Florida: Better to be here – Leben mit Corona Der andere Weg im Umgang mit dem Virus

Aus der ganzen Welt erreichen mich Berichte von Lesern, wie sie in ihren Gastländern Corona überleben. Auch der heutige Leserbericht hat mich wieder sehr bewegt – zeigt er doch mit der Perspektive aus der Ferne, wie kleinkariert das in Deutschland in Corona-Zeiten so weit verbreitete und zugespitzte  Freund-Feind-Denken ist. Und dass es durchaus Alternativen zum Lockdown-Fetischismus von Politik und Medien hierzulande gibt. Aber lesen Sie selbst:

Ein Gastbeitrag von Torsten Pietkiewicz

Ich bin Pilot, Flugkapitän auf der Langstrecke, arbeite in Deutschland und lebe in den USA. Ich bin vor knapp 12 Jahren in die USA eingewandert und in den Sunshine-State gezogen. Habe es nicht einen einzigen Tag bereut. Seit März 2020 bin ich in Kurzarbeit. Seitdem hatte ich zwei Flüge zur Lizenzerhaltung und Simulator. Heißt, ich bin seit fast einem Jahr ununterbrochen zu Hause in Florida und war nur zwei Mal kurz in Deutschland. Ich war in meinem ganzen Berufsleben noch nie so lange am Stück zu Hause. Ich bin ein Informations-Junkie und halte mich mit News aus Deutschland und den USA täglich informiert. Ich bin kein Corona-Leugner! Im Gegenteil, ich verfahre nach meinem Motto: Leben so normal wie möglich, so vorsichtig wie nötig. Infos über die USA in Deutschland erschrecken mich immer mehr. Anfangs dachte ich, dass keiner der Journalisten wirklich hier war. Es liest sich besser, wenn es anderen schlechter geht. Der Deutsche ist halt oft gerne Oberlehrer. Mittlerweile ertappe ich mich bei dem Gedanken, ob das USA-Bashing nicht Mittel zum Zweck des deutschen Mainstream-Journalismus ist. Hier in Florida ist es ganz anders als in Deutschland beschrieben. Ich kann nicht über die Situation in New York berichten, nur über Florida, genauer, Fort Myers am Golf von Mexico in Lee County. Hier ist für mich die Welt nach wie vor immer noch in Ordnung. Ja, es gibt Corona, ja es gibt Menschenleben zu beklagen, aber das Gesundheitssystem ist nicht überlastet.

Man lässt mir meine Freiheiten und die Entscheidung darüber, wie ich mich und andere schütze. Es gibt außer in Bundesgebäuden keine Maskenpflicht, sondern der Unternehmer regelt das für sich in seiner unternehmerischen Freiheit: Ich kenne keinen Supermarkt, kein Geschäft, kein Restaurant, in das ich ohne Maske reinkomme. Jeder Mitarbeiter trägt Maske, überall Schilder mit Maskenpflicht, verordnet vom jeweiligen Betreiber. Im Restaurant sind die Tische weit auseinander oder man kann draußen sitzen. Überall werden die Abstände eingehalten, mir wird im Supermarkt ein frisch desinfizierter Einkaufswagen ausgehändigt. Ich kann zum Friseur, mit Anmeldung und jeweils nur ein Kunde. Alles vorher/nachher desinfiziert, viele Schutzmaßnahmen, geht doch.

Hier ist High-Season, Sommerwetter 28 Grad: Strand, Muscheln sammeln, Boot fahren, abhängen: Alle Abstände/Schutzmaßnahmen werden eingehalten. Auf Grund des Travelbans für Europa fast keine Europäer hier, dafür die Snowbirds aus New-York, Ohio etc., raus aus dem Winter! Auslastung der Hotels/Ferienhäuser in dieser Saison 70 Prozent. Bei jeder Neuvermietung 24 Stunden Karenz, lüften, Bettwäsche desinfizieren, heißt, zwei Mal waschen: Leben mit Corona, nicht warten auf Nach-Corona, zupacken, annehmen, aufpassen …

Saison heißt, Arbeitslosigkeit geht zurück. Soziale Abfederung gibt es selbst in den USA, auch wenn das in Deutschland niemand hören will. Arbeitslosengeld gibt es, und es wurde erhöht. Wer seine Miete/Hypothek nicht bezahlen kann, wird nicht auf die Straße gesetzt. Alle Kündigungen/Zwangsräumungen/Versteigerungen sind seit einem Jahr ausgesetzt. Kann der Mieter nicht zahlen, unterstützt die Regierung den Vermieter. Geld vom Staat gab es für jeden Bürger bis zu einem bestimmten Einkommen bereits zwei Mal: die berühmten Stimulusschecks, einmal 1.200 USD, einmal 600 USD, weitere 1.400 USD sind in der politischen Abstimmung und dazu viele weitere Programme. In Deutschland sehe ich in den Medien immer nur die Foodbanks (Lebensmittel-Tafeln) in den USA, warum eigentlich?

