Schweiz: Das Ende der Pandemie ist in Sicht Kehrt die alte Normalität zurück?

Von Dana Samson

Diese Woche soll in der Schweiz über massive Lockerungen beraten werden. Die Aufhebung der Maßnahmen solle kontrolliert erfolgen, als erste Schritte sind laut Bundesgesundheitsminister Alain Berset die Aufhebung der Quarantänepflicht und die Home-Office-Pflicht realistisch. Am 29. Januar berichtete er in einem Gespräch mit Moderator Oliver Washington über die möglichen Lockerungen in der Samstagsrundschau des Schweizer Radio und Fernsehen SRF.

Vertreter der Wirtschaft forderten den Bundesrat auf, die Maßnahmen zu lockern. Trotz der enorm hohen Fallzahlen gebe es derzeit keine Überlastung des Gesundheitssystems, schlussfolgert Berset. In der letzten Januar-Woche haben sich ca. zehn Prozent der Bevölkerung infiziert, es habe allerdings keinen Anstieg in Schweizer Spitälern gegeben. Es könne zwar nicht von einem Ende der Pandemie gesprochen werden, es sei aber das Ende der akuten Phase erreicht.

Maßnahmen kein Dauerzustand

Von Beginn an sei das Credo der Maßnahmen gewesen, dass sie nur so kurz wie nötig andauern sollen und kein Dauerzustand sein dürfen. Die Maßnahmen wurden erlassen, um die Situation in den Griff zu bekommen und einen Zusammenbruch des Gesundheitssystems zu verhindern. Ab dem Moment, wo es möglich ist, sollten die Maßnahmen wieder gelockert werden, betont der Gesundheitsminister.

PürnerDie Lockerungen der Maßnahmen müssten allerdings auch institutionell möglich sein. Die Aufhebung der Quarantänepflicht und der Home-Office-Pflicht könne schnell erfolgen, daher würden sie diese Woche in den Fokus der Verhandlungen mit dem Bundesrat rücken.

Weitere Forderungen des Gewerbeverbandes sind die Aufhebung der Isolations- und Zertifikatspflicht. Der Moderator stellt an dieser Stelle die Frage, ob die Aufhebungen generell nicht zu schnell erfolgen würden.

Berset betont, dass es im Inland eine Aufhebung der Zertifikatspflicht geben könne. Für Reisen ins Ausland seien die Zertifikate durch die Zertifikatspflicht der Nachbarländer weiterhin sinnvoll. Die Isolationspflicht sei immer noch ein wichtiger Punkt. Positiv getestete Menschen, die ansteckend seien, sollen sich weiterhin isolieren. Das würde auch im Interesse der Wirtschaft sein. Die Dunkelziffer der positiv Getesteten, die nicht dokumentiert würden, sei nicht bekannt. Um zu vermeiden, dass die Dunkelziffer zu hoch ansteige, sei es umso wichtiger, dass sich die Menschen, bei denen bekannt ist, dass sie ansteckend sind, isolieren.

Eigenverantwortung der Menschen voranstellen

Insgesamt betont Berset in dem Gespräch immer wieder die Eigenverantwortung der Menschen. Mittlerweile gebe es eine sehr hohe Immunität in der Gesellschaft und diejenigen, die sich schützen wollen, könnten das in Eigenverantwortung machen. Die Pandemie sei zwar nicht vorbei, dafür könnten aber die harten Maßnahmen bald beendet werden. Die Menschen wissen, wie sie sich mit Distanz, Hygiene, Masken und einer generellen Vorsicht schützen.

Die derzeitige Ansteckungswelle passiere trotz der derzeitigen strengen Maßnahmen, so Berset. Die Impfung sei ab fünf Jahren möglich und Kinder würden von der Krankheit nicht so stark getroffen wie Erwachsene. Die Pandemie gefährde nicht die jüngere Generation, das sei ein Vorteil für die Gesellschaft.

Washington sieht diese Einschätzung offensichtlich anders und fragt den Gesundheitsminister, ob er das Risiko von Long Covid einfach in Kauf nehmen würde, wenn noch nicht ausreichend Menschen in der Gesellschaft geimpft seien, die Maßnahmen aber aufgehoben werden?

