Ein Gastbeitrag von Klaus Kelle
Wenn jemand eine Person des Öffentliches Lebens ist, ja sogar tatsächlich eine hohe Relevanz in der Bevölkerung und in unserem Staat hat, dann ist das vielzitierte Juste Milieu geneigt, den oder die zu Verabschiedenden mit allerlei Lobhudeleien zu würdigen. Das konnte man bei Angela Merkel wunderbar beobachten, die zweifellos die schlechteste Bundeskanzlerin in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gewesen ist. Nicht, dass sie nicht auch Dinge richtig bewertet und getan hätte, nicht, dass sie nicht auf dem internationalen Parkett auch bella figura gemacht hätte für unser Land – das kann niemand ernsthaft bestreiten.
Aber Fakt ist eben auch, dass kein Regierungschef unserem Land und seinen Bürgern objektiv so viel Schaden zugefügt hat, wie diese Frau aus der Uckermark.
Bundeskanzlerin oder Bundespräsident, das ist natürlich eine andere Kategorie als ein bekanntes Gesicht in den Medien. Aber dennoch ist es mir wichtig, heute etwas zum Abschied des ZDF-Anchormans Claus Kleber vom Bildschirm zu schreiben. Einfach weil die lieben Kollegen in den meinungsführenden Mainstreammedien sich mit Lobeshymnen geradezu überschlagen.
„Durch seine Sendungen moderierte Kleber immer im Stil des Elder Statesman“, schreibt etwa das Magazin „Focus“, und man kann da gar nicht widersprechen. Aber Elder Statesmen neigen zur Besserwisserei und zur Arroganz. Und in diesen beiden Disziplinen machte Kleber niemand in seiner medialen Gewichtsklasse etwas vor.
Für mich war ein Schlüsselmoment mit Claus Kleber, als er am Tag nach dem großen Wahlsieg des jungen Konservativen Sebastian Kurz in Österreich den Mann abends live zum Interview zugeschaltet hatte. Immerhin sagte Cleber noch „guten Abend“, bevor Volksbelehrung vom Feinsten zu erleben war. Kein Glückwunsch, keine Analyse, warum die Österreicher vom roten Spuk die Nase voll hatten, kein Wort zu den Wählerwanderungen oder dem Kurz-Faktor, der etwas mit Klartext und konservativ zu tun hat. Klebers einzige Sorge: Kurz brauche zu einer neuen Regierungsbildung doch „die rechtsnationale FPÖ“ nicht. Warum er eine Koalition mit der damaligen Strache-Partei nicht ausschließe?
Kurz antwortete souverän, in meinen Augen sogar brillant. Er verwies darauf, dass es noch nie einen derartigen Wahlerfolg der ÖVP gegeben habe und seine Partei allein ungefähr so viele Stimmen errungen habe, wie SPÖ und Freiheitliche zusammen. Kurz wörtlich: „Ja, vielleicht würden Sie selbst besser wissen, was ich tun sollte, als ich das selbst weiß…“ Ein magischer Moment, die Arroganz des Fragestellers noch zu übertreffen mit der Arroganz des Wahlsiegers.
Im Grunde war Kleber das Gegenmodell des legendären Hanns Joachim Friedrichs, der Anchorman der ARD-Tagesthemen war, als das bei uns noch gar nicht so hieß.
Kurz vor seinem Tod im März 1995 sagte Friedrichs in einem „Spiegel-Interview“ den Satz, den man neuen Journalisten-Generationen regelmäßig um die Ohren hauen müsste:
„Das hab’ ich in meinen fünf Jahren bei der BBC in London gelernt: Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein. Nur so schaffst du es, dass die Zuschauer dir vertrauen, dich zu einem Familienmitglied machen, dich jeden Abend einschalten und dir zuhören.“
Und die Zuschauer vertrauten diesem Hajo Friedrichs, so wie viele Deutsche, die – warum auch immer – weiter das ZDF schauen, aber Medienfiguren vom Schlage Kleber eben nicht mehr vertrauen. Weil sie keine Distanz wahren, weil sie sich dem Zeitgeist und den Mächtigen anbiedern, anstatt einfach nur ihren Job zu machen: Nachfragen, recherchieren, immer eine Gegenmeinung einholen.
Klima, Refugees welcome, Trump-Bashing – Claus Kleber war immer vorn dabei, immer auf der richtigen Seite, immer da, wo es warm war. So wie bei Corona natürlich auch.
Ausgerechnet Knut Cordsen, ein Kulturredakteur aus Norddeutschland, wagte gestern am Nachmittag, am Denkmal Kleber zu kratzen, als er auf dem Portal des Bayerischen Rundfunks Klebers Aktivitäten in den sozialen Netzwerken zum Thema machte. Kann jemand Anchorman einer der wichtigsten öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen sein und auf Twitter gleichzeitig pointiert eine linksgrün-angepasste Weltsicht vertreten? Eine überaus simple Weltsicht, denn der Aufstieg von Donald Trump, Boris Johnson, Sebastian Kurz oder auch der AfD sind nicht die Schuld unkritischer Medien, sondern das alles hat eine Vorgeschichte. Eine Vorgeschichte von der Arroganz des Mainstreams und der herrschenden Parteien und Politiker.
Ohne Merkels Eurorettung und dann die Politik der offenen Grenzen, gäbe es heute keine starke AfD in unseren Parlamenten. Und nun machen sie es schon wieder falsch im Umgang mit dieser AfD, die so offensichtlich unfair behandelt und diskriminiert wird, dass es ihr weitere Sympathie in der Bevölkerung bringen dürfte. Und wieso hat eine Mehrheit der Briten für den Brexit gestimmt? Wegen der Medien? Oder wegen der Fehler der EU, wegen des Molochs Brüssel, der zentralistisch alles lenken will, was auf dem Kontinent passiert?
Cordsen kommt zu dem Schluss, dass politische Veränderungen nicht nur wegen des Versagens der „althergebrachten“ Medien bewirkt werden, sondern durch die zahlreichen reichweitenstarken „alternativen Medien“. Die aber gäbe es gar nicht, wenn die meinungsführenden Medien einfach ihren Job handwerklich sauber gemacht hätten.
Kleber steht sinnbildlich für den angepassten Journalismus unserer Tage wie kein anderer in Deutschland. Immerhin verabschiedete er sich mit einem Satz, der absolut ins Schwarze trifft:
„In der Redaktion haben wir jeden Tag strittige Debatten, trotzdem machen wir Sendungen, die den Zuschauern nicht das Gefühl geben, dass dort Meinungen aufeinanderstoßen.“
Und genau das ist das Problem, und genau deshalb wird es auch Zeit, die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten als ein Relikt von 1946 endlich ersatzlos zu schließen.
Mein aktuelles Video aus der Bundespressekonferenz:
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs. Heute leitet der Christdemokrat die Internet-Zeitung „The Germanz“. Dieser Beitrag ist zuerst dort erschienen.
Bild: Screenshot heute journalText: Gast
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