Von Alexander Wallasch
Man will es nicht für möglich halten: Ein Journalist hielt heute stellvertretend für eine Reihe von Altmedien den faktischen Ausschluss und die Zurschaustellung von Ungeimpften versus Geimpfte im Deutschen Bundestag für einen „richtigen und überfälligen Schritt“. Das würde, so der Redakteur weiter, „längst an vielen Orten in der Republik“ gelten. Die dazu passende Überschrift lautete: „2G plus im Bundestag: Keine Ausnahme für das Hohe Haus.“ Der Bundestag ist also auf dem Niveau einer 2G-Pommesbude angekommen.
Im O-Ton des Bundestages heißt es fast nüchtern über die neuen Regeln:
„Angesichts der Infektionsgefahren durch die hoch ansteckende Omikron-Variante hat die Bundestagspräsidentin in Absprache mit den Fraktionen eine novellierte Allgemeinverfügung zur Eindämmung der Corona-Pandemie in den Liegenschaften des Bundestages ab Mittwoch, 12. Januar 2022 in Kraft gesetzt. Die Grundlage dafür ist das Hausrecht der Bundestagspräsidentin nach Artikel 40 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz.“
Genesene ohne Impfung gelten als grundimmunisiert, dieser Status wiederum ist für maximal sechs Monate gültig. Danach muss geimpft werden, um weiterhin als grundimmunisiert zu gelten.
Dass es im ersten Lockdown allerdings überhaupt keine Beschränkungen im Bundestag gab, interessiert in dem Zusammenhang niemanden mehr. Auch in den Innenräumen des Bundestages soll es erst im Sommer 2020 erste Einschränkungen gegeben haben.
Und nein, es gibt bis heute keine wirklich tragfähigen Hinweise, dass solche Maßnahmen überhaupt Sinn machen. Was hier passiert, ist eine unwissenschaftliche Hatz auf Ungeimpfte mitten im Zentrum der deutschen Demokratie.
Eine Verrohung. Die Veranlassung dieser neuen Maßnahmen für den Deutschen Bundestag ist das eine, die mediale Hetze insbesondere gegen jene Ungeimpften unter den Abgeordneten der AfD etwas ganz anderes. Die Demontage eines Demokratieverständnisses ist hier im selben Maße fortgeschritten, wie der Wille zur Diffamierung Andersdenkender inflationär geworden ist.
Lorenz Müller ist Direktor beim Deutschen Bundestag. Er hatte im Vorfeld angekündigt, dass ab heute verschärfte Corona-Auflagen gelten. Ungeimpfte und nicht Genesene dürfen den Plenarsaal ab jetzt nur noch von der Tribüne aus verfolgen. Und von dort aus auch nur, wer einen negativen Schnelltest vorweisen kann. Dass diese Tests laut US-Arzneimittelbehörde gegen die Omikron-Variante schlechter wirken als die schon vielfach unzuverlässigen Tests, scheint ebenfalls niemanden zu interessieren.
Ein Ausschnitt der Neuregelung geht im Wortlaut so:
„In den Bereichen, in denen bisher die 3G-Regel galt (Plenum, Ausschüsse, Veranstaltungen) gilt nun 2G Plus. Das bedeutet, der Zugang ist auf Geimpfte und Genesene beschränkt, die zusätzlich einen aktuellen Antigen-Schnelltest (nicht älter als 24 Stunden) oder eine Auffrischungsimpfung (Booster-Impfung) nachweisen müssen.“
Nach offiziellen Protesten der AfD war Müller teilweise vom ursprünglichen Plan zurückgerudert, eine Grundimmunisierung erst dann anzuerkennen, „wenn eine Person doppelt geimpft oder genesen und zusätzlich einmal geimpft sei.“
Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht kritisiert die neuen Corona-Maßnahmen im Bundestag. Sie erklärte: „Jetzt auch im Bundestag ungeimpfte Abgeordnete aus dem Plenarsaal auszusperren, statt Tests für alle verbindlich vorzuschreiben, ist aufgrund des mangelnden Impfschutzes gegen Infektion und Ansteckung epidemiologisch unsinnig und offenkundig verfassungswidrig.“
Fakt ist: Seit heute sind nur noch die geboosterten Abgeordneten von den Einschränkungen und von verpflichtenden Tests ausgenommen. Wer als Volksvertreter weder geimpft noch genesen ist oder sich nicht geboostert nicht testen lässt, der muss auf der Tribüne Platz nehmen. Der Impfstatus der Abgeordneten ist jetzt für die Zuschauer, die Fernsehkameras und natürlich auch für die Kollegen im hohen Haus zweifelsfrei zu identifizieren.
Jürgen Braun, Abgeordneter der AfD im Deutschen Bundestag, berichtet auf Anfrage von reitschuster.de davon, dass sich AfD-Abgeordnete, die vom Impfstatus her nicht auf der Tribüne sitzen müssten, sich jetzt solidarisch zeigten mit den Verbannten. Es säßen also auch welche auf der Tribüne, die unten hätten Platz nehmen können nach der neuen Regelung.
„Die Maßnahme zielt letztlich darauf ab, alles zu versuchen, die dritte oder vierte Impfung zu puschen. Vorteile gibt es am Ende nur noch für die Geboosterten“, so Braun weiter.
Eine weitere Neuregelung besagt, dass im Bundestag nur noch FFP2-Masken getragen werden dürfen. In den Ausschüssen dürfen diese Masken auch beim Sprechen nicht mehr abgenommen werden.
Aber was kommt als Nächstes? Der Zynismus bei Vertretern der Altmedien steht prominent am Anfang der Verrohung. Hier wird schwarz auf weiß eine tiefsitzende Verachtung der Demokratie sichtbar.
Der Merkur höhnt: „Jedes Schulkind hält sich an die Corona-Schutzauflagen, in vielen Bereichen des täglichen Lebens gilt die 2G-plus-Regel. Das soll nun auch im Bundestag so sein. Die AfD hat etwas dagegen.“
Immerhin: So werden Maßnahmen gegen eine Reihe von Abgeordneten, die sowieso schon auf sehr dünnem wissenschaftlichem Fundament stehen, als das entlarvt, was sie sind: Als ein politisches Instrument, den politischen Gegner publikumswirksam zu diffamieren.
Dass die neuen 2-G-plus-Maßnahmen für Bundestagsabgeordnete ausgerechnet an jenem Tag in Kraft traten, an dem die Regierungserklärung des Bundeskanzlers anstand, ist die Randnotiz.
Olaf Scholz musste allerdings für seine Erklärung einmal neu ansetzen. Denn die AfD-Fraktion demonstrierte mit einer – nach den Regeln des Hauses unzulässigen Plakataktion – ihr Missfallen. Die Botschaft lautete „Freiheit statt Spaltung“. Dem müsste theoretisch jeder Abgeordnete zustimmen.
Aber Rosa Luxemburgs Freiheit, die immer die Freiheit der Andersdenkenden ist, gilt im hohen Hause nicht mehr für jeden Abgeordneten, nicht für Ungeimpfte, nicht für ungetestete Nichtgeboosterte, nicht für über 6 Monate Genesene ohne Impfung, nicht für wen auch immer in Zukunft. Es kann jeden treffen.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.
Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“.
Bild: Screenshot bundestag.de
Text: wal
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