Forscher zerlegen Panikmache vom „Eisfrei-Mythos“ an den Polen Eisfläche der Antarktis um mehr als 5.300 km2 gewachsen

Von Kai Rebmann

Es ist gerade etwas über einen Monat her, als die Panikmache in den deutschen Medien über eine vermeintlich historische „Rekord-Dürre“ am Gardasee als Hütchenspiel entlarvt werden konnte. Erst gestern twitterte Boris Reitschuster über einen aktuellen „FOL“-Online-Artikel und dessen nicht minder alarmistische Überschrift: „Die Arktis könnte schon in zehn Jahren weggeschmolzen sein.“

Das überrascht! Denn eigentlich dürfte es den Nordpol in seiner bisherigen Form schon längst nicht mehr geben. Zur Erinnerung: Bereits im Jahr 2009 orakelte Al Gore, „dass die Wahrscheinlichkeit, dass die gesamte nordpolare Eiskappe in einigen Sommermonaten innerhalb der nächsten fünf bis sieben Jahre vollständig eisfrei ist, bei 75 Prozent liegt.“

Passiert ist bekanntlich – nichts! Wie eigentlich fast immer, wenn derartige Horror-Szenarien an die Wand gemalt werden. Das wäre auch weiter nicht verwerflich, wenn die dazugehörige Diskussion nicht immer und immer wieder gut erkennbar in nur eine Richtung und unter ausdrücklicher Negierung von gegenteiligen Meinungen ausgetragen würde. Denn schließlich sind Prognosen grundsätzlich schwierig – vor allem dann, wenn sie die Zukunft betreffen. Und das gilt natürlich auch für das Klima.

Was bis 2015 (und bis heute) nicht passiert ist, soll laut „FOL“ jetzt also bis spätestens 2033 nachgeholt werden, diesmal aber wirklich und ganz bestimmt!

Eisschilde in der Antarktis wachsen kontinuierlich

Wenn Aussagen über die Zukunft allzu oft also dem berühmten Blick in die Glaskugel gleichen, dann könnte man sich stattdessen an der jüngeren Vergangenheit orientieren. Das hat zum Beispiel ein Team um die Klimaforscherin Dr. Julia R. Andreasen von der Universität Minnesota getan. In der entsprechenden Studie „Change in Antarctic ice shelf area from 2009 to 2019“ ging es zwar nicht um das Eis in der Arktis, wie bei Al Gore, sondern um jenes in der Antarktis, also am Südpol.

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Die am 16. Mai 2023 veröffentlichten Ergebnisse brachten geradezu Unerhörtes ans Licht: „Insgesamt ist die Fläche des antarktischen Schelfeises seit 2009 um 5.305 km2 gewachsen, wobei 18 Schelfeise zurückgegangen sind und 16 größere Schelfeise an Fläche zugenommen haben. Unsere Beobachtungen zeigen, dass die Eismasse der antarktischen Schelfeise im letzten Jahrzehnt um 661 Gigatonnen an Eismasse zugenommen hat, wohingegen der stationäre Ansatz einen erheblichen Eisverlust im gleichen Zeitraum schätzen würde, was zeigt, wie wichtig es ist, Beobachtungen des Kalbungsflusses mit zeitlicher Variable zu verwenden, um Veränderungen zu messen.“

Andreasen verließ sich also nicht blind auf Klima-Modelle aus dem Computer, die mit der Realität oft nichts zu tun haben, sondern arbeitete stattdessen mit Messungen und Beobachtungen. Denn: Auch die besten Computer können ihre Modelle nur auf Grundlage von Daten berechnen, die ihnen irgendjemand – auf jeden Fall aber ein Mensch – zur Verfügung stellt.

Erklärung für lokale Unterschiede

In den Medien ist hingegen immer nur von einem Rückgang bis hin zum vollständigen Verschwinden der Eisflächen an den Polen zu lesen. Besonders gerne wird über gigantische „Kalbungen“ berichtet, bei denen nicht selten mehrere hundert oder sogar tausend Quadratkilometer des Eisschildes abbrechen und so einen neuen Eisberg gebären.

Und: Diese Ereignisse gibt es tatsächlich, wie die Autoren der Studie ausdrücklich klarstellen. In Wirklichkeit sind sie aber wohl der Grund dafür, dass das Eisschelf in der Antarktis zwischen 2009 und 2019 letztlich „nur“ um insgesamt 5.305 Quadratkilometer bzw. 661 Gigatonnen zugenommen hat.

