Endet böse: Sachsen-Anhalt und die AfD bei Anne Will Unerträgliche westdeutsche Arroganz

Ein Gastbeitrag von Alexander Wallasch

Sachsen-Anhalt hat gewählt und diese Wahl hält gleich drei Überraschungen parat: Die CDU hat deutlich hinzugewonnen, der AfD konnten interne Probleme ebenso wenig etwas anhaben, wie die multiple Diffamierungskampagne des polit-medialen Komplexes – ihr hoher Stimmanteil als zweite Kraft im neuen Bundesland jedenfalls blieb oberhalb der Zwanzigprozentmarke.

Und die für die kommende Bundestagswahl bedeutsamste Nachricht betrifft die Grünen, die entgegen eines per Umfragen behaupteten Hochs auch im Osten kaum oberhalb der Fünfprozenthürde Schiffbruch erlitten haben – hier jedenfalls haben die Ostdeutschen die medial herbeigesehnten zweistelligen Ergebnisse für die Grünen und damit für die Grüne Annalena Baerbock kassiert. Der Anfang vom Ende einer biografiekorrigierten Kanzlerkandidatin?

Am Wahlabend bei Anne Will diskutieren sollen der grüne Co-Parteichef Robert Habeck gemeinsam mit dem hessischen CDU-Ministerpräsidenten Volker Bouffier. Für die Linke kommt die in ihrer Partei mittlerweile arg gelittene Sahra Wagenknecht, die zudem zuletzt ziemlich kläglich mit ihrer Aufstehen-Bewegung scheiterte.

Für die Altmedien ist Nadine Lindner in der Runde, sie gehört zum Deutschlandradio-Hauptstadtstudio, auch so ein Sender, der linksgrüne Narrative nicht nur bedient, sondern diese immer wieder mit großer Freude neu anfacht.

Das wäre es beim Zwangsgebühren finanzierten ÖR-Fernsehen normalerweise gewesen, aber um einen AfDler kam man dieses Mal nicht herum: Wollte Maybritt Illner zuletzt den achtzigjährigen Alexander Gauland vorführen – was ihr im Übrigen nicht gelang –, soll es bei Anne Will der Oberlausitzer AfD-Parteivorsitzende Tino Chrupalla sein.

Ex-Journalist Frank Plasberg

Zwei Talkshows in Folge mit Beteiligung der AfD! Das sollte für den Oppositionsführer in einem demokratischen Land im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zwar normal sein, wurde aber das letzte Jahr hindurch fast durchgängig verweigert – der ehemalige Journalist Frank Plasberg hatte Gauland sogar irgendwann aus politischen Gründen Hausverbot erteilt –. Auweia.

Denken wir uns den Ministerpräsidenten und die Hörfunkfrau einmal weg, könnte das eine ganz interessante Runde werden. Also los geht’s mit Anne Will und der Frage, ob Sachsen-Anhalt nun der Stimmungstest für die Bundestagswahl war und wenn ja, was es bedeutet.

Nadine Lindner fragt sich, ob Sachsen-Anhalt ein neues Politmodell gezeigt hätte: Dort die Ministerpräsidentenpartei wechselnder Parteizugehörigkeit, dicht gefolgt von der AfD und dahinter die Zwerge, „aus denen man sich wie im Baukastenprinzip neue Koalitionen zusammensetzt.“

Das ist zugegeben scharf beobachtet und ein starker Auftakt.

Immer wieder wird die Hochrechnung eingeblendet und tatsächlich liegen da zwischen CDU und AfD Welten von etwa fünfzehn Prozent. Da muss man sich ja fast wieder fragen, ob es eine Finte aus Politik und Medien war, hier fast kampagnenartig ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen AfD und CDU zu behaupten – hier sollten Fachleute jetzt in die Analyse gehen, zu welch einem Wahlverhalten solche Fehlprognosen führen. Möglicherweise ja mit erstaunlichen Ergebnissen. Allerdings hatte auch der AfD-Spitzenkandidat Oliver Kirchner dieses Kopf-an-Kopf-Rennen gerne weitertransportiert.