Dass die Kinder ausreichend Zugang zum Booster haben und die Impfung ihre persönliche Entscheidung sei, sieht der Moderator eher weniger. 57 Prozent der über 12-Jährigen haben keinen Booster, weil sie diesen nicht wollen, und nicht, weil sie keinen Termin bekommen, erklärt Berset. Auf die Aussage, dass alle Kinder, die doppelt geimpft sein wollen, es schon gemacht haben, pariert Washington plump mit „Nein“. Laut ihm gibt es nicht ausreichend Impftermine für Kinder.

Durchseuchung der Kinder?

Washington stellt eher zynisch die Frage, ob man die Schulen der Pandemie „freigeben“ könne, nachdem die Kinder zwei Jahre gewartet und die Mühsal mitgemacht haben. Als positives Beispiel wird der Gesundheitsminister Karl Lauterbach herangezogen, der betont, dass es keine Durchseuchung der Kinder geben solle: „Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat aber im Deutschen Fernsehen eben noch davor gewarnt und auch gesagt, was man stattdessen machen müsste – die Fallzahlen drücken.“ In der Schweiz habe man dafür den Eindruck, dass eine Durchseuchung der Kinder „achselzuckend zur Kenntnis genommen werde“.

Seit Beginn der Pandemie sei es für die Schweiz wichtig gewesen, einen Weg zu wählen, in dem das Leben der Bevölkerung so wenig wie möglich beeinträchtigt wird. Neben den Gefahren der Ansteckung bestünden nach Berset auch psychische Schäden und Gefahren, wenn die Schulen geschlossen sind. Die Schulschließungen waren in der Schweiz viel kürzer als in Deutschland und damit auch die Probleme der Kinder minimiert. Außerdem sei Omikron so ansteckend, dass sich sehr viele Kinder auch in den Ferien und trotz Maske angesteckt haben. Es dürfe aber nicht vergessen werden, dass Kinder nicht die Hauptverursacher in der Pandemie seien. In der Schweiz werde in der Gesamtheit auf die Kinder geachtet, auch auf die psychische Gesundheit und die Möglichkeit des Schulbesuches.

Nachdem der Moderator dem Gesundheitsminister indirekt einen zu sanften Umgang mit der Pandemie vorwarf, äußert er im Anschluss eine Kritik über die dramatischen Zustände der Begleiterscheinungen und die großen Probleme der psychischen Gesundheit, auch von Erwachsenen.

Berset stellt erneut klar, dass es von Beginn an das Ziel war, Leiden zu verhindern, wo es möglich sei. Dementsprechend gebe es keine Ausgangssperren, Schulen seien im Vergleich zu anderen Ländern viel weniger lange geschlossen gewesen.

Washington reicht die Antwort nicht und er kritisiert abermals das Handeln der Regierung. Vor der Pandemie haben sieben Prozent der 14- bis 24-Jährigen unter psychischen Problemen gelitten, jetzt seien es 30 Prozent. Die Infrastruktur für psychologische Betreuung sei nicht ausreichend. Der Bund, hält Berset dagegen, habe Maßnahmen getroffen, unter denen die Kinder so wenig wie möglich leiden würden. Außerdem seien Organisationen nach der ersten Welle besser finanziert und die Möglichkeiten der Therapie erweitert worden.

'Wo hätten Sie sonst, als in der Schweiz, leben wollen?'

„Wo haben Sie rückblickend Fehler gemacht?“, fragt der Moderator den Gesundheitsminister. Dessen Antwort ist selbstkritisch und reflektiert. Die Regierung habe immer mit dem vorhandenen Wissen gehandelt. Die generelle große Desorganisation hätte man von vornherein vermeiden und sich besser auf so eine Situation vorbereiten können. Letzten Endes mache aber jeder Fehler und handele auch nach teilweise ungenügendem Wissen. Trotzdem stellt er selbstsicher die Frage: „In welchem Land hätten Sie sonst leben wollen während der Pandemie? Wo hätten Sie sonst als in der Schweiz leben wollen?“

Ende der Pandemie?

Nach Informationen von Blick könne sogar der Verzicht auf Kapazitätsbeschränkungen bei Großveranstaltungen und die maximale Personenzahl bei privaten Treffen in Aussicht gestellt werden. Auch das Ende der „besonderen Lage“ werde derzeit diskutiert. Einzig die Maskenpflicht in Innenräumen und öffentlichen Verkehrsmitteln könnte bestehen bleiben.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Dana Samson studiert an einer deutschen Universität und schreibt hier unter Pseudonym.

Bild: Mirza Kadic / Shutterstock
Text: ds

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