Forderung nach Ausschluss von Maaßen aus der CDU Sündenfall? Ex-Verfassungsschutz-Chef teilt Video von Bhakdi – Nun erklärt er, warum

Von Alexander Wallasch

Ein Sommerloch-Festival schon Anfang Januar: Hans-Georg Maaßen, CDU-Politiker und ehemaliger Chef des Bundesverfassungsschutzes, soll sich auf eine Weise geäußert haben, die eine kleine Zahl von Parteifreunden von Maaßen zu Parteiausschlussforderungen veranlasste, andere allerdings dazu, sich dagegen auszusprechen. Dazu gleich mehr.

Worum geht es? Ein wenig erinnert der Auslöser für die Empörung an das künstliche Theater um Filmemacher Til Schweiger und seine von ihm explizit begründete kritische Positionierung zur Impfkampagne der Bundesregierung.

Wo Schweigers Initial für eine kritische Betrachtung unter anderem eine nach einer Schweinegrippeimpfung chronisch erkrankte Tochter ist, musste Hans-Georg Maaßen als kleiner Junge mit fünf Jahren nach einer Impfung notoperiert werden, später noch ein zweites Mal.

Zwei Männer, zwei einschneidende Ereignisse, die weit auseinanderliegen, aber die beide auf ähnliche Weise positioniert haben. Der Politiker agiert hier offensiver als der Filmemacher, möglicherweise schon deshalb, weil er das als seine Aufgabe verstehen könnte.

Die tragische Impfgeschichte von Maaßen wurde auch deshalb bekannt, weil Maaßen selbst sich dahingehend in einem Brief an andere CDU-Mitglieder erklärt hatte, um diese u.a. darüber zu informieren, warum er eine vermeintlich abweichende Haltung zum Impfen hat. Der Brief wurde geleakt, wie man heute sagt, einzelne Medien berichteten.

Aber der eigentliche Auslöser für die Empörung einzelner CDU-Politiker geht tiefer. Hier scheinen ein paar alte Rechnungen offen zu sein: Bis heute verschmerzen es Parteifreunde von Maaßen vermutlich nicht, dass sie nicht hatten verhindern können, dass der Politiker sich, vom dortigen CDU-Verband gewählt, im thüringischen Suhl um ein Bundestagsmandat bewerben durfte.

Zwar konnte Maaßen das Mandat am Ende nicht erobern, aber er errang durchaus einen Achtungserfolg. Was wird ihm also konkret vorgeworfen, was begründet den neuerlichen Anlauf gegen ihn?

Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) forderte jetzt erneut ein Parteiausschlussverfahren; sie „fordert es ein“, will es aber nicht formell stellen. Sie war es allerdings auch, die schon vor der Bundestagswahl auf Nachfrage und etwas verschwurbelt um eine Ecke herum empfohlen hatte, statt Maaßen dem Gegenkandidaten der SPD in Maaßens Wahlkreis die Stimme zu geben. Warum das damals allerdings nicht zu einem Parteiausschlussverfahren gegen Prien geführt hat, bleibt ein Geheimnis der CDU.

Und wieder ist es vor allem Prien, die jetzt – mit Unterstützung einiger weniger, nennen wir sie CDU-Hinterbänkler – wieder gegen Maaßen agiert:

Wenn ein ehemaliger Spitzenbeamter und Verfassungsschützer solch einen verschwörungstheoretischen Unsinn verbreitet und sich dabei auf den Antisemiten Bhakdi bezieht, dann können wir als CDU das nicht länger tolerieren.

Nun steht der einflussreiche und über Jahrzehnte als renommiert anerkannte Mediziner Sucharit Bhakdi mittlerweile auf der Liste der verbotenen Früchte in der Corona-Debatte. Hier allerdings muss die ehrliche Frage lauten: Welche sog. Corona-Maßnahmen- und Impfkritiker eigentlich nicht?
Jedenfalls hatte Maaßen ein Video des Unaussprechlichen auf dem neuen Social-Media-Kanal Gettr geteilt. Und Maaßen legte nach und teilte wiederum per Twitter neuerlich das besagte Gettr-Posting, verbunden mit der Frage:

Wo soll ich ein Impfverbot gefordert haben? Ich habe das bemerkenswerte Video von Prof. Bhakdi geposted, der ernstzunehmende Argumente vorträgt, nach denen die mRNA-Impfstoffe erhebliche Nebenwirkungen haben.

Das stimmt. Aber möglicherweise ist das sprachlich etwas kniffelig für schlichte Gemüter, wenn Maaßen fragt, wo er ein Impfverbot gefordert hätte. Denn besagte und von Maaßen erneut geteilte Nachricht auf Gettr geht ja so:

„Bewegender Appell von Prof. Dr. Sucharit Bhakdi zur dringenden Notwendigkeit eines Covid-Impfverbotes.“

Hier wäre es durchaus hilfreich, gemäß den Gepflogenheiten der sozialen Medien, zu verstehen, dass eine Teilung von vielen Nutzern auch als Einverständnis des geteilten Inhaltes gewertet werden könnte.

Aber selbst wenn, wozu dann die Empörung, wenn nicht aus dem Grunde, eine grundsätzlich negative Haltung gegen Hans-Georg Maaßen zu vertiefen?

Der Spitzenbeamte Maaßen war schon 1978 in die CDU eingetreten und war bereits unter dem ehemaligen Innenminister Otto Schily (SPD) im Bundesinnenministerium tätig. 2003 wurde Maaßen Leiter des Referats Ausländerrecht, fünf Jahre später leitete er den Stab Terrorismusbekämpfung, der gelernte Jurist vertrat die Bundesregierung auch im ersten NSU-Untersuchungsausschuss.