Auch interessant: Nadine Lindner weiß um eine Umfrage, die ergeben hätte, dass über fünfzig Prozent der Bürger Sachsen-Anhalts unzufrieden sind, das wäre eigentlicher Auftrag für die Parteien. Die Wahlbeteiligung lag knapp über sechzig Prozent, also hier zudem eine schweigende Masse von fast vierzig Prozent Nichtwählern.

Grüne sehen Probleme mit Themen

Robert Habeck will beobachtet haben, dass bestimmte Themen, die in der Gesellschaft breit diskutiert werden und auch mehrheitsfähig sind, „in bestimmten Regionen in Deutschland eben nicht funktionieren.“

Möglicherweise ja dort, wo diese links-grünen Nötigungen an den Menschen und Unternehmen eben nicht greifen, wo das Begehren Weniger, dieses Deutschland radikal zu verändern, eben keine Akzeptanz findet und zudem die Sattheit des westlichen Wattekomforts fehlt. Sachsen-Anhalts Haushalte nämlich liegen 700 Euro unter dem Monatsverdienst im deutschen Durchschnitt.

Robert Habeck will ganz lässig über das desaströse Wahlergebnis seiner Grünen hinwegwischen: „Die spannende Debatte ist, wie schaffen wir es, einen gemeinsamen Diskurs zu führen, dass nicht die eine Hälfte Anne Will guckt und sagt: „Buah, gut, was die da diskutieren“ und die andere Hälfte sagt: „Unmöglich, die reden völlig an unserer Lebenswirklichkeit vorbei. Dann haben wir zwei Deutschlands und nicht mehr eine Gesellschaft.“

Tatsächlich muss man sich als grüne Führungskraft erst einmal so eine zynische Frechheit trauen. Denn genau dafür haben ja die Grünen in den letzten Jahren gesorgt! Und zwar nicht zuerst für eine Spaltung West-Ost, sondern quer durch das Land mit einer Ideologie, die Deutschland in kürzester Zeit via Zuwanderung und Klimadrama radikal verändern will. Und die Grüne Katrin Göring-Eckardt hatte frohlockend angemerkt, dass sie sich darauf freuen würde.

Also was erwartet Habeck von den Bürgern? Der Spalter beklagt die Spaltung. Lächerlich.

Die ewige Frage der Distanzierung

Ach so, dann war da ja noch der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla. Und die erste Frage von Anne Will geht gleich mal dahin, warum er sich nicht von den Rechtsextremen distanzieren würde. Hatte Will zuvor Habeck gefragt, warum er sich nicht von den Linksextremen distanziert, warum im Mittelmeer eine Antifa-Flotte Migranten aufnimmt und in die EU bringt, auch quasi auf Geheiß der Partei von Habeck? Nee, hat Anne Will nicht.

Warum sich Tino Chrupalla in den Interviews, die Anne Will in den letzten Stunden gesehen habe,  „konservativ-bürgerlich“ gegeben hätte – wo er doch extremistisch sei, will sie wissen. Und das sagt sie direkt im Anschluss an Habeck, der gerade Anne Wills Sendung als Spaltpilz hingestellt hatte. Quod erat demonstrandum.

Aber Chrupalla lässt sich gar nicht auf diese Begrüßungsstigmatisierung ein. Stattdessen erzählt er der Runde mal zur Erinnerung, wer jetzt die beiden Volksparteien in Sachsen-Anhalt sind. Und er geht noch weiter, spricht vom erklärten Wählerwillen einer Regierung aus CDU und AfD.

Anne Will soll Chrupalla mal sagen, welche extremistische Position sie meint, sagt der. Will zitiert dann aus dem Parteiprogramm der AfD etwas von Stimmung gegen „Wirtschaftsmigranten“. Da würde auch die Gefährlichkeit des Coronavirus bezweifelt und vor Impfungen gewarnt. Wenn nun aber Anne Will so etwas für extremistische Positionen hält, dann müsste Extremismus allerdings eine demokratisch notwendige Position bei der Wiederaufnahme des gesellschaftlichen Diskurses sein. Bei Anne Will jedenfalls erneut die totale Verlotterung der Begriffe.

