Wie die Öffentlich-Rechtlichen die Pressefreiheit zerstören Historiker attestiert “ernüchternde Bilanz”

Von Mario Martin

18,36 Euro pro Monat beträgt der Rundfunkbeitrag (früher GEZ-Gebühr) eines Haushalts. Das sind 220 Euro im Jahr. Im Juni hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, das Land Sachsen-Anhalt hätte durch Unterlassung der Zustimmung zum Ersten Medienänderungsstaatsvertrag die Rundfunkfreiheit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verletzt. Damit war der Weg frei für die Erhöhung von 17,50 auf 18,36 Euro.

Die Entwicklung des Rundfunkbeitrags:

(Quelle: Statista)

Öffentlich-rechtlicher Leviathan

Im Jahr 2020 hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk insgesamt 8,11 Milliarden Euro eingenommen. In keinem anderen Land verschlingt der Rundfunk so viel Geld. In Norwegen und der Schweiz wird den Menschen pro Kopf allerdings noch mehr Geld abverlangt. Hinzu kamen 2020 für die ARD knapp 300 Millionen Euro und für das ZDF 271 Millionen Euro Werbeeinnahmen.

Derweil befinden sich etwa 3,28 Millionen der etwa 46 Millionen Konten des Rundfunkbeitrags 2020 in einer Mahnstufe oder in der Vollstreckung. Etwa 3,1 Millionen Konten sind von den Zwangsgebühren befreit oder erhalten eine Ermäßigung.

Von den Einnahmen entfallen auf die ARD-Anstalten rund 5,7 Milliarden Euro, das ZDF erhält 2,02 Milliarden, Deutschlandradio 232 Millionen, und 153 Millionen Euro gehen an die Landesmedienanstalten.

Spitzenverdiener ist WDR-Intendant Tom Buhrow. Seine Vergütung betrug im letzten Jahr 404.000 Euro. Damit liegt er knapp vor dem ehemaligen BR-Intendanten Ulrich Wilhelm mit 403.000 Euro. Das ist das 8,5-fache des Durchschnittsverdienstes (47.700 Euro) in Deutschland.

Dem Autor sind keine Stellungnahmen der Rundfunkanstalten bzw. Intendanten bekannt, wie die unverschämte Höhe der Bezüge gerechtfertigt wird.

Derzeit betreibt der ÖRR 21 Fernsehsender und 74 Radiosender. In keinem anderen Land gibt es ein derart umfangreiches Angebot. Dazu kommen unzählige Angebote im Netz in Form von Mediatheken, Webseiten, Faktencheckern und Social-Media-Accounts.

Verschiebung der medialen Macht

Im Oktober veröffentlichte der Würzburger Historiker Prof. Peter Hoeres einen Artikel zur gegenwärtigen Realität der Pressefreiheit und Meinungsvielfalt.

Warum beklagen immer mehr Menschen eine Verengung des Meinungskorridors und äußern, sie würden in der Öffentlichkeit nicht mehr frei ihre Meinung sagen können?

Der Beantwortung dieser Frage widmet sich Hoeres. Zuerst identifiziert er die eingangs schon beschriebene Dominanz des ÖRR.

Die unzähligen Formate und Angebote erzeugen ein Überangebot, dem die privat finanzierten Medien nur bedingt etwas entgegensetzen können. Vergegenwärtigen wir die obengenannte Relation von Werbeeinnahmen zu Zwangsgebühren, wird die finanzielle Potenz deutlich. RTL als größter Privatsender mit einem Marktanteil von 12 bis 14 % konnte 2020 einen Gewinn von 663 Millionen Euro verbuchen.

Das Programm des ÖRR ist gekennzeichnet durch “starke Präsenz von meinungsbildenden Magazinen. Auch die Nachrichtensendungen sind nicht nur durch die explizit als solche gekennzeichneten Kommentare, sondern auch durch Auswahl (Agenda Setting), Rahmung (Framing), Aufladung (Priming) und Konnotation der Themen meinungsbildend und meinungsmachend”, so der Historiker Hoeres.

Dazu kommt die ständige Wiederholung der immer gleichen Themen.

Weiter der Professor: “Verstärkt wird die Problemlage allerdings besonders, da der ÖRR aufgrund eines steuerähnlichen Systems alimentiert wird, wobei der ÖRR mit seinen Netzangeboten gerade den wegen dramatisch sinkender Auflagen in einer Strukturkrise befindlichen Zeitungsverlagen das Wasser abgräbt.”

Dazu kommen andere Einflüsse, wie z.B. die SPD-parteinahe Mediengruppe Madsack, die viele Regionalzeitungen mit vorgefertigten Nachrichten versorgt und den freien Wettbewerb im Journalismus ebenfalls behindert.

Die ernste Lage der Zeitungsverlage wird bei Betrachtung der Auflagen deutlich:

(Quellen: https://www.ivw.de/ / Grafik: Peter Hoeres)

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Einschaltquoten und damit bei den Profiten der Fernsehsender. Während der Einfluss der privaten Medien schrumpft, steigt die Meinungsmacht des ÖRR.

