Diktatur der Müllabfuhr Geschichten zum Schmunzeln – Mein Krisen-Alternativ-Programm

Hand aufs Herz: Haben Sie es nicht auch satt, ständig negative Nachrichten zu lesen? Bei denen man denkt, es seien „Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus“? Was sie aber leider nicht sind – denn es sind reale Neuigkeiten aus Deutschland. Ich möchte Ihnen ein Kontrastprogramm bieten, aus meiner Zeit in Russland. Zum Entspannen und Schmunzeln. Voilà:

Schallendes Getöse reißt mich aus den Federn. Mitten in der Nacht, um halb drei. Flaschen scheppern, Metall schlägt gegen Metall, untermalt von gellendem Motorengeräusch und wüsten Flüchen. Kein Unfall, kein Überfall, und auch kein Ehekrach bei den Nachbarn – wie meine Gäste zuweilen glauben: Das nächtliche Straßen-Konzert ist fester Bestandteil des Lebens in der russischen Hauptstadt. Es könnte den Wecker ersetzen, wenn es nicht zweimal pro Nacht aufgeführt würde.

Irgendein schwerhöriger Apparatschik muss wohl eines Tages auf die Idee gekommen sein, die Müllabfuhr auf die Nachtstunden zu verlegen – offenbar, um im Dunkeln der chronischen Verstopfung der Moskauer Straßen zu entgehen. Seitdem fahren die Müllmänner durch die nächtliche Stadt und haben ihre Ruhe vor den Staus. Nur die Moskowiter haben keine Ruhe mehr.

Recycling ist ein Fremdwort



Denn was der Apparatschik nicht bedacht hat: In Moskau, wo man Recycling wohl am ehesten für eine Schwester-Band von Modern Talking hält und Pfandflaschen für kommunistische Fossilien, sind die Müllmengen so riesig, dass die Müllmänner offenbar jeden Tag zu jeder Tonne anrücken.

Ob nun diese Überanstrengung das nötige Feingefühl der Arbeiter untergräbt (und sie deshalb unpassenden Müll wie etwa ein Bügelbrett lautstark gegen den Zaun schmeißen) oder ob es an der Technik liegt, die all den Dreck ungedämpft und ohne Schallschutz auf die Ladefläche fallen lässt: Von der sowjetischen Diktatur des Proletariates ist zumindest noch eine Diktatur der Müllmänner geblieben.

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Umtrunk nach der ersten Schicht



Zwischen 2 und 3 Uhr nachts rückt die erste Schicht an. Zu den Tonnen zwei Ecken weiter zwar, doch das macht nichts: Weil sich die Heizung nicht abdrehen lässt (und man ohne Frischluft wie in einer Sauna im Bett schmort) und weil die Billig-Fenster selbst geschlossen alles andere als schalldicht sind, kann einem von dem holden proletarischen Klang kein einziger Ton entgehen. Schafft man es mit Hilfe von Yoga oder Wodka dennoch, ein zweites Mal Schlaf zu finden, so ist auf die durchschlagende Weckwirkung der zweiten Schicht zwischen 5 und 6 Uhr garantiert Verlass.

In ihrem Kampf gegen die Schläfrigkeit der Moskowiter sind die Müllmänner nicht allein: Offenbar erhöht das Gepolter auch die Wachsamkeit der Nachbarn. Regelmäßig kommt es nach der ersten „Abfuhr“ zum lautstarken Umtrunk unten auf der Straße. Sie machen zwar Schlaf unmöglich – bereichern aber wenigstens den Wortschatz (vor allem den einschlägigen).

Trio für Feuerwerk, Alarmsirene und Hund



Weniger hilfreich sind – zumindest für das Gros der Anwohner – die Auto-Alarmanlagen. Zahlreiche scheinen so programmiert zu sein, dass sie beim geringsten Windstoß oder beim Missbrauch durch Hunde als Baum-Ersatz ihre atemberaubende Sirene tönen lassen. Einige wachsen einem mit der Zeit so ans Herz, dass man sie an der Melodie erkennt: etwa die Marke US-Polizei-Sirene.

Zuweilen erklingen ohrenbetäubende Trios, gegen die die Drei Tenöre Leisetreter sind, und bei denen eine Stimme gleich den Einsatz der nächsten provoziert. Ob durch Druck- oder Schallwellen – die lautstarken Feuerwerke, die auch bei privaten Festen groß in Mode sind, lösen regelmäßig die Auto-Alarmanlagen aus. Dieses Duetts lässt auch die streunenden Hunde nicht gleichgültig – und sie heulen herzerweichend mit.



Langschläfer aus Not?

Nachtbaustellen und die hellhörigen sowjetische Plattenbauweise tun den Rest: Wenn um 7 Uhr morgens im Büro direkt über meinem Schlafzimmer die Putzkolonne anrückt und ich es bis dahin nicht geschafft habe, nach der zweiten Müllabfuhr um sechs Uhr wieder in Tiefschlaf zu fallen, ist der Wecker endgültig überflüssig.

All diese Zusammenhänge muss man kennen, um böse Vorurteile zu entlarven. Die Russen, für die ein Anruf vor zehn Uhr morgens mindestens ebenso unanständig ist wie ein Klingeln in Deutschland nach zehn Uhr abends, sind als Langschläfer verschrien. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich um ein Missverständnis, wenn nicht gar um Verleumdung handelt: In Wirklichkeit sind sie wohl notgedrungene Nachtarbeiter – die in der Dunkelheit vor lauter Lärm keinen Auge zubekommen und nur in den Morgenstunden ein wenig gegen ihr Schlaf-Defizit ankämpfen.

Nach dem wirklich unangenehmen „Job“ mit dem Lauterbach-Interview bin ich Ihnen für ein Schmerzensgeld besonders dankbar – und verspreche dafür, auch beim nächstem Mal wieder in den sauren Apfel zu beißen und wachsam an dem gefährlichen Minister dran zu bleiben! Aktuell ist (wieder) eine Unterstützung via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.

Mein aktuelles Video:

„Es geht um die Abschaffung des Mittelstands“: Nach viralem Video – Unternehmerin klagt weiter an.

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Bild: Nadya So/Shutterstocvk

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