Die größten Eisverluste mussten im vergangenen Jahrzehnt auf der Antarktischen Halbinsel (6.693 Quadratkilometer) und in der Westantarktis (5.563 Quadratkilometer) verzeichnet werden. Als Beispiel führen die Forscher ein „einzelnes Kalbungsereignis im Jahr 2017“ auf, das auf dem Larsen-C-Eisschelf quasi über Nacht zu einem Verlust von 5.917 Quadratkilometern geführt hat.

Im Gegensatz dazu wurde auf dem Ronne-Schelfeis die größte Flächenzunahme (5.889 Quadratkilometer) beobachtet, was Andreasen auf einen „allmählichen Vormarsch“ und ein durchschnittliches Wachstum von rund 535 Quadratkilometer pro Jahr zurückführt. Kurz und vereinfacht ausgedrückt: Für Verluste sind nicht selten einzelne Kalbungsereignisse, sprich Abbrüche verantwortlich, während die Eismasse ansonsten tendenziell langsam, dafür aber stetig zunimmt.

Beispiel: Im Jahr 2010 kollidierte der Mertz-Gletscher mit einem Eisberg namens „B-09B“, der seinerseits im Jahr 1987 durch Kalbung vom Ross-Schelfeis entstanden war. Dieses Ereignis führte zum Abbruch eines 78 langen Eisbergs („C28“), was für den Merzt-Gletscher einen Verlust von 45,3 Prozent (2.451 Quadratkilometer) bedeutete.

Presseschau über das Eis in der Antarktis

Sollte man nicht meinen, dass in den sogenannten „Qualitätsmedien“ zumindest am Rande oder im Kleingedruckten – und wenn es gar nicht anders geht, wenigstens hinter der Bezahlschranke – über die vorliegende Studie berichtet wird? Ja, sollte man – eigentlich! Warum es aber trotzdem nicht passiert, ist relativ schnell erklärt: Ketzerische Forschung und deren Ergebnisse passen nicht ins Narrativ.

Hierzu einige Beispiele:

Erst vor einer Woche, am 30. Mai 2023, lieferte ARDalpha die Überschrift „Die Polkappen schmelzen schneller – Eisschmelze in Arktis und Antarktis“ und stellte dazu die bereits bekannte Frage: „Könnten Arktis und Antarktis im Sommer bald eisfrei sein?“

Tagesschau am 22. März 2023: „Schmelze in Antarktis – Drei Billionen Tonnen Eis weniger“.

Besonders wild trieb es das ZDF am 10. Februar 2023: „Seit Beginn der Messungen – Antarktis: Meereis schmilzt schnell wie nie.“ Anmerkung: Messungen gibt es seit Mitte des 19. Jahrhunderts – dem kältesten Punkt während der letzten 10.000 Jahre.

Da passt es ins Bild, dass ein Portal mit dem selbst gegebenen Namen „Klimafakten“ im Jahr 2021 grundsätzlich zwar in den Alarmismus einstimmte, entgegen der jüngst vom ZDF aufgestellten Behauptung dabei aber einräumen musste: „Das Meereis dehnt sich Satellitenmessungen zufolge leicht aus; ob damit auch eine Zunahme der Masse verbunden ist, lässt sich wegen mangelnder Daten schwer sagen.“

„Spektrum der Wissenschaft“ am 5. Januar 2023: „Eisbedeckung der Antarktis auf Besorgnis erregendem Minimum.“

Der Name des letztgenannten Portals könnte treffender eigentlich kaum gewählt sein, denn das tatsächliche Spektrum der Wissenschaft reicht beim Klimawandel – und nicht nur dort – von A bis Z. Problem: Medial abgebildet wird nur jener Teil dieses Spektrums, der ins gängige bzw. selbst befeuerte Narrativ passt. Um im Bild zu bleiben also etwa nur die Buchstaben A bis D.

Dabei hat nicht zuletzt die Corona-Krise gezeigt, welche verheerenden Folgen einseitige „Wissenschaft“ haben kann, ja zwangsläufig fast schon haben muss. Gelernt hat man daraus trotz aller anderslautenden Beteuerungen anscheinend aber wieder einmal nichts – schade eigentlich!

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Harry Wedzinga/Shutterstock

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