Durch Deutschland geht ein Riss Spaltung als politisches Mittel

Ein Gastbeitrag von Dr. Bodo Neumann

Der neue Bundeskanzler Olaf Scholz lebt, wie es scheint, in einer anderen Welt: Er behauptet fast täglich, die deutsche Gesellschaft sei „nicht gespalten“. Es handele sich lediglich um eine „Minderheit“, die mehr oder weniger lärmenden Widerstand übe. Gleichzeitig betont er, dass er „auch Kanzler der Ungeimpften“ sei. Die Aussage legt nahe, dass es um den Zusammenhalt der deutschen Gesellschaft doch nicht so gut steht.

Die Spaltung in eine erschöpfte, verunsicherte Mehrheit und eine Widerstand leistende Minderheit ist besonders heikel, weil der zivilisierte Umgang zwischen Mehrheit und Minderheit den Kern unserer „Demokratie“ berührt. Natürlich bringt das eine Spaltung mit sich, je länger, umso tiefer. Jeder klar Denkende weiß: Eine Spaltung ist der Riss durch ein Ganzes, das deswegen kaum noch reparabel ist. Der Riss, der jetzt durch Deutschland geht, wird durch Spaltung als politisches Mittel forciert werden.

Es wird immer wieder behauptet, die deutsche Gesellschaft sei nicht in der Mitte gespalten, also hälftig, aber sie läge bei der Linie von 75 Prozent gegen 25 Prozent, vielleicht auch bei 80 Prozent gegen 20 Prozent. Befragungen zur „Corona-Impfung“ zeichnen ein anderes Bild. In etwa vierzig Prozent der vollständig geimpften Personen sind „geimpfte Corona-Impfskeptiker“, die weder aus Angst vor dem Virus noch wegen der vermeintlichen Wirksamkeit des „Impfstoffes“ sich haben „impfen“ lassen, sondern weil sie ihr „altes Leben zurück“ haben wollten und nun bitter enttäuscht sind, dass diese Annahme nicht eingetroffen ist. Insbesondere die jungen Leute hatten auf „Normalität“ gehofft.

Fasst man die Gruppe der „Corona-Impfskeptiker“ und die der „geimpften Corona-Impfskeptiker“ zusammen und stellt sie der Gruppe der „geimpften Corona-Impfenthusiasten“ gegenüber, zeigt sich, dass die deutsche Gesellschaft in der Mitte gespalten ist, also doch hälftig.

Mehr als fünfzehn Millionen erwachsene Ungeimpfte in Deutschland mit weiträumigen 2G-Regeln, die sie von großen Teilen des öffentlichen Lebens ausschließen, unter Druck zu setzen, ist mehr als bedenklich, und im höchsten Grade spalterisch. Diese Regeln gelten unbefristet. Mögliche Lockerungen werden – anders als bislang – nicht in Aussicht gestellt und auch nicht an das Erreichen bestimmter Ziele geknüpft, zum Beispiel an eine Impfquote von 80 Prozent oder an das dauerhafte Unterschreiten einer gewissen Inzidenzzahl.

Olaf Scholz versucht gar nicht erst, Corona-Impfskeptiker zu überzeugen. Er verlässt sich auf ihren Obrigkeitsglauben. „Wir sind ein Land, in dem sich die allermeisten an die Gesetze halten. Wir halten vor roten Ampeln an. Wir achten die Verkehrsregeln. Nicht, weil uns überall gleich die Polizei kontrolliert. Sondern weil es zu unserer Natur gehört, dass wir uns an solche Regeln halten.“

Die Farce von Scholz

Seine Aussage verkommt allerdings zur Farce. Denn schon wenige Zeilen weiter droht der Kanzler den Menschen mit einer verfassungsrechtlich fragwürdigen allgemeinen Impfpflicht, die er im Wahlkampf noch ausgeschlossen hatte.