Parteipräferenzen der Journalisten

Nun wäre eine ausgewogene Repräsentanz der Bevölkerung hinsichtlich der Machtverschiebung zum ÖRR besonders wichtig. Aber wie soll eine Meinungspluralität der Gesellschaft abgebildet werden, wenn der Großteil der Mitarbeiter des ÖRR eine klare Parteipräferenz aufweist?

(Quellen: Statista / Grafik: Peter Hoeres)

Der Umfrage nach kommt Grün-Dunkelrot-Rot beim ARD-Nachwuchs also auf über 90 %. Ein Umstand, den Prof. Hoeres als “grotesken Zug” bezeichnet. Er merkt an, ein derartiges Übergewicht dürfte in den Redaktionen zur Ausbildung einer Schweigespirale beitragen. Diese beschreibt ein Modell zur Bereitschaft sich öffentlich zu seiner Meinung zu bekennen. Je stärker Übermacht, desto schwieriger wird ein autonome Meinungsäußerung. Die Schweigespirale finden wir sowohl im öffentlichen Raum als auch innerhalb des Mikrokosmos der Journalisten.

Vergleichen wir die 90 % mit den Ergebnissen der letzten Bundestagswahl. Diese erbrachte eine Mehrheit für das vermeintlich konservative Lager Schwarz-Gelb-Blau. Die Konstellation kommt auf 373 Bundestagsmandate. RRG kommt auf 363 Mandate.

Auf dem linken Übergewicht im ÖRR erwachse ein Haltungsjournalismus, der die primäre Funktion des Journalismus nicht mehr als neutralen Wissensvermittler begreift, sondern sich “dem älteren journalistischen Idealtypus des Missionars” wieder nähere.

Diese “kulturelle Hegemonie” der neuen, “woken Eliten” wird auch von Prof. Norbert Bolz im Interview mit Boris Reitschuster beklagt.

Das Ergebnis dieser Schieflage lässt sich besonders gut in den unausgewogenen Zusammensetzungen der Polit-Talkrunden sehen; natürlich aber auch in den oben genannten Techniken der Beeinflussung wie Agenda Setting, Priming und Framing.

Peer Pressure auf Twitter

Aber was treibt die Journalisten an? Wodurch wird ihre Arbeit motiviert, ist es das Ansehen bei der Leserschaft? Laut Prof. Hoeres gilt das in den meisten Fällen nicht. Besonders relevant ist unmittelbare Anerkennung der Leistung von Kollegen auf Plattformen wie zum Beispiel Twitter. Hier wäre ein unmittelbares Benchmarking der Leistung durch Kollegen möglich, was durch Reputationserzeugung zu u.a. besseren Jobchancen führen würde. Diese Peer Group sei für die Motivation von Journalisten maßgeblich – ein Phänomen, das auch bei Professoren auftrete.

Weiterhin sind Journalisten insbesondere ihrem Arbeitgeber verpflichtet, der wiederum seinen Anzeigenkunden verpflichtet ist, die er in so schwierigen Zeiten besser nicht verärgern sollte.

In eine ähnliche Richtung argumentiert auch Prof. Russ-Mohl, der im Interview mit Jan Josef Liefers zur Rolle der Medien vor einer Übernachfrage durch Social Media warnte, die Journalisten von der Bearbeitungen breiterer Themenspektren abhalte.

Besonders über Social Media sei die sogenannte “Hatespeech”, ein Problem, das die Politik nur vordergründig erkannt hat. Wobei “Hass und Hetze gerade von denjenigen ins Feld geführt wird, die damit einer eigenen Hass-Agenda folgen”, so Hoeres.

Deutschlands Exportschlager-Zensurgesetz, das NetzDG, lässt grüßen.

Prof. Hoeres zieht eine “ernüchternde Bilanz” zur Pressefreiheit in Deutschland. Diese sei zwar grundsätzlich geschützt, allerdings würde sie “durch politische, plattformspezifische, rechtliche und ökonomische Zwänge eingeschränkt”.

Bleibt die Frage, wie lange sich ein anachronistisches Modell, wie das des ÖRR, noch halten kann. Informationen sind eine Holschuld. Sich seine Informationen von einem ideologisierten Rundfunk anliefern zu lassen, war noch nie zeitgemäß.

Glücklicherweise erkennen diese Tendenz immer mehr Menschen. Einschaltquoten und Auflagen sprechen eine deutliche Sprache. Edward Bernays, Walter Lippmann, Marshall McLuhan, Gustave LeBon und andere Medientheoretiker und Massenpsychologen sind für viele Menschen längst keine Unbekannten mehr. Sie zeigen die bizarre Machtposition auf, die PR-Strategen durch die Massenmedien noch immer innehaben.

Der noch immer unrechtmäßig eingesperrte Julian Assange sagte 2011: “This generation is burning the mass media to the ground.” (Diese Generation wird die Massenmedien bis auf die Grundmauern niederbrennen.)

Die Anzeichen, dass Assange recht behalten könnte, häufen sich zumindest.

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Mario Martin ist Ökonom und arbeitet als Software-Projektmanager in Berlin.

Bild: Shutterstock
Text: Gast

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