So richtig ins Wanken kam meine Vorstellung von den Öffentlich-Rechtlichen, als ich vor vielen Jahren in Moskau erlebte, wie der WDR zum Jubiläum seines Büros dort die eigene Big Band einfliegen und in einem der großen Konzertsäle auftreten ließ. Warum, so fragte ich mich damals, muss der deutsche Gebührenzahler für solchen Luxus und Protzerei bezahlen? Die Geschichten, die ich dann über die Jahre von Kollegen aus dem Inneren der Öffentlich-Rechtlichen hörte, machten mich immer wieder sprachlos. Und brachten mich zur Überzeugung, dass aus der guten Idee ein bürokratisches Monstrum geworden ist – eine Art Journalisten-Versorgungsanstalt mit angeschlossenem Sendebetrieb.
Die Pfründe dort sind enorm und sie haben dazu beigetragen, dass sich viele Kollegen von der Realität abgeschottet haben. Nie werde ich vergessen, wie sich eine Kollegin (m/w/d) beklagte, wenn sie mal Rente bekäme, hätte sie nur 5000 Euro netto und das sei, sinngemäß, zum Leben zu wenig, aber zum Sterben zu viel. Mir fiel die Kinnlade runter. Wie immer, wenn gebührenfinanzierte Kollegen mal zwischen den Zeilen etwas zu ihren Bezügen und Spesen fallen lassen.
Journalisten bei ‘Kartei der Not'
Damit wir uns klar verstehen: Ich finde, Journalismus gehört anständig bezahlt und dass viele private Medien die Kollegen miserabel bezahlen, finde ich unmöglich. Nie werde ich vergessen, wie ich bei der Augsburger Allgemeinen vor meinem Volontariat dort – ganz gegen den Tarifvertrag – ein halbjähriges (Zwangs-)Praktikum für 200 Euro im Monat machen sollte und man mir auf den Hinweis, davon könnte man nicht leben, antwortete, ich könne mich ja an die Wohltätigkeitsorganisation der Zeitung, die „Kartei der Not“, wenden. Das ist das eine Extrem – der Saus und Braus bei den Gebührensendern das andere. Das umso verwerflicher ist, als jedermann dafür bezahlen muss.
Fast müsste man RBB-Protz-Intendantin Patricia Schlesinger schon dankbar sein, dass sie es mit ihrem Luxus (650.000 Euro für die Chefetage inkl. Manufaktur-Parkett, Massagesessel fürs Büro, Dienst-Audi mit Massagesitzen zum Listenpreis von 145.000 Euro, als Dienstessen deklarierte Sausen in der Privatwohnung, etc.) derart übertrieb, dass daraus ein Skandal wurde – und das Thema endlich in den Fokus der Öffentlichkeit geriet (Details siehe hier). Die Berliner Staatsanwaltschaft kündigte inzwischen sogar an, gegen die Intendantin, ihren Mann, den früheren „Spiegel“-Journalisten Gerhard Spörl und den noch amtierenden RBB-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf wegen des Verdachts der Untreue und Vorteilsnahme zu ermitteln. Das ist der Super-GAU für die Öffentlich-Rechtlichen.
Schlesingers Hang zum feudalen Lebensstil auf Kosten der Gebührenzahler spricht dem öffentlich-rechtlichen Grundgedanken geradezu Hohn. Ebenso wie ihre Nähe zur Politik – da wurde schon mal der Chef des Bundespräsidialamts Stephan Steinlein mit Frau zum Dinner nach Hause eingeladen – was den Gebührenzahler 435 Euro kostete (Schlesingers fürstliche Arbeitszeitentlohnung nicht mitgerechnet). Aber das ist nur die Spitze des Eisberges. Das Gespür, was unanständig ist, scheint Schlesinger und vielen ihrer öffentlich-rechtlichen Kollegen gänzlich abhanden gekommen zu sein.
Weil der Druck zu groß wurde und die Angst umging, sie könne das ganze öffentlich-rechtliche System mitreißen, wurde Schlesinger, die mit 303 000 Euro plus Bonus im Jahr fast die Hälfte mehr kassierte als ihre Vorgängerin, zum Rücktritt gedrängt. Doch auch dabei blieb sie sich treu: Sie machte diesen von erneuten finanziellen Forderungen abhängig. Auch nach dem Abtritt will sie noch Gebührengelder abgreifen. Die „Bild“ schreibt dazu: „Das ist einfach nur dreist! Die einstige Enthüllungsjournalistin hat den Bezug zur Realität verloren.“ So ist es. Aber Schlesinger ist nur eine von sehr, sehr vielen.
Die anderen sind die Bösen
Typisch ist auch, wie die Protz-Intendantin sofort in die Opfer-Rolle schlüpfte. Ihren Rücktritt begründete sie nicht etwa mit ihren zahlreichen Verfehlungen. Sondern damit, die „persönlichen Anwürfe und Diffamierungen“ gegen sie hätten „ein Ausmaß angenommen, das es mir auch persönlich unmöglich macht, das Amt weiter auszuüben“. Dazu schreibt die „Welt“ zutreffend: „Es ist offensichtlich: Da hat jemand Maß und Mitte verloren – doch Selbstkritik? Fehlanzeige.“
Besonders pikant: Schlesinger war früher Reporterin und dann Moderatorin für das stramm linksgrüne ARD-Magazin „Panorama“. Das berichtete früher auch über Korruption und Prunksucht – genau über das, was später zum Markenzeichen Schlesingers wurde.
Es ist entscheidend, zu begreifen, dass wir es nicht mit einer „Causa Schlesinger“ zu tun haben, sondern mit einer „Causa Gebührenfinanzierung“. Der staatlich garantierte, üppige Geldfluss hat das System durch und durch korrumpiert. Es ist nicht mehr reformierbar. In Frankreich hat Staatspräsident Emanuel Macron die Abschaffung der Rundfunkgebühren angekündigt. Das ist gut so. Und ein Vorbild für Deutschland. Niemand (außer der Regierung) braucht Luxus-Versorgungsanstalten für Hofberichterstatter.
Wehret den Anfängen!
Ob am Ende ein neues, völlig abgespecktes System, etwa mit einer Gebühr von einem Euro pro Monat und einem Rumpfprogramm. ohne Massagesessel, BigBand-Ausflüge und Manufaktur-Parkett herauskommt, oder die Abschaffung ersatzlos geschieht, muss ergebnisoffen diskutiert werden. Gegebenenfalls müssen Mechanismen eingeführt werden, die eine neuerliche Korrumpierung des Systems durch die Regierung wenn nicht ausschließen (so eine Hoffnung wäre naiv), aber doch maximal erschweren. Damit aus einer guten Idee, die Demokratie fördern und die Herrschenden kontrollieren soll, nicht wieder ein Propaganda-Apparat wird, der die Demokratie zersetzt und die Herrschenden bauchpinselt.
Bedingung dafür ist auch eine schonungslose Vergangenheitsbewältigung und juristische Aufarbeitungen der massiven Verstöße gegen den Rundfunkstaatsvertrag durch die Verantwortlichen bei den Sendern. Denn dieser schreibt ihnen zwingend „Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung“ vor. Zudem müssen sie laut diesem „die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote“ berücksichtigen. Grundsätze, die sie täglich mit Füßen treten.
Bild: Screenshot ZDFText: br
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