestens jedem zweiten Computer auf diesem Planeten verbauten Betriebssystems Windows, ob mit 100.000 Hektar größter privater Ackerlandbesitzer in den USA, als Protagonist einer der teuersten Scheidungen der Welt – oder als Heilsbringer in Zeiten der Pandemie.
Ansteckende Krankheiten sind für den selbsternannten Philanthropen „eine Art Obsession“. Stundenlang könne er Bücher und wissenschaftliche Fachartikel dazu lesen oder sich auf Webseiten mit Datensammlungen dazu herumtreiben. Dies erfahren die Leser seines Buches „Wie wir die nächste Pandemie verhindern können“, das vor wenigen Tagen zeitgleich zum englischen Original im Piper-Verlag auf Deutsch erschienen ist. Darin hat der gern sehr gütig dreinschauende Multimilliardär zu Papier gebracht, was er in den vergangenen beiden Jahren der Coronakrise gelernt hat.
Schon an einem Freitagabend Mitte Februar 2020, schreibt Gates, wurde ihm bei einem Dinner klar, „dass sich Covid-19 zu einer globalen Katastrophe auswachsen würde“. Der Mann, der ausschließlich im Großen denkt, hatte nur wenig später eine Antwort parat, die seinem Selbstverständnis als Retter der Welt gerecht wird. „Wir wollen den Impfstoff letztlich sieben Milliarden Menschen verabreichen“, sagt er im Interview der Tagesthemen am 14. April 2020 wörtlich zu Moderator Ingo Zamperoni.
Präventionstruppe für globale Antworten und Mobilisierung bei Epidemien
Kaum überraschend, dass das zentrale Anliegen seines neuen Buchs darin besteht, einen Masterplan zu entwerfen, nach dem es möglich ist, Pandemien in Zukunft zu vermeiden. Der wichtigste Baustein dieser Strategie ist eine weltweite Expertenkommission, die Gates als GERM-Team bezeichnet. Germ, zu deutsch „Keim“ oder „Krankheitserreger“, ist die Abkürzung von „Global Epidemic Response and Mobilization“.
Dahinter verbirgt sich eine Präventionstruppe für „globale Antworten und Mobilisierung bei Epidemien“, gleich einer schnellen Eingreiftruppe für Epidemien, die Ausbrüche identifiziert, mit drastischen Maßnahmen bekämpft, globale Datenbanken unterhält – und bei Bedarf weitere Schritte wie Impfstoffentwicklungen und Impfkampagnen organisiert. Die Suche nach neuen Wirkstoffen müsse beschleunigt und die Impfstoffherstellung vorbereitet werden, betont der Impf-Fetischist.
Für die Diffamierungen durch „Impfgegner und Verschwörungstheoretiker“ hat Gates wenige Verständnis. Er habe „staunen“ müssen, wie oft er zum „Objekt wilder Verschwörungstheorien“ geworden sei, schreibt der Sohn einer Lehrerin und eines wohlhabenden Rechtsanwalts.
Brisant: Das GERM-Team soll im Rahmen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) agieren, die 2020/2021 Zuwendungen in Höhe von 772 Millionen Dollar von der „Bill & Melinda Gates Stiftung erhielt. Nur die amerikanische Regierung hatte mehr gespendet.
Absolutistische Allmachtsphantasien
Kaum Wunder, dass das GERM-Team eine tragende Rolle in Gates‘ Masterplan spielt. Es soll die Einsatzbereitschaft der Länder „überprüfen“ und Übungen „leiten“. Auf internationaler Ebene soll das Team mit dem Mandat ausgestattet werden, „einen Plan zur Eindämmung eines Ausbruchs zu erarbeiten und umzusetzen.“ Dazu zählt, zu erkennen, welcher Ausbruch zu einer Pandemie werden kann und umgehend die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten. Dazu zählen – wie könnte es anders sein – Tests, Quarantäne, Schulschließungen und die schnelle Medikamenten- und Impfstoffentwicklung.
Wie die auf diese Weise beglückte Bevölkerung darauf reagiert bzw. von diesem Konzept überzeugt werden soll, spielt für Gates keine Rolle. Für persönliche Freiheit und Eigenverantwortung sieht sich der Harvard-Abbrecher augenscheinlich nicht zuständig.
Auch die politischen und gesellschaftlichen Kosten einer solch brachialen Seuchenbekämpfung bleiben offen. Wichtig ist allein, dass die GERM-Eingreiftruppe alles, was nach einem Ausbruch aussieht, möglichst schnell und dafür auch mit drakonischen Maßnahmen ausmerzt.
Gates‘ Buch wird vermutlich bei den meisten Lesern auf Beifall stoßen. Sie täten besser daran, die absolutistischen Allmachtsphantasien des Menschenfreundes von eigenen Gnaden zu hinterfragen.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
Bild: Frederic Legrand – COMEO/ShutterstockText: dw