Extremistische Regierung in Kopenhagen?

Ach so: Die AfD würde fordern, „Kinder von Geflüchteten in Sonderklassen zu unterrichten.“ Mal davon abgesehen, dass die AfD sicher nicht von „Geflüchteten“ gesprochen hat, muss hier mal eines attestiert werden: Die aktuelle Haltung beispielsweise der dänischen Regierung wäre danach auch extremistisch. Unerträglich übrigens dazu das süffisante Besserwessigrinsen von Robert Habeck. Das allerdings wird ihm noch vergehen, aber dazu gleich mehr.

„Wir sind die einzig wahrnehmbare Oppositionspartei im Bundestag“, behauptet Tino Chrupalla in die Runde. Da glaubt Anne Will die Kamera nicht auf sich gerichtet und dreht sich hochmütig grinsend leicht zu Habeck rüber, der natürlich sofort Pfötchen gibt.

Diese Arroganz von Habeck ist wirklich unerträglich. Hier wird er patzig, aber als Annalena Baerbock ihn im Vorbeigehen weggetreten hat, da hat ihm dieses unschöne Grinsen ganz gefehlt.

Wagenknecht schaltet sich ein und man sieht sofort, sie will die Situation nutzen, ein paar ihrer neuen Schnittmengen mit der AfD hier wenigstens verbal wegzubügeln: ihre Partei sei doch auch Opposition. In welcher Frage aber? Bei den Grundrechten? Bei der Massenzuwanderung? Nein, in diesen Fragen sind die Linken sogar Wurmfortsatz der Bundeskanzlerin gewesen.

Wagenknecht macht aber noch auf ein ganz anderes Drama aufmerksam: „SPD und Linke hatten in Sachsen-Anhalt mal über 50 Prozent! Jetzt sind es noch nicht einmal mehr zwanzig.“ Klar, aber damals wollte die SPD nicht mit der Linken. So wie die CDU heute nicht mit der AfD will. Mittlerweile würde die SPD die Linke allerdings mit Kusshand nehmen. Der Zug ist jedoch abgefahren.

„Aber das Problem ist eben“, fasst Wagenknecht noch einmal in einem starken Moment zusammen, „solange wir uns an Debatten beteiligen (…) die viele Menschen als Affront auf ihre Lebensentwürfe verstehen, solange werden wir diese Menschen auch nicht erreichen.“ Vorher hatte die ehemalige Fraktionsvorsitzende die Nase gerümpft über die Genderdebatte.

Der Stummfilm-Pianist aus Hessen

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier spricht minutenlang und man fragt sich sogar noch ein paar Minuten länger, was er überhaupt sagen wollte. Ehrlich, so haben früher Pianisten Stummfilme begleitet: einfach mal drauflos gespielt ins Blaue hinein.

Aber natürlich: Seine Partei hat heute gewonnen und das trotz eines Ostbeauftragten der Bundesregierung, der den Ostdeutschen vor der Wahl ihre demokratische Eignung mal eben ganz abgesprochen hatte. „Die Transformation, wie kommen wir dahin ohne dass es viele Verlierer gibt“, fragt Bouffier noch. In Sachsen-Anhalt haben allerdings fast vierzig Prozent Nichtwähler und über zwanzig Prozent für die AfD möglicherweise klar gemacht, was sie grundsätzlich von der Idee einer so ominösen „Transformation“ halten.

Sahra Wagenknecht möchte gerne noch wissen, in welcher Diktatur denn eigentlich die Franzosen sozialisiert wurden, wo Marine Le Pen bei fast jeder Wahl über zwanzig Prozent bekommt und gute Chancen hätte, nächste Präsidentin zu werden. Tja, da schweigt die Runde als hätte man ihr das Spielzeug weggenommen und Wagenknecht nutzt die Pause gerne.

