Dinner im Kanzleramt – Verfassungsrichter in Diensten der Politik Die politische Abhängigkeit des obersten Verfassungsrichters wurde in den Medien nicht hinreichend aufgearbeitet

Von Sönke Paulsen

„Turner, sind Sie sicher, dass die New York Times es bringt?“

„Ganz sicher!“

„Wenn Sie es nicht bringt, sind Sie erledigt.“

„Sie bringt es!“

„Sind Sie sicher?“

Mit diesen Worten zwischen dem CIA-Direktor Higgins und dem einfachen Mitarbeiter Turner endet die Geschichte. Letzterer hatte nichts anderes getan, als die Literatur nach Ideen zu durchsuchen, die für die CIA von Wert sein könnten, wenn sie einmal mehr einen illegalen Angriffsplan gegen ein Land im „Nahen Osten“ ausarbeitet. Unglücklicherweise hatte Turner in einem Roman einen Plan gefunden, der bei der „Firma“ – unter höchster Geheimhaltungsstufe – schon existierte und kurz davor stand, umgesetzt zu werden. Das hat seiner gesamten Sektion das Leben gekostet. Am Ende will Turner seinen Hals aus der Schlinge ziehen, indem er die Geschichte der »New York Times« verkauft.

Aber wird sie es bringen? Das bleibt offen!

Hätte Robert Redford es in dem Film »Die drei Tage des Condor« mit deutschen Medien zu tun gehabt, wäre seine Überlebenschance als kleiner Mitarbeiter der CIA wohl auf null gesunken. Denn die hätten vermutlich erst einmal bei Regierung und Nachrichtendiensten angefragt, ob sie die Sache an die große Glocke hängen dürfen.

Die Frage, ob die Medien bereit sind, einen Skandal aufzudecken oder nicht, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zum Beispiel davon, ob sie zu einem Dinner eingeladen worden sind.

Am 30. Juni waren sie nicht eingeladen. Eingeladen waren die maßgeblichen Richter des Bundesverfassungsgerichtes, die von der Regierung um Verständnis für ihre Politik „off the limits“ gebeten wurden. Die Medien waren außen vor, obwohl es um schwerste Grundrechtseinschränkungen ging, die andernorts schon Diktaturen eingeleitet haben.

Deshalb veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht gleich am nächsten Tag eine Pressemitteilung, in der es indirekt um Verständnis warb:

Eine Delegation des Bundesverfassungsgerichts unter Leitung des Präsidenten Prof. Dr. Stephan Harbarth, LL.M. (Yale) und der Vizepräsidentin Prof. Dr. Doris König reiste am 30. Juni 2021 zu einem Treffen mit den Mitgliedern der Bundesregierung nach Berlin. Auf Einladung der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel fand ein gemeinsames Abendessen im Bundeskanzleramt statt. Der Besuch setzt eine seit vielen Jahren bestehende Tradition fort.

Nun wird bekannt, dass Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) während des Abendessens einen leidenschaftlichen Vortrag zur Rechtfertigung der Lockdowns im Rahmen der Pandemie gehalten hat.

Wir waren mit einem „Erkenntnisvakuum“ konfrontiert. Trotzdem bestand die Notwendigkeit, der Corona-Pandemie entschlossen entgegenzutreten. Denn nicht zu handeln hätte sehr schnell gravierende Folgen gehabt.

So zu handeln, wie es die Bundesregierung mit ihrer „Notbremse“ und den diversen Lockdowns tat, hatte auch gravierende Folgen. Aber es gab an jenem Abend, so weit bekannt, keine Gegenrede.

Die Corona-Politik war nicht der einzige Anklagepunkt, der vor dem Verfassungsgericht gegen die Bundesregierung und speziell gegen Angela Merkel anhängig war. Am 21. Juli, also drei Wochen später, sollte Merkels Einmischung in die Thüringen-Wahl während eines Staatsbesuches als Kanzlerin in Südafrika verhandelt werden. Die AfD hatte geklagt.

Die »BILD« stellte ein paar Tage nach dem Dinner, bei dem es Rindergeschnetzeltes, Schokoladenmousse und eine Käseplatte gab, diesen Zusammenhang her, der »Focus« ebenfalls. Die anderen Medien schwiegen dazu.

Wo findet man das schon in der Justiz? Eine mehrfach Angeklagte lädt die Richter zum Essen ein und wirbt bei einem guten Gläschen für Verständnis.

Urteile sind im Spätherbst zu erwarten, sowohl in der Sache Neutralitätspflicht der Kanzlerin, als auch in Bezug auf die Klagen gegen die Bundesnotbremse und die Freiheitseinschränkungen während der Pandemie. Wenn die Urteile kommen, darf man davon ausgehen, dass das Kanzleramts-Dinner mit den beiden maßgeblichen Verfassungsrichtern, in dem schon mal eine bisschen vor-verhandelt wurde, den Medien nicht mehr so präsent ist.

Der Skandal der Einflussnahme liegt auf der Hand und war auch abzusehen, da die Personalie des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes ebenfalls mit einer bekannten Einflussnahme Merkels aus dem Jahr 2018 zusammenhängt. Eine umfassende Aufarbeitung durch die Medien bleibt allerdings aus.

Der Kandidat der Kanzlerin soll nun also über ihre Politik urteilen, und zwar unparteiisch und unabhängig in Bezug auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Zuvor vergewissert sich Merkel noch einmal seiner „Treue“ bei einem Abendessen im Kanzleramt.

Das ist wirklich zu viel. Entsprechend nachvollziehbar ist ein Ablehnungsgesuch wegen Befangenheit gegen Stephan Harbarth durch den Berliner Rechtsanwalt Niko Härting. Harbarth reagiert darauf in einem Schreiben an einen Kollegen. Es habe sich um einen allgemeinen Gedankenaustausch gehandelt sowie „abstrakte und zeitlose Fragestellungen“.

Dies dürfte allein durch den Vortrag Lambrechts widerlegt sein.

Aber Harbarth ist kein unbeschriebenes Blatt. Er hat als Unionspolitiker eine ganze Reihe von kleineren Skandalen gehabt, die ihn als Verfassungsrichter ungeeignet erscheinen ließen, wenn Verfassungsrichter nicht vom Bundestag gewählt würden. Damit spielen, ähnlich wie bei einem Bundeskanzler, die Skandale keine Rolle mehr. Gewählt ist gewählt! Olaf Scholz muss sich also keine Sorgen machen, wenn die Medien ihn weiter in Ruhe lassen.

Das Skandalöse an der Personalie Harbarth ist allerdings, dass solche Richter an der Spitze unseres wichtigsten Verfassungsorgans wie ein Trojanisches Pferd gegen unser Grundgesetz agieren und die Tore für den Missbrauch durch die Politik weit öffnen können. Genau das scheint Stephan Harbarth zu tun!

Das ist der eigentliche Skandal, der seit vielen Monaten von den Medien nicht gebracht wird.

Vielleicht wurden die entscheidenden Medienvertreter eben doch zum Dinner im Kanzleramt eingeladen und wir wissen es nur nicht. Wie auch, wenn sie darüber schweigen?

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“. Hier finden Sie seine Fortsetzungsgeschichte „Angriff auf die Welt“ – der „wahre“ Bond.

Bild: 
Text: Gast

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