Ein Gastbeitrag von Dr. med. Friederike Kleinfeld
Die Daten aus dem Nebenwirkungsbericht von Pfizer/Biontech stammen aus dem Zeitraum 12/2020 bis 02/2021, als die mRNA-Impfung gerade für die Gesamtbevölkerung eingeführt wurde. Ein Nebenwirkungsbericht gehört genauso wie die verschiedenen Zulassungsstufen für die Einführung eines neuen Medikamentes dazu. Normalerweise werden diese Daten genutzt, um im Beipackzettel des Medikamentes Zahlen für die Risikobewertung von Nebenwirkungen angeben zu können oder Wechselwirkungen aufzuführen. Bei der mRNA-Impfung von Pfizer gibt es keinen Beipackzettel, und die Daten aus dem Nebenwirkungsbericht sollten nicht veröffentlicht, sondern geheim gehalten werden.
Daraufhin setzten sich in Texas rund 30 Professoren und Wissenschaftler im Rahmen des Freedom of Information Act vor Gericht dafür ein, den Post Authorization Adverse Events Report – also den nach Autorisierung erstellten Bericht über Nebenwirkungen des Impfstoffs von Pfizer/Biontech – der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wozu Pfizer mit Gerichtsurteil vom 7.2.2022 verpflichtet wurde.
In den Bericht sind 42.086 Fälle eingegangen, die nach Erhalt der mRNA-Impfung über einen Zeitraum von drei Monaten beobachtet wurden. Betrachtet man die Tabelle für die Outcomes nach Impfung, wird verständlich, wieso Pfizer den Bericht nicht veröffentlichen wollte: Bereits im Verlauf von drei Monaten sind von 42.086 Probanden 1.223 verstorben, was 2,9 Prozent entspricht; 11.361 Probanden (27 Prozent) hatten sich zu Ende des Beobachtungszeitraums noch nicht von der Impfung erholt, von 9.400 Probanden (22,3 Prozent) waren keine Daten bekannt, und 19.582 Probanden (46,5 Prozent) hatten sich von der Impfung erholt.
In dem Bericht sind sehr viele Nebenwirkungen aufgeführt. Gewöhnliche Nebenwirkungen wie Fieber, Übelkeit und Schwäche wurden 51.335 Mal angegeben – diese Zahl übersteigt die Zahl der beobachteten Menschen, weil die Probanden zwei Impfungen erhielten, und deshalb auch mehrfach Symptome melden konnten.
Andere gemeldete Nebenwirkungen waren: Nervenstörungen (25.957), muskuläre und Bindegewebsschwächen (17.283), Magen-Darm-Beschwerden (14.096), Beschwerden im Haut- und Subkutangewebe (8.476), Atem- und Brustkorbbeschwerden (8.476), Infektionen und Verseuchungen (4.610), Verwundungen, Vergiftungen und verfahrenstechnische Komplikationen (5.590), Investigations (symptomatische Nebenwirkungen, die noch in Abklärung sind) (3.693), COVID-19 (3.067), Anaphylaxis (1.833), kardiovaskuläre Nebenwirkungen (1.403), Autoimmunerkrankungen (1.050), hämatologische Störungen (932). Die hier aufgeführten Nebenwirkungen sind nicht vollständig, die Liste im Pfizer-Bericht ist länger.
Erwähnenswert ist weiterhin der Nebenwirkungsbericht zu Impfungen in der Schwangerschaft. Von 270 Schwangerschaften wurde in 238 Fällen kein Outcome angegeben, 23 Spontanaborte, fünf ausstehende Outcomes, 3 x neonataler Tod, 2 x intrauteriner Tod, ein normales Outcome.
Unter den von Pfizer analysierten Nebenwirkungen gibt es jeweils eine abschließende Bewertung für den Einsatz des Impfstoffes Comirnaty. „Conclusion: This cumulative case review does not raise new safety issues. Surveillance will continue.“ (Übersetzung: Schlussfolgerung: Diese kumulative Fallbewertung zeigt keine neuen Sicherheitsprobleme auf. Beobachtung wird fortgesetzt.)
Solch eine Bewertung erscheint bei der Anzahl und der Schwere der Nebenwirkungen nicht nachvollziehbar. Auf der anderen Seite erscheinen die Zahlen aus dem Pfizer-Bericht zu hoch. Würden wirklich 2,9 Prozent aller Menschen innerhalb von drei Monaten nach Erhalt der zweiten Impfung sterben, würden alle Menschen einige Impfopfer kennen, die von oder mit der Impfung verstorben sind. Es ist wahrscheinlich, dass sich die unterschiedlichen Impfchargen in ihrer Zusammensetzung leicht unterscheiden – dies ist auch bei herkömmlichen Medikamenten der Fall. So erscheint es plausibel, dass die Probanden im Pfizer-Bericht mit einer Charge geimpft wurden, die nicht gut verträglich war, und dass einige andere der sich im Umlauf befindenden Impfchargen besser verträglich sind.
