Freibad-Gewalt: Realitätsverweigerung im Endstadium Warum die Wegseher mitverantwortlich sind

Es hat etwas von kognitiver Dissonanz: Matthias Oloew, früher Redakteur beim stramm Champagner-linken Berliner Tagesspiegel und inzwischen als Kommunikations-Chef der Berliner Bäder-Betriebe abseits des strauchelnden Mainstream-Journalismus weich gelandet, beteuerte laut einem Bericht von Focus Online (FOL) vom Sonntag, wie sicher doch die Berliner Bäder sein. Der Vorwurf von  Peter Harzheim, Präsident des Verbandes der Bademeister, die Badbetreiber müssten aktiver werden und ihr Publikum besser aussuchen, sei „befremdlich“, monierte Oloew: „Öffentliche Bäder erfüllen einen Auftrag im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge und sind kein privater Club oder eine Diskothek, die mit einer Türpolitik die Klientel aussiebt.“

Kein Verständnis hat der Mann, der aus der Redaktionsstube in die Verwaltungsstube wechselte, auch für eine weitere Aussage des Praktikers Harzheim, der seit 45 Jahren als Schwimmmeister tätig ist. Der Bademeister klagte: „Ich habe selbst drei kleine Enkelkinder – wenn ich mit denen da hereingehen würde, würde ich schlicht unverantwortlich handeln!“ Er könne Familien derzeit nicht empfehlen, an Wochenenden ins Freibad zu gehen.

Dazu Bäder-Funktionär und Ex-Journalist Oloew: „Die Sicherheit in Berliner Freibädern ist gewährleistet“. Sorgen darüber seien unbegründet. „Es besteht kein höheres Konfliktpotenzial“, versichert er gegenüber FOL.

Genau am gleichen Tag, als er diese „Versicherung“ abgab, bestrafte ihn die Realität: „Kein Sommer-Sonntag ohne Freibad-Eskalation! Im Sommerbad Neukölln am Columbiadamm endete ein Streit an einer Rutsche mit einer gebrochenen Nase einer 21-Jährigen und einem größeren Polizeieinsatz!“, schrieb die „Bild“: „250 PERSONEN BEDRÄNGEN POLIZEI UND SECURITY“. Erst am Wochenende zuvor hatte es in einem Berliner Bad eine Massenschlägerei gegeben.

Das Tatgeschehen liest sich in der „Bild“ wie ein Sittengemälde aus dem „besten Deutschland aller Zeiten“: „Kinder sollen eine 21-Jährige und ihre Freunde mit Wasserpistolen bespritzt haben. Es kam zum – zunächst verbalen – Streit. Der eskalierte, als sich ein Mann im Alter zwischen 35 und 40 Jahren einmischte. Er habe der jungen Frau eine Wasserpistole direkt vors Gesicht gehalten und abgedrückt, teilte die Polizei weiter mit. Die 21-Jährige soll den Mann daraufhin angespuckt haben. Der wiederum schlug mit der Spritzpistole zu. Nasenbeinbruch!“

Die Beschwichtiger werden nun sagen: Hat es alles schon immer gegeben. Dass nach dem Anrücken ein Mob die Beamten aus dem Nichts angriff, 250 Personen den Ordnungshütern gegenüber für „überraschende Tumulte“ sorgten? Alles schon immer so, werden die Beschwichtiger sagen. Dass „migrantische und gewaltbereite Gruppen dominieren, die normale Badegäste verdrängt haben“, wie TE schreibt? Dass die Polizei keine Angaben zur Herkunft der Täter macht? Alles ganz normal, hallt es aus dem Wald der Wegseher. Wenn Bademeister-Chef Harzheim „hauptsächlich Personen mit Migrationshintergrund auf den Bildern“ von Gewaltexzessen sieht – sicher alles nur böse rechte Propaganda.

Die Verantwortlichen ducken sich weg. Hamburgs Bädersprecher sagte knapp, es habe keine Fälle von Gewalt in Freibädern gegeben: „Wir hatten auch in den vergangenen Jahren nie Probleme damit. Daher planen wir keine besonderen Sicherheitsmaßnahmen.“ Die Münchner Badebetriebe fanden es offenbar unter ihrer Würde, eine Presseanfrage von FOL zu beantworten und meldeten sich erst gar nicht.

Die Realität beschreibt FOL: „Neben Schlägereien gab es in anderen Bädern Berichte über sexuelle Belästigungen. So etwa im bayrischen Kaufbeuren. Vergangene Woche wurden laut Polizei drei Mädchen im Alter von 12 Jahren sexuell belästigt. Täter waren mehrere Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren. In Dinslaken in NRW kam es vor ein paar Tagen zu einem ähnlichen Vorfall. Dabei bedrängten und begrapschten zwei Männer ein 15-jähriges Mädchen im Wasser. In Köln belästigte ein 23-Jähriger in der vergangenen Woche zwei Mädchen, beide 13 Jahre alt.“

Vor rund zehn Jahren hatte ich Bädersprecher und Ex-Journalist Oloew einmal eine Mail geschrieben, wegen Missständen in den Berliner Bädern. Er antwortete erst auf Nachfrage, und nur kurz – dass ihn meine Beschreibung „verwundere“, er sie aber weiterleiten werde. Mehr kam dann nicht mehr.

Man muss ganz klar benennen: Es sind die Wegseher und Verharmloser mitverantwortlich für die Missstände, die wir derzeit erleben. Denn wenn man so tut, als gäbe es ein Problem einfach nicht, kann man auch nichts zu seiner Lösung tun.

David gegen Goliath
Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!
Bild: Screenshot Twitter
Text: br

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