Und weil es gerade so schön ist, knallt der Ostdeutsche Tino Chrupalla noch einen drauf. Er fände es absolut demütigend, dass es 31 Jahre nach der Wiedervereinigung überhaupt noch einen Ostbeauftragten gäbe: „Was soll das denn überhaupt darstellen?“ Und weil immer noch keiner die Sprache wiedergefunden hat, fordert er bei zwanzig Prozent Grüne in Westdeutschland einen West-Beauftragten. Also das ist sicher der unangefochtene Brüller des Abends, aber keiner lacht. Und er legt noch einen drauf: Stephan Brandner (AfD, MdB) solle den Westbeauftragten geben. Und weil immer noch keiner spricht oder lacht, erzählt Chrupalla noch von seiner Zeit bei der Jungen Union. Das ist mindestens vom Unterhaltungswert her wunderbar.

Wattierte Westdeutsche Welt

Robert Habeck findet, dass die Veränderungserfahrung das Problem wäre. Sagt der Fastkanzlerkandiat der Partei der Wohlstands-SUV-Fahrer, die sich ja nach Veränderungen zu sehnen scheinen, weil in ihrer wattierten Welt nichts Aufregendes mehr passiert. Während demgegenüber viele Ostdeutsche eben sehr genau spüren, wo das nächste Umweltthema wieder mehr Geld aus dem leeren Geldbeutel saugen wird.

„Wir müssen unseren Wohlstand neu begründen“, sagt Habeck. Und merkt gar nicht, was das eigentlich für ein Schlag ins Gesicht jener Menschen ist, die gerne im Wohlstand leben würden, aber immer nur auf das wohlständige grüne Klientel schauen dürfen. Welches ihnen dann beispielweise in der Kita schon erzählt, wie sie ihre Kinder erziehen sollen.

Was für ein abgehobener Politiker ist dieser Habeck bloß, der fast schon alberner Weise so lange Wert darauf gelegt hat, der nette Typ von nebenan zu sein. Als Anne Will von Habeck wissen will, warum der Baerbock-Effekt nicht geholfen hat, schwimmt der bedrohlich.

„Wir leben in einer Zeit, wo Veränderungen der Status quo sind!“ wird Habeck laut gegenüber Chrupalla. Dass das aber eine sehr grüne Position ist und nicht gottgegeben, unterschlägt der Nicht-Kanzlerkandidat. Und dann erklärt Habeck der Runde mit Händen und Füßen, aber frei von Kompetenz, dass man mit Klimaschutz Geld verdienen kann.

Bloss kein Brabbeln

Aber das hätte er besser lassen sollen. „Das versteht doch keiner!“, lacht Chrupalla. Recht hat er. Dann flunkert Anne Will sogleich, um Habeck vor der AfD zu schützen: „Aber ich hab verstanden.“ Und als er sich vollkommen verheddert hat, beleidigt Habeck den AfD-Parteichef, der soll ihm nicht immer „dazwischenbrabbeln“. Sagt jener Habeck, der davor immer Chrupalla dazwischengebrabbelt hat.

Es ist also noch lustig geworden zum Schluss, der Angriff auf den AfD-Chef ganz verpufft, Habeck zum Schluss ganz schweißig von der Anstrengung, irgendwas zu erklären, das keiner verstanden hat. Und was Wagenknecht obendrauf noch falsch fand, weil die wohl ungefähr ahnte, wo der verhedderte Habeck hinwollte.

Schlusssatz von Frau Lindner vom Deutschlandradio, an den hessischen Ministerpräsidenten gerichtet: Eine Abgrenzung von der AfD würde sich auszahlen, das hätte die Wahl gezeigt.

So richtig gelungen ist diese Abgrenzung in dieser Sendung dann aber doch nicht. Warum? Weil die Abgrenzung von den Ostdeutschen durch solche überheblichen West-Politiker, wie Robert Habeck einer ist, das viel stärkere Gift ist für den Zusammenhalt in der Gesellschaft.

 

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger. Er schrieb schon früh und regelmäßig für Szene-Magazine Kolumnen. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Volkswagen tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann) schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“

Bild: Screenshot/ARD
Text: Gast
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