Ab Mitte 2012 wurde Maaßen dann Chef des Bundesverfassungsschutzes. Man könnte also auf die Idee kommen, dass Hans-Georg Maaßen ganz besondere Kenntnisse aus dem Innenleben der Republik mitbringt, wo der ehemalige oberste Verfassungsschützer die Finger kreuzt, da sollte man genauer schauen, was da im Busche ist, da darf einem schon mulmig werden, wenn einer wie Maaßen irgendwo die Glocken läutet.

Leider gehört es zu den Wahrheiten dazu, dass Bhakdi umstrittene Äußerungen auch jenseits seine Fachgebietes vornimmt, was allerdings im Rahmen der Meinungsfreiheit sein gutes Recht ist – wie für jeden anderen Bürger auch.

So äußerte sich Bhakdi explizit kritisch gegenüber Israel, was ihm den Vorwurf des Antisemitismus einbrachte, der allerdings später von der Staatsanwaltschaft Kiel nicht bestätigt wurde: Es läge „keine strafwürdige Volksverhetzung oder Holocaust-Relativierung“ vor.

Das allerdings hinderte wiederum Tagesschau.de, die zuvor etwas anderes behauptet hatte, nicht daran, die falsche Behauptung aufrecht zu erhalten. Derselbe Redakteur schrieb nach dem Urteil jedenfalls, die Staatsanwaltschaft in Kiel hätte etwas übersehen.

Gut, die Kieler Juristen dürften es gelassen nehmen. Gelassen nimmt es beispielsweise der Zentralrat der Juden allerdings nicht, und fordert jetzt gewissermaßen in Kontaktschuld Bhakdi-Maaßen eine „deutliche Distanzierung und Verurteilung der Haltung von Herrn Maaßen“, so Josef Schuster, Präsident des Zentralrats, gegenüber RTL/n-tv .

Demgegenüber stehen Holocaust-Überlebende um Hillel Handler und Miriam Weiss, die sich aus Israel und den USA gegen eine Diffamierung von Bhakdi ausgesprochen haben.

In wieweit hier die Tagesschau, die sich über das Urteil der Staatsanwaltschaft Kiel hinwegsetzt, sich auch den Vorwurf des Kesseltreibers gefallen lassen muss, sollen andere beurteilen.
Jetzt gibt es auch gewichtige Stimmen innerhalb der CDU, die für Maaßen Partei ergreifen: Thorsten Frei (MdB), Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, jedenfalls sagte gegenüber „n-tv Frühstart“ Folgendes zur Causa Maaßen:

„Was Parteiausschlüsse anbelangt, ist es doch ganz klar, dass so etwas in Deutschland zu Recht extrem schwierig ist. Demokratische Parteien müssen ein hohes Spektrum an Meinungen aushalten können. Deswegen würde ich solche Diskussionen, die nur ins kurze Gras führen, nicht führen.“ Und frei weiter: „Deswegen rate ich hier wirklich zur Vorsicht an der Bahnsteigkante.“

Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU, Tino Sorge, erklärte: „Maaßen provoziert, testet Grenzen aus und feiert sich dann als Märtyrer, der vermeintlich mundtot gemacht werden soll. Als große Volkspartei müssen wir uns allerdings auch mit solchen Meinungen auseinandersetzen.“

Sorge ist demnach gegen ein Parteiausschlussverfahren, was er da allerdings über den Parteifreund äußert, kann wohl nur unter heftigsten Bauchschmerzen noch als echte Verteidigung der innerparteilichen Meinungsfreiheit verstanden werden.

Was schreibt Hans-Georg Maaßen über Bhakdi, was seine Gegner in der Partei jetzt für ein Parteiausschlussverfahren verwenden wollen? Aus medizinischer Sicht will sich Maaßen kein Urteil erlauben.

Er beruft sich in besagtem Schreiben an CDU-Mitglieder auf seinen „juristischen Hausverstand“, wie er es nennt. Demnach klängen Bhakdis Aussagen im von Maaßen geteilten Interview „weitgehend schlüssig und nicht pauschal verschwurbelt, verschwörungstheoretisch oder spinnert“.

Weiter schreibt Maaßen, er sei „der festen Überzeugung, dass es notwendig ist, dass sich die Fachöffentlichkeit, Politik und die gesamte Gesellschaft mit diesen Einwänden ernsthaft auseinandersetzen“.

Maaßen beruft sich ebenfalls auf die Meinungsfreiheit, wenn er das Bhakdi-Video teilt. Hier also explizit auch ein Einsatz für die Meinungsfreiheit des renommierten Mediziners.

Der Staat sei verpflichtet, so Maaßen weiter, die Sorgen der Ungeimpften ernst zu nehmen, also die Sorgen auch jener, welche beispielsweise die Warnungen Sucharit Bhakdis ernst nehmen.

Hans-Georg Maaßen endet in seinem Schreiben mit einem Appell an seine Parteifreunde, sich nicht spalten zu lassen. Und exklusiv im Gespräch mit reitschuster.de sagt Hans-Georg Maaßen:

Die CDU soll sich endlich einmal darauf konzentrieren, dass sie Opposition ist und eine vernünftige und harte Oppositionsarbeit macht, anstatt sich selbst aufzureiben.

P. S.: Laut neuen Meldungen soll Maaßen jetzt von seinem thüringischen CDU-Verband zum Gespräch gebeten worden sein. Aber dort steht man mehrheitlich hinter dem Parteifreund – es wird also wohl eher darum gehen, gegenüber der Bundes-CDU irgendetwas abzuliefern, das nach einer internen Auseinandersetzung ausschaut. Lästig vielleicht für Maaßen, aber sicher nicht substanziell.

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“.

Bild: shutterstock
Text: wal

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