Die Hauspreise in unserer Gegend sind im Steigflug, viele Amerikaner ziehen um nach Florida.

Politisch bin ich den Demokraten zugeneigt. Trump war wahrlich nicht mein Präsident. Trotzdem muss ich anerkennen, dass es mir in vier Jahren Trump nicht anders ging als in den Obama-Jahren. Die Präsidenten kommen und gehen, die Menschen bleiben. Regiert wird hier wie in Deutschland. Bund und Staaten, die gleichen Abstimmungsprobleme. Der Gouverneur in Florida ist Republikaner. Für mich macht er seine Sache gut: Schutzmaßnahmen/Hygienevorschriften einhalten. So wenig Verordnungen dazu wie nötig. Den Menschen ihre Grundrechte und Freiheiten lassen. Es gibt in Fort Myers und Umgebung viele Teststationen, kaum Wartezeiten. Ergebnis spätestens in zwei Stunden. Testen so oft wie man will und ohne Kosten. Touristen, ob US-Amerikaner oder Ausländer, benötigen einen Corona-Test, um nach Florida zu kommen. Geimpft werden in den USA derzeit 1,5 Mio Menschen am Tag, bisher über 50 Mio.! Wenn es dabei bleibt, bin auch ich bald dran. Impfen lassen kann man sich – wenn man an der Reihe ist – auch in der Apotheke um die Ecke.
In Deutschland stehen fast alle Flugzeuge am Boden, und die Fluggesellschaften überleben nur mit Staatshilfe. In den USA gibt es für die Airlines auch Staatshilfe, und nicht zu knapp. Bedingung dafür: die Airlines müssen fliegen. Das Land ist zu groß, um ohne Flugzeuge auszukommen. Dafür natürlich an den Flughäfen und in den Flugzeugen Maskenzwang, die Mittelsitze bleiben frei. Wie gerne wäre ich wieder im Cockpit unter Einhaltung aller Schutzvorschriften. Stattdessen Kurzarbeit und Grounding …

Leben mit Corona geht hier sogar ziemlich unaufgeregt. Ich bin glücklich, dass mir die Politik zutraut zu wissen, was gut für mich ist, und niemand zu seinem „Glück „gezwungen wird. In Deutschland war die magische Zahl der Corona-Inzidenz bisher 50, jetzt 35, danach 0? Untersucht jemand die nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch medizinischen und psychischen Folgen des dauerhaften Lockdowns? Warum ist in Deutschland jeder, der hinterfragt, gleich ein Aufwiegler oder Anhänger einer Verschwörungstheorie, gar rechts außen? Heißt Demokratie nicht Freiheit und auch zu hinterfragen? Warum heißen so viele „Schmitt“ und machen alles geduldig mit? Warum wird das Leben auf Nach-Corona vertagt, wenn niemand weiß, wann das ist? Leben findet in der Gegenwart statt! Ich halte es für unfassbar, dass es in Deutschland Politiker gibt, die Bürger tatsächlich auffordern, Corona-Polizist zu werden, den Nachbarn zu denunzieren, wenn er sich nicht an die von ihm verordneten Regeln hält. Vergangenheit darf sich nicht wiederholen. Hier bei mir im Viertel leben alle friedlich miteinander: Demokraten, Republikaner, Christen unterschiedlicher Ausrichtung, Juden, Muslime, Hindus. Farbenfroh = Diversity! Ein Einwanderungsland. Ich bin selber einer davon. Da ich wegen Corona aktuell wenig im Land reise und überwiegend in Florida bin, denke ich manchmal, vielleicht ist Florida das Paradies in den USA. Warum lese ich so etwas nicht in den deutschen Medien über den Sunshine-State?

Denke ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen.

Heinrich Heine – Nachtgedanken aus dem Jahr 1846. Deutschland, das Land der Dichter und Denker, was passiert da gerade??? Better to be here! Ich bin nicht schadenfroh, manchmal nur betroffen, was in meiner Heimat passiert. Wie wäre es, wenn wir mehr zupacken, um die German Angst zu besiegen, wenn die Politik den Bürgern mehr zutraut; toleranter werden, Anderssein akzeptieren. Was wäre Deutschland für ein großartiges Land!

Ich werde heute Abend mit Freunden (insgesamt sind wir vier = Verantwortung) den Sundowner mit einem Mojito in der Hand genießen. Füße im Sand, Abstände werden eingehalten, Sommer im Winter. Better to be here …Leben mit Corona.

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

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Bilder: Christopher A. Salerno/Shutterstock
Text: Gast

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