Von reitschuster.de
Rechtsanwalt Dirk Sattelmaier ist empört. Vor dem Amtsgericht in Solingen stand sein Mandant, ein Journalist, wegen einer Ordnungswidrigkeit vor Gericht, weil der auf einer Versammlung anwesend war, die vom Richter im Zuge der Corona-Maßnahmen als verboten eingestuft wurde.
Folgendes war passiert: Der Journalist – unter anderem für Rubikon und Epoch Times tätig – besucht eine politische Versammlung gegen die Corona-Maßnahmen, an der etwa 65 bis 70 Personen teilnehmen, und will darüber berichten. Er wollte recherchieren über Maßnahmenkritiker und wurde zu dieser Versammlung explizit eingeladen als Journalist. Auf der Versammlung hätte es Redebeiträge und Diskussionsrunden gegeben, erzählt Anwalt Sattelmaier.
Im Laufe der Versammlung stürmt die Polizei den Versammlungsort, nimmt die Personalien der Anwesenden auf und löst die Versammlung auf.
In einem Video zur Sache sagt Anwalt Sattelmaier, dass die Versammlung seiner Auffassung nach im privaten Bereich stattgefunden hätte, „also im Schutzbereich des Artikel 13“, damit ist die Unverletztlichkeit der Wohnung gemeint. Nun könnte man als Laie einwenden, selten hätte man siebzig Personen zu Gast in seiner privaten Wohnung, aber auch das soll schon mal vorgekommen sein.
Die Anwesenden erhalten jeweils eine Bußgeldforderung wegen einer Ordnungswidrigkeit über 250 Euro. Der Journalist legt dagegen Einspruch ein, so dass es zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht in Solingen kommt.
Dirk Sattelmaier (links, mit Mandant) hatte zuvor schon vor demselben Richter eine Teilnehmerin besagter Versammlung vertreten, die verurteilt wurde, „weil es sich um eine verbotene Versammlung gehandelt haben soll und eben nicht um eine Versammlung im Sinne des Artikel 8“, führt der Anwalt weiter aus. Artikel 8 Absatz 1 des Grundgesetzes lautet: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“
Für Sattelmaier ist die Verurteilung seines Mandanten ein „Skandal“, der nämlich war in seiner Tätigkeit als Journalist unterwegs.
So ein Urteil ist deshalb von besonderer Relevanz und von großem öffentlichen Interesse, weil es zukünftige journalistische Tätigkeit einschränkt, wo Journalisten nicht mehr von politischen Versammlungen berichten können oder aus Sorgen vor juristischen Konsequenzen nicht mehr wollen.
Es ist noch nicht einmal so, dass Journalisten sich auf einer verbotenen oder mutmaßlich verbotenen Versammlung in ihrer Funktion als Journalisten grundsätzlich nicht aufhalten dürfen. So kann es durchaus sein, dass der Rechtfertigungsgrund „Pressefreiheit“ indiziert eine Rechtswidrigkeit ausschließt, Grundrechte können sogar ein gewichtiger Rechtfertigungsgrund sein.
Was bedeutet: Hier mag eine Ordnungswidrigkeit möglicherweise sogar erfüllt sein, aber der Beschuldigte muss gleichzeitig rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.
Anwalt Sattelmaier berichtet, dass sein Mandant vor dem Richter des Amtsgerichts „eindrucksvoll“ mitgeteilt hätte, dass er Journalist ist und regelmäßig Corona-Maßnahmenkritiker beobachtet und darüber berichtet. Sein Mandant hätte im Übrigen auch „kein Hehl daraus gemacht“, dass auch er die Maßnahmen kritisch sieht. Gleichwohl hätte der Richter nach kurzer Beweisaufnahme den Betroffenen verurteilt, „mit einer abenteuerlichen Begründung“, so Sattelmaier.
„Ich bin entsetzt, dieses Urteil ist wirklich ein Schlag ins Gesicht der Pressefreiheit in Deutschland“, erklärt der verurteilte Journalist im gemeinsamen Video mit Sattelmaier, unmittelbar nach der Verurteilung aufgenommen. Er hätte vor Gericht glaubwürdig mitgeteilt, dass er seiner journalistischen Pflicht nachgekommen sei, mit einer Gruppierung der Maßnahmenkritiker ins Gespräch zu gehen. Für ihn bestand im Vorfeld der Verhandlung eigentlich kein Zweifel daran, dass er freigesprochen werden würde.
Ein Problem für den Richter könnte es gewesen sein, führen Anwalt und Mandant weiter aus, dass der Journalist sich nicht unmittelbar bei der Feststellung der Personalien vor Ort gegenüber der Polizei als Pressevertreter ausgewiesen hat. Das allerdings ist aus verschiedenen, leicht nachvollziehbaren Gründen nicht immer möglich oder gar angeraten.
Ein Polizist, der beim Einsatz anwesend war, sagte ebenfalls vor Gericht aus. Der Anwalt des Journalisten fragte den Beamten, wie der denn reagiert hätte, wenn sich sein Mandant als Pressevertreter ausgewiesen hätte. Der Beamte soll gesagt haben, er wüsste es nicht, er hätte so eine Situation zuvor nie erlebt.
Der Richter führt in seiner Begründung unter anderem an, der Beschuldigte hätte sich als Journalist der rechtlichen Lage bewusst sein müssen. „Der Richter“, so der Journalist, „ist in der Urteilsverkündung in keinem einzigen Satz auf unsere Argumente eingegangen.“ Dirk Sattelmaier ergänzt noch einmal, der Richter hätte eindeutig gesagt, der Journalist sei Teilnehmer der Veranstaltung gewesen und nicht der journalistischen Tätigkeit nachgegangen.
Der Richter nahm dem Angeklagten ab, dass dieser als Journalist tätig ist, aber nicht, dass er auf jener Versammlung journalistisch tätig war. Das allerdings ist besonders dünnes Eis und hat als Entscheidung möglicherweise auch verheerende Wirkung auf die zukünftige journalistische Arbeit. Denn dann würde man sich schon in Gefahr begeben, vom berichtenden Journalisten zum aktiven Teilnehmer zu mutieren, wenn man nur sein Wurstbrot auspackt und sich für den Moment keine Notizen macht oder das Gespräch mit einem Teilnehmer sucht.
Höchstwahrscheinlich ist es in solchen Fällen auch vorteilhaft, journalistischer Vertreter der Altmedien zu sein, dann nämlich ist schon die reservierte Haltung der versammelten Maßnahmengegner besonderer gerichtsfester Hinweis für die journalistische Tätigkeit.
Bild: privatText: reitschuster.de
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