Er hätte auch sagen können: „Wir schaffen das.“ Scholz sieht sich in der Kontinuität von Angela Merkel, die 2015 Deutschland durch die unkontrollierte Einwanderung nachhaltig gespalten hat. Aber die Raute kann auch täuschen: Wenn diese Regierung ernst macht, wird sich das Land verändern. Denn es gibt für Scholz keine „rote Linien mehr“:

„Wir werden alles tun, was erforderlich ist. Wir werden weitere Schritte gehen, die leider auch jene Bürgerinnen und Bürger treffen, die bisher alles richtig gemacht haben und zweimal, oftmals sogar bereits dreimal geimpft sind. Aber ich betone das hier ausdrücklich noch mal: Für meine Regierung gibt es keine roten Linien mehr bei dem, war zu tun ist. Es gibt nichts, was wir ausschließen.“

Was aber werden Scholz und sein „kongenialer“ Gesundheitsminister Karl Lauterbach nun als nächste „Corona-Maßnahme“ einleiten – die unsere Gesellschaft noch weiter und tiefer spalten könnte? Vor allem die neue Virusvariante Omikron ruft bei ihnen „Sorgen“ hervor, da sie womöglich noch ansteckender als die derzeit dominierende Delta-Variante sei. Das neue „Expertenteam“ erwartet eine schnelle Ausbreitung des Virus in Deutschland. Wegen Omikron hat das Robert Koch-Institut (RKI) seine Risikobewertung verschärft. Genesene und doppelt Geimpfte gelten nun als hoch gefährdet. Mit dem Booster sinkt angeblich das Risiko einer Infektion aber wieder!

Was aber werden die Politiker und insbesondere Scholz und Lauterbach machen? Sie werden weiter vor einer Spaltung der Gesellschaft warnen und sie doch weiter forcieren. Aber nur gemeinsam könne man die Krise überwinden, werden sie in schönster Einigkeit versichern.

Keine Rückgabe der Allmacht geplant

Was sie aber meinen, ist etwas ganz anderes: Sie wollen ihre Allmacht nicht preisgeben, an die sie sich in der Corona-Krise gewöhnt haben. Bund und Länder verhärten jetzt schon die Einschränkungs-Maßnahmen massiv. Werden sie wieder Schulen und Geschäfte schließen? Werden sie wieder Sperrstunden verhängen, Reisende in Quarantäne schicken oder die willkürliche Verringerung des Bewegungsradius auf wenige Kilometer einführen bzw. nächtliche Ausgangssperre und eine Beschränkung von Kontakten auf eine Person einführen?

Was aber viel gravierender sein wird, ist die „Dauerschleife“ „Blocken, Bremsen und Boostern“, die zu keinem Ende kommen wird. Der doppelt Geimpfte wird zum Ungeimpften und der nicht nach drei Monaten Geboosterte wird dann auch wieder zum Ungeimpften und so weiter und sofort. Mit dieser „Impfstrategie“ zur Immunisierung der Gesellschaft werden wir zu „Impf-Lemmingen“ degenerieren, deren natürliches Immunsystem massiv beeinträchtigt wird.

Und was wird danach kommen: Impfpflicht für alle? Ist so gut wie durch! Aufbau eines Impfregisters? Wird aktuell von „Experten“ geprüft. Impfzwang? Wird kategorisch ausgeschlossen. Zitat von Jens Spahn dazu: „Ich habe das Bild schon vor Augen, wie wir Sahra Wagenknecht dann mit der Landespolizei zum Impfen schleppen. Das ist absurd (…).“ Warten wir es ab!

Die „übergriffigen“ Maßnahmen in der „Corona-Pandemie“ werden durch fragwürdige Gesetze, Urteile und Verordnungen legitimiert wie z. B. das Gesetz zum Infektionsschutz, die „epidemische Notlage von nationaler Tragweite“ und das BGH-Urteil, dass der Schutz von Leben und Gesundheit auch einschneidende Corona-Maßnahmen des Staats rechtfertigt.

Dieser Maßnahmenstaat orientiert sich zwar oberflächlich an diesen fragwürdigen Rechten, ist aber fast ausschließlich an Überlegungen der situativ-politischen Zweckmäßigkeit ausgerichtet. Entscheidungen werden „nach Lage der Sache“ getroffen. In diesem Sektor „fehlen die Normen und herrschen die Maßnahmen“.

