Fischsterben im Golf von Mexiko: Schuld ist – natürlich – der Klimawandel Plumpes Bäumchen-wechsel-dich-Spiel

Von Kai Rebmann

Es ist eine Meldung, die bestimmten Leuten in diesen Tagen ganz wunderbar in den Kram passt. So zum Beispiel Karl Lauterbach (SPD), der aktuell dabei ist, die Bevölkerung in Deutschland auf möglicherweise bevorstehende Hitze-Lockdowns einzuschwören. Der „Focus“ berichtet aktuell über die vermeintlichen Zusammenhänge zwischen einer „mysteriösen Atlantik-Anomalie“, einem „rekordverdächtigen Temperatur-Anstieg im Nordatlantik“ und einem „rätselhaften Fischsterben im Golf von Mexiko“.

Um den Eindruck einer unvoreingenommenen und ergebnisoffenen Berichterstattung zu verstärken, stellt das Magazin zu Beginn die rhetorische Frage, ob dafür das Wetterphänomen „El Niño“ oder die Erderwärmung verantwortlich sei. Rhetorisch deshalb, weil die Antwort zu diesem Zeitpunkt natürlich schon längst feststeht.

Denn es folgt ein Interview mit Mojib Latif, „Deutschlands bekanntestem Klimaforscher“ (O-Ton „Focus“). Dieser ist als Ozeanograf am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel beschäftigt, einer Einrichtung, die zu 90 Prozent von der Bundesrepublik Deutschland und zu 10 Prozent vom Land Schleswig-Holstein finanziert wird. Im Jahr 2022 lag das Budget eigenen Angaben zufolge bei 80 Millionen Euro.

‚Wärmste Meerestemperaturen, die wir jemals gemessen haben‘

Fakt ist: Im Golf von Mexiko kommt es aktuell tatsächlich zu einem außergewöhnlich hohen Fischsterben. Rätselhaft oder gar beispiellos ist dieses Ereignis aber keineswegs. Beginnen wir aber trotzdem mit dem fast schon erwartbaren Erklärungsansatz von Mojib Latif.

Der „Christian Drosten der Klimaforschung“, der zu Beginn des Jahrtausends auch schon prophezeit hat, dass Schnee im Norden bald der Vergangenheit angehöre, ist kein Mann, der lange um den heißen Brei herumredet. Deshalb lautet der erste Satz: „Wir haben in diesem Frühjahr global die wärmsten Meerestemperaturen gehabt, die wir jemals gemessen haben.“

Da war er wieder, der inzwischen fast schon obligatorische Hinweis auf irgendeinen Rekord „seit Beginn der Messungen bzw. Aufzeichnungen“, der bei keiner Debatte über den Klimawandel mehr fehlen darf. Dieser „rekordverdächtige Temperatur-Anstieg“ sei die Folge von sich abschwächenden Nordost-Passatwinden in Kombination mit der globalen Erwärmung.

Eine steigende Oberflächentemperatur des Wassers führe in bestimmten Meeresregionen zu einer Sauerstoffarmut, was dort dann unter anderem zu einem Fischsterben oder der gefürchteten Korallenbleiche führen könne. Die Auswirkungen von „El Niño“ sorgten dafür, so Latif, dass das nährstoffreiche Tiefenwasser vor den Küsten Südamerikas nicht wie sonst üblich an die Oberfläche gelange, was den oben beschriebenen Effekt begünstigen soll.

Zum Abschluss malt der Ozeanograf noch das Bild eines Teufelskreislaufs an die Wand. Aktuell nähmen die Ozeane 25 bis 30 Prozent des CO₂ auf, „das wir in die Atmosphäre emittieren.“ Dies führe jedoch zu einer „Versauerung des Meerwassers“, was ein „weiterer Stressfaktor für die marinen Ökosysteme“ sei.

Latifs alarmistische Schlussfolgerung lautet daher: „Umso wärmer das Wasser ist, umso schlechter ist seine Löslichkeit für Gase. Und es kann passieren, wenn das Wasser immer wärmer wird, dass dann die Ozeane nicht mehr so viel CO₂ aufnehmen. Und dann würde ja mehr CO₂ in der Atmosphäre verbleiben und wiederum die globale Erwärmung beschleunigen.“

‚Todeszone im Golf von Mexiko‘ anno 2007

Die Aussagen von Mojib Latif stehen für sich und wer wird es schon wagen, die Expertise von „Deutschlands bekanntestem Klimaforscher“ anzuzweifeln? Aber: Das Internet vergisst zum Glück nichts und reitschuster.de verfügt über die beste Redaktion, die man sich nur wünschen kann – Sie, liebe Leser.

Offenbar ist weder die „Atlantik-Anomalie“ noch das „rätselhafte Fischsterben im Golf von Mexiko“ so ungewöhnlich, wie uns Latif und der „Focus“ weismachen wollen. Bereits im Jahr 2007 berichtete „DerStandard“ über exakt dieses Phänomen, damals unter der Überschrift „Todeszone im Golf von Mexiko erreicht gewaltige Ausmaße“. Der wichtigste Unterschied zwischen damals und heute: Wörter wie „Klimawandel“, „Erderwärmung“ oder „Wassertemperatur“ spielen dabei keine Rolle und kommen in dem Bericht nicht einmal vor.

Unter Berufung auf die US-National Oceanographic and Atmospheric Administration schrieben die Kollegen vor 16 Jahren: „Die ‚toten Meereszonen‘ entstehen vor allem durch große Mengen an eingebrachtem Stickstoff, der durch Überdüngung ins Meer gelangt. Die Nährstoffe sorgen für eine üppige Algenblüte, die den Sauerstoff des Meerwassers aufbraucht.“

Vor allem in tieferen Schichten komme es deshalb zu „extrem niedrigen Sauerstoffwerten.“ Besonders gefährdet seien wirbellose Fische, die anderen Fischen als Nahrung dienten. Das führe dann zu einer entsprechenden Kettenreaktion, an deren Ende ein massives Fischsterben stehe. Und weiter, jetzt wieder als Zitat: „Seit den 1970er Jahren, in denen solche Gebiete erstmals entdeckt wurden, hat es kaum wirksame Maßnahmen dagegen gegeben.“

Das „rätselhafte Fischsterben“ im Golf von Mexiko wird also bereits seit mindestens einem halben Jahrhundert immer mal wieder beobachtet. Neu ist lediglich, dass der Klimawandel dafür verantwortlich sein soll. Und auch, dass dieses „Phänomen“ gerade jetzt – im Mai/Juni – aufgetaucht ist, ist offenbar kein Zufall.

Als einen der wesentlichen Faktoren nennt Eugene Turner von der Louisiana State University den Mississippi, der in den Golf von Mexiko mündet. An den Ufern des Stroms wird intensive Landwirtschaft betrieben, was Turner im Jahr 2007 zu dem Schluss kommen ließ: „Wir gehen aufgrund der gemessenen Stickstoffwerte im Mai im Mississippi davon aus, dass die Todeszone in diesem Jahr einen neuen Rekord erreichen wird.“

Und weiter: „Die relativ große Menge an Stickstoff könnte auf intensivere Landwirtschaft vor allem für die Herstellung von Biotreibstoffen, einzigartige Wetterverhältnisse oder veränderte Düngemethoden zurückzuführen sein.“

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Shutterstock

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