Dennoch sind im Pfizer-Bericht nur Nebenwirkungen beschrieben, die in den ersten drei Monaten nach Erhalt der Impfung auftraten. Berichte, in denen die Probanden über einen längeren Zeitraum von Jahren beobachtet werden, sind noch in der Entwicklung. Auch die EMA gibt noch keine Langzeit-Berichte zu Impfnebenwirkungen an. So kann bisher nicht viel auf mögliche Langzeitnebenwirkungen wie Schwächung des Immunsystems oder Stimulation von Krebswachstum nach mRNA-Imfpung geschlussfolgert werden. Diese Daten sind sehr wichtig. Es wäre gut, ein Medikament, das ein derart vielschichtiges Kurzzeit-Risikoprofil aufweist und ein mögliches Langzeitrisikoprofil aufweisen kann, vor Applikation erst abschließend zu analysieren und einen Beipackzettel zu erstellen.
Kurz nach Veröffentlichung dieser brisanten Daten nahmen die Fact Checker Stellung zu den Zahlen. Es sei nicht wahr, dass mehrere tausende Menschen an der Impfung gestorben seien, kurz nachdem sie verfügbar war. Das Problem sei, dass der Nebenwirkungsbericht nicht auf Ursache und Wirkung einginge. Es sei lediglich eine Zahl von Menschen, die in dieser Phase der Impfautorisierung gestorben sei. Rückschlüsse auf die Impfung zu ziehen, sei nicht korrekt.
Erinnern wir uns an die Covid-Toten. Hier ist das „Event“, nach dem Menschen gestorben sind, nicht die Impfung, sondern eine Corona-Infektion. Die EMA meldete am 1. Dezember 2020 mehr als 63 Millionen bestätigte Corona-Infektionen (Event), wovon mehr als 1,4 Millionen (2,2 Prozent) im Verlauf verstorben sind.
In diesem Zusammenhang wurde der Rückschluss von Todeszahlen auf Corona-Infektionen im Sinne eines Ursache-Wirkungs-Verhältnisses als legitim erachtet. Diese Zahlen wurden weiter als Legitimation benutzt, um die mRNA-Impfung von Pfizer notfallmäßig zuzulassen, ohne zuvor andere Gründe für das Versterben von Menschen nach einer Corona-Infektion zu erwägen.
Die unterschiedliche Bewertung des Ursache-Wirkungs-Verhältnisses in den Fällen „Todeszahlen nach Impfung“ und „Todeszahlen nach Corona-Infektion“ wirft Fragen auf.
Um eine konkrete Risikoabwägung zu generieren, welches Ereignis mit welchem Risiko behaftet ist, wäre es gut, das Risikoprofil einer Corona-Infektion mit dem Risikoprofil einer mRNA-Impfung zu vergleichen, und beides dem Risiko und möglichen eintretenden Ereignissen eines normalen Lebens gegenüberstellen.
Da wir viele Leser-Fragen zu der Angabe der Todeszahlen bekommen haben, hier noch folgender Hinweis:
In den Bericht sind 42.086 Fälle eingegangen, die nach Erhalt der mRNA-Impfung über einen Zeitraum von drei Monaten beobachtet wurden. Die Meldung von Impf-Reaktionen an Pfizer erfolgte freiwllig, und wird von Pfizer selbst als „unterrepräsentativ“ im Bezug auf die Gesamtnebenwirkungen kategorisiert. Betrachtet man die Tabelle für die gemeldeten Outcomes nach Impfung, wird verständlich, wieso Pfizer den Bericht nicht veröffentlichen wollte: Bereits im Verlauf von drei Monaten sind von 42.086 Menschen 1.223 verstorben, was 2,9 Prozent entspricht; 11.361 Menschen (27 Prozent) hatten sich zu Ende des Beobachtungszeitraums noch nicht von der Impfung erholt, von 9.400 Menschen (22,3 Prozent) waren keine Daten bekannt, und 19.582 Menschen (46,5 Prozent) hatten sich von der Impfung erholt.
Außerdem wurde den Begriff „Probanden“ durch „Menschen“ ersetzt, damit es in diesem Bezug klarer wird, dass Pfizer eben nicht die Menschen zuvor ausgewählt und geimpft hat, sondern sich nach Beginn der Impfepisode freiwillig Menschen gemeldet haben, die danach in den Bericht aufgenommen wurden.
Zur Verifizierung der korrekt gemachten Angabe der Todeszahlen in Bezug auf die Gesamtfälle dient die aus dem Pfizer Bericht stammende im Beitrag abgebildete Tabelle. Es wird von 42.086 relevanten Fällen berichtet, aufgeschlüsselt in Geschlechter, Alter und Outcomes. Die Todeszahlen (Betrag 1.223) stehen bei den verschiedenen Outcomes nach Impfung dabei. Zählt man alle verschiedenen Outcomes zusammen 19.582+520+1.1361+1.223+9.400=42.086, erhält man genau die Anzahl der relevanten Fälle des Pfizer Reports, so wie es auch in der Tabelle abgebildet ist. Damit ist klar, dass die Todeszahlen sich nur auf die von Pfizer beobachteten Fälle beziehen.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen, und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Dr. med. Friederike Kleinfeld arbeitet als Ärztin in der Anästhesie und Intensivmedizin, und hat 1,5 Jahre lang Covid-Patienten auf Intensivstation betreut. Ihre Doktorarbeit hat Frau Kleinfeld in der Mikrobiologie geschrieben. Hier schreibt sie unter Pseudonym.
Bild: Marco Lazzarini/ShutterstockText: Gast