Es ist durchaus möglich, dass auch solche Gesetze und die abgeleiteten Maßnahmen totalitäre Entwicklungen beschleunigen, die unabsichtlich bzw. unwissentlich auch in Deutschland ablaufen könnten. Die Mitgliedschaft im regierenden Apparat kann dann bei Funktionsträgern zu der gefährlichen Versuchung führen, lange unterdrückte Gefühle von Allmacht zu aktivieren. Eine Führungsperson zu sein, viel Macht zu haben und verantwortlich zu sein für das Leben anderer Menschen, ist ein gewaltiger Test für die menschliche Psyche. Jede Form von Führung ohne effektive Kontrolle kann sich dann nach und nach in eine „Corona-Diktatur“ entwickeln.

Alarmist und Panikmacher

Dieser Verantwortung müssen sich vor allem Kanzler Olaf Scholz, für den es keine „rote Linien mehr“ gibt und der mit dieser Aussage eine weitere Spaltung hervorruft sowie seinen Minister Karl Lauterbach, der bisher in der „Corona-Pandemie“ als Alarmist und Panikmacher aufgetreten ist und Horror-Szenarien an die Wand gemalt hat, von denen keines eingetreten ist, die aber zur weiteren Spaltung des Landes signifikant beigetragen haben, bewusst sein und stellen.

In einer demokratischen Regierung verlangen diejenigen, die in verantwortliche Positionen gewählt wurden, Kontrollen und Einschränkungen für sich selber, wissend, dass niemand ohne Fehler ist. Demokratie verlangt eine hohe Wachheit und geistige Aktivität ihrer Mitglieder. Jede Eigenschaft in uns und in unserem Führungspersonal, die auf passive Unterwerfung hindeutet, gefährdet demokratische Freiheiten.

Demokratie ist die Basis der Würde des Menschen und das Recht, selbst zu denken, das Recht auf eine eigene Meinung, mehr noch, das Recht, die eigene Meinung auch ausdrücklich geltend zu machen und sich gegen das Eindringen in seine Psyche und psychischen und physischen Zwang zu schützen.

Daher sollte in einer demokratischen Gesellschaft jederzeit zu persönlicher und kollektiver Selbstkritik aufgefordert werden. Die Einigung über das, worüber wir uns uneinig sind, ist der erste Schritt für das tatsächliche Verstehen. Dann könnte der Riss, der jetzt durch Deutschland geht, zumindest in Teilen geheilt werden, ohne dass die Spaltung der Gesellschaft als politisches Mittel zum Einsatz kommt.

Ob diese Einsichtsfähigkeit und der Wille dazu bei den regierenden „Ampelmännchen“ vorhanden ist, muss allerdings stark bezweifelt werden.

Daher möchte ich gerne noch für all jene, die weiterhin mit wachem und kritischem Geist dem „kollektiven Wahnsinn“ Paroli bieten, möchte ich mit Chaim Noll schließen, der das 2. Buch Mose 23,2 zitiert und dazu so treffend weiter ausführt: „Der jahrtausendealte Satz ‚Folge nicht der Mehrheit zum Bösen‘ hat seine Gültigkeit nie verloren. Es gibt keine Verpflichtung, der Mehrheit zu folgen. Sie kann in die Irre gehen. Dann zählen die wenigen, die den Mut hatten, einen anderen Weg einzuschlagen.“

„Ich erinnere daran in Tagen, in denen eine – oft nur dreist proklamierte – Mehrheit zum Fetisch erhoben wird und Abweichler, Andersdenkende, alle Arten ‚Verweigerer‘ und ‚Leugner‘ der Mehrheitsmeinung von Delegitimierung, Denunziation, Ausgrenzung und Verfolgung betroffen sind. Gerade in solchen Tagen sollte man der Mehrheit nicht folgen. Sondern die uralte Weisheit beherzigen, dass es sich oft außerhalb der Mehrheit besser leben lässt. Trotz aller Nachteile, aller Drohungen und Gefahren. Sie sind nicht von Dauer. Wie auch die Mehrheit nicht.“ (Achgut, 17.11.2021).

Bleiben wir wachsam!

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen, und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Bodo Neumann ist promovierter Diplompsychologe. Er verfügt über langjährige Beratungs- und Forschungserfahrungen, die er einsetzt für Menschen in Veränderungssituationen, die ihre Signatur-Stärken entfalten wollen und somit lernen, ihre Erfolgspotentiale zu erkennen und zu entwickeln.

 

Bild: Shutterstock 
Text: Gast

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